Spiel oder reale Arbeitswelt?

Lutz Hübners „Die Firma dankt“ an der deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters Hermannstadt

Anca Cipariu als Mayumi und Daniel Bucher als Darsteller von Adam Krusenstern
/ Foto: TNRS

Valentin Späth als Andy Warhol und Daniel Bucher als Adam Krusenstern.
Foto: Cynthia Pinter

Der Dramatiker, Regisseur und Schauspieler Lutz Hübner, Jahrgang 1964, gehört zu den meistgespielten Autoren der Gegenwart auf deutschen Bühnen. In Rumänien wurde sein Jugendtheaterstück „Creeps“ am Deutschen Staatstheater Temeswar vor einigen Jahren inszeniert, ansonsten aber ist er hierzulande wenig bekannt. An der Hermannstädter Bühne erlebte das 2011 uraufgeführte Stück „Die Firma dankt“ im Dezember seine Erstaufführung in Rumänien und wurde am Dienstag (vor leider wenig Publikum) erneut gespielt.

Hübner greift heiße, aktuelle Themen auf und so mancher Zuschauer erlebt im Theatersaal ein Déjà-vu. Die von Theodor-Cristian Popescu gezeichnete Inszenierung in dem von Mihai Păcurar geschaffenen Bühnenbild und Lichtdesign erinnert an das, was man aus multinationalen Unternehmen mitbekommt, sich aber auch in zahlreichen Institutionen abspielt, wenn es irgendwann zum Konflikt zwischen dem eingefahrenen und einem neuen, kreativen Konzept und Führungsstil im Management kommt. Angesprochen werden in „Die Firma dankt“ desgleichen Fragen des Vertrauens in Mitarbeiter und Kollegen bzw. der Grenzen von Loyalität und Aufopferung für Firma und Beruf, aber auch des Stellenwerts von Neuem und der Grenzen zwischen Genie und Scharlatanerie.

Die Handlung des Stückes ist einfach, das Ende eher unerwartet. Adam Krusenstern (gespielt von Daniel Bucher), ein Abteilungsleiter der „alten Schule“, wurde als Einziger von der neuen Firmenleitung nicht entlassen. Die hat ihn nun zu einem Wochenende ins Gästehaus der Firma eingeladen, ohne Anlass oder Gründe mitzuteilen. Die dadurch hervorgerufene Verunsicherung wird durch die Fürsorglichkeit der ihn umsorgenden Assistentin Mayumi (Anca Cipariu) verstärkt. Ebenso irritieren ihn die Begegnung mit dem verschrobenen Personalchef John Hansen (Ali Deac) und der sich verständnisvoll gebenden Personaltrainerin Ella Goldman (Johanna Adam).

Auf die Palme bringt ihn der unkonventionell-flegelhaft-arrogant auftretende Praktikant Sandor (Valentin Späth). In der unvorhergesehenen Situation versucht Krusenstern das, was er fast 20 Jahre lang in der Firma getan hat: zu organisieren. Damit kommt er bei den jungen Kollegen genauso wenig an wie mit seinem wiederholten Pochen auf seine Leistungen der vergangenen Jahre. Er versucht ihnen – und sich – zu beweisen, dass er, der für Job und Firma die Familie und Gesundheit vernachlässigt hat, nicht einfach abgeschrieben werden kann. „Das Neue ist keine Qualität an sich“, sagt er.

Dem Vertreter der „guten, alten Firmenkultur“ tritt der Repräsentant der jungen, skrupellosen, sich an Machtausübung und -spielen amüsierende und mit Floskeln aus dem neuen Manager-Slang um sich werfende künftige Firmenchef gegenüber, als der sich Praktikant Sandor entpuppt. Nach dem Vorbild von Andy Warhols „Factory“ will der Karrierist die Firma umbauen, „geprobt“ wird schon mal mit einer Party in Psychedelic-Atmosphäre. Der Griff zu Warhol wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn die Dialoge bringen den konfliktgeladenen Unterschied zwischen den beiden „Management-Typen“ bestens herüber. Krusenstern tanzt mit, er ist sich jedoch dessen bewusst, dass er ausgetanzt hat. Ein Leben ohne die Firma kann er sich aber nicht vorstellen, weshalb er bereit wäre, auf Selbstachtung, Würde und Familie zu verzichten. Dennoch wird er gegangen – und Personalchef John weiß, dass es ihm in zwei Jahren genauso ergehen kann. Doch nicht dies ist das Ende des Stücks, das es zu sehen lohnt.