Parallelen. Temeswar/Neusatz

Partnerstädte bringen gemeinsames Kulturerbe ans Licht

Den Barock-Saal können die Besucher so erleben, wie er noch nie ausgesehen hat. Die Kunstausstellung „Parallelen“ ist sehenswert.

Ein Selbstporträt des Malers Stevan Aleksic mit dem Tod im Nacken, als eine Art permanenter Begleiter

Bei der Pressekonferenz vor der Eröffnung der Ausstellung „Parallelen. Temeswar/Neusatz“: Mihaela Irimescu, Filip Petcu, Tijana Palkovljevic Bugarski und Alexandra Celovski | Fotos: Raluca Nelepcu

Ausgehend von der Überzeugung, dass im europäischen Kulturraum eine gewisse Einheit besteht, haben zwei Kunstmuseen aus zwei Partnerstädten beschlossen, anlässlich des europäischen Kulturhauptstadtjahres eine gemeinsame Ausstellung von Kunstwerken aus den eigenen Sammlungen auf die Beine zu stellen, um die gemeinsamen Werte, die sie hegen, hervorzuheben. Das Ergebnis, das derzeit im Barock-Saal des Temeswarer Kunstmuseums bewundert werden kann, trägt den symbolischen Titel „Parallelen. Temeswar/Neusatz“. 

Viele Stühle stehen im Flur vor dem Eingang in den Barock-Saal. Die Pressekonferenz, zu der das Temeswarer Kunstmuseum eingeladen hat, soll bald beginnen. Das Banner, das auf die Ausstellung „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ hinweist, versperrt während der Pressekonferenz den Eingang in den Barock-Saal. Für gewöhnlich finden die Pressekonferenzen immer im Barock-Saal statt, doch am heutigen Freitag kommt es anders. An den Wänden linkerhand steht eine Kurzbeschreibung der Ausstellung – auf Rumänisch, Serbisch und Englisch. Die Ausstellung „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ wird von Filip Petcu, dem Direktor des Temeswarer Kunstmuseums, als Gastgeber und Organisator vorgestellt. Ihm zur Seite steht die Vertreterin der Partnerinstitution aus Neusatz: Tijana Palkovljevic Bugarski, Direktorin der Kunstgalerie „Matica srpska“ in Neusatz/Novi Sad. Auch die beiden Kuratorinnen der Ausstellung, Alexandra Celovski und Mihaela Irimescu aus Neusatz bzw. Temeswar, sind dabei. „Die Zusammenarbeit mit der Galerie Matica srpska hat uns gezeigt, dass es auch Parallelen gibt, die sich überschneiden“, sagt Museumsleiter Filip Petcu. Ein Rundgang durch die kleine, aber feine Ausstellung bezeugt seine Worte. Wer den Barock-Saal so sehen möchte, wie er noch nie ausgesehen hat, hat nun die Chance dazu.

Im Jahr 2016 fiel die Entscheidung, dass die Partnerstädte Temeswar in Rumänien und Neusatz im benachbarten Serbien im Jahr 2021 Europäische Kulturhauptstädte sein sollten. Infolge der Covid-19-Pandemie wurden dieser Plan etwas verschoben, sodass Neusatz 2022 diesen Titel trug und Temeswar in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas ist. Dies hinderte die beiden Partnerstädte jedoch nicht daran, ihre gemeinsamen Initiativen zu verwirklichen und sie sowohl in Rumänien, als auch in Serbien vorzustellen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Temeswarer Kunstmuseum und der Galerie „Matica srpska“ in Neusatz besteht seit 2019, als diesbezüglich ein Zusammenarbeitsprotokoll unterzeichnet wurde. Ein erstes gemeinsames Projekt kam 2021 zustande: die Ausstellung „Europäische Erscheinungen in der Sammlung der Galerie Matica srpska“, wodurch auch in Temeswar ein Teil der Sammlung der serbischen Kunstgalerie vorgestellt wurde. Die Zusammenarbeit wurde durch die Herstellung von Kontakten zwischen Fachleuten intensiviert, durch Austausche im Bereich der Konservierung und Restauration, durch Fachtagungen zusammen mit der Kunst- und Designfakultät, der West-Universität Temeswar und anderen Institutionen in Europa. Da zwischen den Sammlungen der beiden Museen in Temeswar und Neusatz Parallelen, also Ähnlichkeiten bestehen, lag es auf der Hand, dass eine gemeinsame Ausstellung mit Werken beider Institutionen, teilweise von denselben Künstlern, veranstaltet wird. Voriges Jahr, als Neusatz den Titel einer Kulturhauptstadt Europas trug, wurde die Ausstellung „Parallelen“ in der serbischen Partnerstadt eröffnet. „Die Ausstellung wurde während eines Höhepunktes des Kulturhauptstadtjahres in Novi Sad – am Wochenende des Exit-Festivals – eröffnet. Die Galerie ‚Matica srpska‘ ist ein ausgezeichnetes Museum, mit extrem guten Konzepten und Präsentationsmöglichkeiten, die dank der Erfahrung der dort tätigen Fachleute, einiger junger Leute mit Weltoffenheit, zustande gekommen ist. Die Eröffnung der Ausstellung fiel mit einem Jubiläumsmoment der Galerie ‚Matica srpska‘ überein – 175 Jahre seit ihrer Gründung“, sagt Filip Petcu. Das Temeswarer Kunstmuseum feierte letztes Jahr 150 Jahre seines Bestehens. 

