Musica Coronensis im Bukarester Athenäum

Benefizkonzert mit Werken Kronstädter Komponisten und Interpreten

Kronstädter Musik und Musiker im Athenäum: Durch fünfhundert Jahre Kronstädter Kultur- und Musikgeschichte führte der Kantor der Schwarzen Kirche, Dr. Steffen Schlandt. Foto: Deutsche Botschaft

Am vergangenen Montag fand im Bukarester Athenäum mit Unterstützung der Deutschen Botschaft, der Österreichischen Botschaft sowie der Botschaft des Souveränen Malteserordens in Rumänien ein festliches Benefizkonzert statt, dessen Erlös der Arbeit des Malteser Hilfsdienstes in Rumänien zugute kam. Das vom Generaldirektor der Bukarester Philharmonie „George Enescu“, Andrei Dimitriu, dem Europatag der Europäischen Union gewidmete Konzert bedeutete zugleich eine besondere Premiere: Zum ersten Mal seit seiner Gründung im Jahre 2003 durch den in Kronstadt geborenen Dirigenten Horia Andreescu wurde dem Kronstädter Musikfestival „Musica Coronensis“ in seiner nunmehr elften Folge eine Bukarester Konzertbühne zur Verfügung gestellt. Auch der im Jahre 1933 gegründete Bachchor aus Kronstadt/Bra{ov, der an dem Benefizkonzert mitwirkte, durfte sich freuen: Nach seinem Bukarester Debüt 1935 mit Bachs Matthäus-Passion und seinem vorerst letzten Auftritt 1943 im Bukarester Athenäum konnte er nach über siebzig Jahren wieder auf der renommierten Bühne der Bukarester Philharmonie in Erscheinung treten.

Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Generaldirektor Dimitriu richteten zunächst die Botschafter der beiden Bundesrepubliken Deutschland und Österreich, Werner Hans Lauk und Dr. Michael Schwarzinger, Grußworte an das zahlreich erschienene Publikum des Benefizkonzertes, bevor der Botschafter des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom hl. Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta, Baron Jakob Kripp, das Wort ergriff, die Arbeit des Malteser Hilfsdienstes in Rumänien mit seinen rund 1200 Freiwilligen, zum Beispiel den sozialen Mahlzeitendienst „Essen auf Rädern“, in einer kurzen Darstellung würdigte und zugleich um Spenden für diesen wichtigen karitativen Dienst in Rumänien warb.

Für die folgenden zweieinhalb Stunden gehörte die Bühne dann ausschließlich der siebenbürgischen Stadt Kronstadt, ihrer reichen musikalischen Kultur, ihren Komponisten, ihren Vokal- und Instrumentalmusikern, ihren Tänzern, und zwar nicht nur den in Kronstadt geborenen und dort wirkenden Siebenbürger Sachsen, sondern in gleichem Maß auch den die Kronstädter Musikkultur mitbestimmenden und prägenden Ungarn und Rumänen. Moderiert wurde der fünfhundert Jahre umspannende und chronologisch aufgebaute Streifzug durch die Kronstädter Kultur- und Musikgeschichte von dem Organisten der Kronstädter Schwarzen Kirche, Dr. Steffen Schlandt, der in deutscher und rumänischer Sprache souverän und kenntnisreich durch das Programm des Konzertabends führte, Solisten und Ensembles an Orgel und Klavier begleitete, die Kronstädter Chöre (Bachchor und Jugendbachchor) dirigierte und außerdem die musikalische Gesamtleitung innehatte.

Musikalisch eingestimmt wurde das erwartungsvoll harrende Publikum durch einen kurzen Film von Steffen Schlandt über das frühmorgendliche Erwachen Kronstadts mit Glockenklang und Vogelgezwitscher, bevor dann das alte sächsische Lied „Zu Kronen vor’m Burgertor“ erklang, gesungen von Gabriela Schlandt und instrumental begleitet von Blockflöte, Orgel und zwei wohlklingenden wie pittoresken Theorben. Darauf folgten drei Werke aus dem 16. Jahrhundert, die stellvertretend für drei Institutionen standen, die in jener Epoche das musikalische Leben in Kronstadt unterstützten und förderten: die Schule, repräsentiert durch Johannes Honterus und seine Komposition nach Boethius’ Lied „Felix nimium“ aus dessen Schrift „Trost der Philosophie“, das vom Kronstädter Bachchor gesungen wurde; die Welt der Fürstenhöfe, repräsentiert durch den aus Kronstadt gebürtigen internationalen Lautenvirtuosen Valentin Greff Bakfark und zwei seiner Kompositionen, die von Olivia Iancu und Claudiu Lobonţ kongenial interpretiert wurden; und schließlich die Kirche, repräsentiert durch eine vom Jugendbachchor der Schwarzen Kirche gesungene fünfstimmige Motette von Gregorius Ostermeyer zu Texten aus dem Buch Hiob, von der sich leider nur vier Stimmen erhalten haben und deren fünfte von dem Hermannstädter Stadtkantor Franz Xaver Dressler ergänzt wurde.

