Schon der Titel ist ein Gedicht

Balthasar Waitz -Menschen und andere Träume, Kurzprosa, Cosmopolitan Art Temeswar

Ein Kollege hat geschrieben, dass es sich hier um Geschichten aus dem Alltag handelt. Das würde ich so nicht formulieren, denn mit dem Alltag hat der Mensch schon Elend genug, er braucht ihn nicht auch noch im Buch. Ich würde eher die Wahrheit schreiben, obwohl sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist: Es handelt sich um Humor. Nicht umsonst habe ich schon 1989 – aber vor dem Dezember - Balthasar Waitz in meine Humoranthologie „So lacht man bei uns“ aufgenommen.

Eingliedern muss man diese Kurzprosa zwischen den Band mit echt Banater Gedichten, den Waitz zuletzt veröffentlicht hat, und den schwäbischen Roman, an dem er schreibt, und von dem ein Vorabdruck im Jahrbuch der ADZ erschienen ist. Erfreulich auch, dass man sich in Temeswar auf die Leute besinnt, die als Künstler etwas leisten können. In diesem Fall ist das die Dichterin Ilse Hehn, die auch als bildende Künstlerin und Fotografin voller Fantasie schafft und hier den Umschlag entworfen hat. Er passt bestens zum Titel „Menschen und andere Träume“. Dieser Titel ist schon ein Gedicht für sich. So schön ist nur noch die Widmung, die der Autor für mein Exemplar ausgesucht hat: „Vielleicht ist es gar nicht mehr wichtig, vielleicht ist es gar nicht mehr wahr, ich erzähle bloß, damit man es weiß.“

Der Humor ergibt sich nicht aus den Figuren, sondern aus der Sprache. Etwa Feststellungen dieser Art: Die Leute waren katholisch, aber nicht religiös, die Person war eine alleinstehende Frau, aber anständig, Fahrschule ist kein Religionsunterricht, am Ende ist der Mensch reif für den Heldenfriedhof. Die meisten Figuren sind übriggeblieben aus einer anderen Zeit, auch die Plattenbauten, wo nicht einmal der Hof mehr das ist,was er einmal war und wo die menschenfreundlichen Ratten jetzt zwischen den Garagen spazieren.

Die letzte Geschichte, „Briefe aus dem Wald“, kommt in der Methode den „Physikern“ von Dürrenmatt in die Nähe. In diesem Akazienwald befindet sich ein Irrenhaus, eingerichtet in den Gebäuden einer zeitweiligen russischen Kaserne, wobei es für die Insassen aber viel ausmacht, ob einer als Narr eingestuft ist oder als Idiot. Narr ist besser.
Besonders gut finde ich die Stelle über die berühmten herumreisenden Fotografen Kuhn und Lustig aus dem Kurbad Busiasch:

„Oft kamen diese fahrenden Leute ins Dorf, um Familienfotos mitsamt den Alten und dem Vieh zu machen. Dahinter hatte man ein altes Leintuch über die Veranda gespannt. Das sah schöner als in der Sakristei aus. Da wurden nun die sturen Alten auf Rohrstühle platziert. Ein, zwei drei, wurden sie wie Schafe gezählt. Auch die Kinder mussten gezählt werden, nur etwas genauer, wie Hühnereier...Der Bauer schaute auf dem Foto immer wie angeheitert aus.“