Die Galerie „Matica srpska“ wurde von einer emblematischen Gestalt geprägt: Sava Tekelija (1761- 1842), einem Sammler, einem Visionär, einem Mäzen des 18. Jahrhunderts, wie ihn Museumsleiter Filip Petcu nennt. Auf der anderen Seite ist das Nationale Kunstmuseum in Temeswar von der Figur Zsigmond Ormos (1813 – 1894), dem Gründer des Banater Museums, geprägt – ein Kunstsammler und -historiker, der im mitteleuropäischen Geist seine Kunstsammlungen schon zu seiner Zeit der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat. Zwei Porträts der beiden Persönlichkeiten sind in der Ausstellung „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ zu sehen – sie stehen sich gegenüber, an den beiden Enden des Barock-Saals. Die Ausstellung ist eine Reise in die Geschichte und Kultur der beiden Partnerstädte. Diese Geschichte beginnt im 18. Jahrhundert und reicht bis in die Gegenwart. „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ präsentiert Werke von Künstlern, die für das historische Banat stellvertretend sind und die sich sowohl in den Sammlungen des Nationalen Kunstmuseums Temeswar, als auch in jenen der Galerie „Matica srpska“ in Neusatz wiederfinden. 

Eine schwere Holztür ermöglicht dem Besucher den Eintritt in den Barock-Saal. Ins Auge sticht sofort das warme Gelb, in dem die Wände gestrichen worden sind. An den Wänden hängen, rundherum, Gemälde von Künstlern, die im historischen Banat und nicht nur gewirkt haben. Links am Eingang sind einige Ikonen zu bewundern: „Jesus Christus“ von Teodor Ilic Cesljar (1746 – 1793) oder „Die Heilige Dreifaltigkeit mit Heiligen“, ein Gemälde aus dem Jahr 1787, geschaffen von dem Maler [tefan Tene]chi. Zu den Gemälden, die an den Wänden im Barock-Saal hängen, gehören auch solche, die das Serbisch-Orthodoxe Bistum in Temeswar als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Nedelcu Zugrav Popovici (18. Jahrhundert), Stefan Tenețchi (ca. 1720-1798), Konstantin Daniel, Sava Petrovi (1794-1857), Pavel Petrovi (1818/19 -1887), Ljubomir Aleksandrovi (1828-1887), Donat Janos, Stevan Aleksi (1876 - 1923) und Miroslav Pavlovi (geb. 1952) sind einige der Künstler, deren Werke im Rahmen der Ausstellung „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ bewundert werden können. Besonders interessant sind die Selbstporträts von Stevan Aleksic, der im Hintergrund auch den Tod als seinen ständigen Begleiter gemalt hat. 

„Europäische Werte sind in jedem der Werke, die in der Ausstellung ´Parallelen´ zu sehen sind, verborgen. Freiheit, Fortschrittlichkeit, Erbe und Vielfalt sind diese Werte. Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten bei der Arbeit an dieser Ausstellung entdeckt. Parallelen bedeutet in diesem Sinne keine Distanzierung, sondern eine Zusammenkunft“, sagt Kuratorin Mihaela Irimescu. Religiöse Kunst, Landschaften, Porträts u.v.m. können in der Ausstellung bewundert werden. „Parallelen. Temeswar/Neusatz“ kann bis zum 17. März 2024 besichtigt werden.