Nach dem kurzen Auftritt eines Kronstädter Fanfarenbläsers und einem kurzen filmischen Intermezzo mit den so genannten „Turnern”, den Kronstädter Turmbläsern, die sommers vom Rathausturm mit Trompete, Posaune und Horn ungarische, rumänische und sächsische Signalklänge in den Abendhimmel über dem Marktplatz hinaussenden, wurde Kronstadt als Orgelstadt des 17. Jahrhunderts gewürdigt. Paul Cristian interpretierte drei Werke des Kronstädter Pfarrers und Musikers Daniel Croner, die zu den ersten musikalischen Werken für Tasteninstrumente auf dem Gebiet des heutigen Rumänien zählen, und das Quartetto Brassovia spielte das Werk „Isti sunt triumphatores“ aus dem Codex Kajoni für Violine, Violoncello, Oboe und Orgel, eines der wenigen erhaltenen Instrumentalstücke dieser Epoche. Daran schloss sich, wiederum mit Steffen Schlandt an der Orgel, ein Andante von Martin Schneider an, der im 18. Jahrhundert den sogenannten galanten Stil aus Pressburg und Wien in Kronstadt heimisch machte.

Mit dem 19. Jahrhundert trat auch die Kultur des Bürgertums in Kronstadt musikalisch in Erscheinung. Das berühmte, zunächst der Kronstädter Kauffrau Apollonia Hirscher gewidmete Lied „Bürger Kronstadts, lasst uns singen“ von Johann Lucas Hedwig, das als „Siebenbürgen, Land des Segens“ zur Hymne der Siebenbürger Sachsen geworden ist, wurde vom Quartett „Gaudeamus“ der Kronstädter Philharmonie und vom Bachchor der Schwarzen Kirche zu Gehör gebracht, und das Ensemble „Măgura” aus Zeiden/Codlea führte im Anschluss daran einen malerischen rumänischen Salon- und Gesellschaftstanz auf, begleitet am Flügel von Sándor Ambrus nach einer Komposition von Iacob Mureşianu.

Leipzig, die große deutsche Handels- und Messestadt, die Büchermetropole, diejenige Stadt, in der Felix Mendelssohn-Bartholdy 1843 das erste Musikkonservatorium Deutschlands gegründet hatte, wurde für zahlreiche Kronstädter Musiker in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum musikalischer Ausbildung und Begegnung. Im Bukarester Athenäum erklangen in der Folge Werke von Komponisten, die sich durch den gegenseitigen künstlerischen Austausch mit Musikern aus „Lipsca” (Leipzig) inspirieren ließen: die zwei wunderschönen Lieder „Meine Freunde“ und „Mein!“ der Geschwister Rudolf und Helene Lassel, gesungen von der Sopranistin Cristina Radu und begleitet von Steffen Schlandt am Flügel; die „Doina iubirii“ (Liebesklage) nach Vasile Alecsandri von Iacob Mureşianu; und eine Vertonung der achten Seligpreisung aus der Bergpredigt (Mt 5,10) von Gheorghe Dima in einer glanzvollen Interpretation mit dem grandiosen Kronstädter Vokalquintett „Anatoly“.

Fünf Werke aus dem 20. Jahrhundert rundeten den langen, aber kurzweiligen, zugleich lehrreichen, anschauungsvollen und genussbringenden Spaziergang durch fünf Jahrhunderte Kronstädter Musikgeschichte ab: die letzten beiden Sätze aus dem Streichquartett Nr. 3 von Paul Richter, wiederum mit dem Ensemble „Gaudeamus”; das dreisätzige Werk „Tempus” der 1971 geborenen Ana Szilágyi, der einzigen noch lebenden unter den Komponisten des Konzertabends, dargeboten von ihrer Mutter Liliana Iacobescu am Flügel und dem Geiger Valentin [erban, der im Jahre 2011 den internationalen Violinwettbewerb „[tefan Ruha” in Sathmar/Satu Mare gewinnen konnte; die Coşbuc-Vertonung „La Paşti” (Zu Ostern) von Ion Criveanu, wiederum mit dem aus einer Frauenstimme und vier Männerstimmen bestehenden Vokalensemble „Anatoly”; das eingangs erklungene Volkslied „Zu Kronen vor’m Burgertor“ in der Version Norbert Petris mit dem Kronstädter Jugendbachchor; und als krönender Abschluss des Konzertabends die Vertonung von Versen aus dem 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser” von Rudolf Lassel, bei deren Aufführung sämtliche am Benefizkonzert mitwirkenden Musiker gemeinsam beteiligt waren.

Nach dem überwältigenden Schlussapplaus betrat dann noch Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă, Leiter des Projekts „Entdecke die Seele Siebenbürgens“, auf die Bühne und machte die Zuschauer auf eine Ausstellung im Foyer des Athenäums über Kirchenburgen in Siebenbürgen aufmerksam. Mit Gottes Segen entließ er das Publikum in einen durch echte Begeisterung bereicherten Abend, der in manchem Zuhörer den Wunsch aufkeimen ließ, die Kronstädter Musiker bald wieder in Bukarest bewundern zu dürfen, vielleicht im Rahmen eines Bach-Abends im Athenäum mit Chor- und Orgelwerken des großen deutschen Barockkomponisten.