Von der Ruine bis zur neobarocken Drehkulisse

Schlösser, Burgen und Festungen im Sathmarland

Die Ruine des Lónyai Schlosses in Mediesu Aurit verfügt seit diesem Jahr auch über ein digitales Infoterminal. Foto: Gesellschaft für Interkommunale Entwicklung des Kreises Sathmar

Schloss Károlyi aus dem Blickwinkel des Schlossparks Foto: Arthur Glaser

Die elegante Empfangs- und Eingangshalle des Schlosses Károlyi Foto: visitcarei.ro

Der restaurierte Turm der Burgruine in Erdeed thront auf einer Anhöhe. Foto: Arthur Glaser

Die Errichtung einer Burg oder eines Schlosses war ursprünglich als Recht nur den Königen vorbehalten. Später nahmen jedoch auch Adlige dieses Recht für sich in Anspruch. Der Kreis Sathmar/Satu Mare beheimatet als Kulturlandschaft eine Vielzahl von Schlössern, Festungen, Burgen und alten Herrenhäusern. Ein Besuch der zahlreichen architektonischen Zeitzeugen lässt einen Rückblick in die Regionalgeschichte zu und lässt somit Geschichte für einen Moment wieder lebendig werden.

Das 2021 gestartete Projekt „SMAR.T.OURISM - THE THEMATIC ROUTE OF CASTLES“ setzt sich zum Ziel, das touristische Potenzial der Regionen Sathmar und Transkarpatien/Ukraine zu fördern. Hierfür wurde, wie der englische Titel des Projektes verrät, eine touristische Route für Schlösser konzipiert, welche die zahlreich existierenden Bauten für Touristen bekannter und zugänglicher machen soll. Im Landkreis Sathmar gibt es um die 30 Schlösser, Burgen, Festungen und Herrenhäuser, die man entdecken kann. Allein im Umkreis von 50 Kilometern der Kreishauptstadt findet man drei sehenswerte historische Perlen.

Vom Steinhaus zur neobarocken Schlossanlage

In Großkarol/Carei, der zweitgrößten Stadt im Kreis Sathmar, findet man ein besonderes architektonisches und historisches Juwel. Schon beim Blick über den Außenzaun kann man zwischen den Bäumen des Schlossgartens, der neogotische und neobarocke Stilelemente vereint, das Schloss Károlyi erkennen. Es gehört wohl zu den bekanntesten und am besten erhaltenen Schlossanlagen der Region. Über Jahrhunderte war es der Stammsitz der Károlyis, einer der ältesten ungarischen Adelsfamilien. Das Bauwerk veränderte sich über die Jahrhunderte. Die Schlossanlage selbst blickt auf eine ereignisreiche Entstehungsgeschichte zurück. Das Schloss wurde mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Sein Ursprung geht auf das Jahr 1482 zurück: An der Stelle der heutigen Anlage baute sich Láncz László Károlyi ein aus Steinen gemauertes Haus. Über ein Jahrhundert später erweiterte Mihály Károlyi das Steinhaus in eine Festung, die den Osmanen standhalten sollte. 

1699 gab Graf Sándor Károlyi der Festung durch Umbauarbeiten eine elegantere Form, zudem war er der Initiator für die Ansiedlung der ersten Schwaben in der Region. Durch seine tolerante und weitsichtige Siedlungspolitik kamen neben Schwaben auch Juden nach Großkarol, Handel und Handwerk blühten auf. Die Stadt wurde somit zu einem wirtschaftlichen Zentrum in der Region. Seine Nachfahren setzten diese Ansiedlungspolitik fort: So ist die deutsche Minderheit in der Region Sathmar und Großkarol bis heute eng mit der Geschichte der Adelsfamilie Károlyi und deren Stammsitz verbunden. 

Der Nachfahre József ließ die Festungsanlage 1794 abreißen und errichtete an gleicher Stelle ein Schloss. Ein Jahrhundert später bekam dieses die Struktur, die wir heute noch sehen können. Die Adelsfamilie Károlyi verließ das Schloss als Stammsitz im Jahre 1911, danach fungierte die Anlage zeitweise als Jagdschloss. Die Károlyis lebten zu dieser Zeit bereits hauptsächlich in Tiszadob. 

Ein denkwürdiger Moment in der Geschichte des Schlosses war der Besuch des rumänischen Königs Ferdinand I. im Jahre 1919. In der Folgezeit fanden ein Sanatorium sowie ein Casino Platz im Gebäude des Schlosses. In der Zwischenkriegszeit wurde ein Großteil des Mobiliars, Gemälde und sonstige Wertgegenstände nach Ungarn verbracht, und 1944 dienten die Räumlichkeiten als Kriegslazarett. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss von der rumänischen Armee übernommen, um später in den Besitz des rumänischen Kulturministeriums überzugehen. Nach jahrelanger Vernachlässigung befand sich das Schloss in den 1990er Jahren in einem sehr schlechtem Zustand. Die Anlage wurde daher 2008, 2012 sowie 2017 für mehrere Millionen Euro restauriert.

In den Räumlichkeiten des Schlosses gibt es heute eine Dauerausstellung zur Geschichte des Schlosses sowie zur Lokalgeschichte zu sehen. Es ist auch regelmäßiger Gastgeber von Wanderausstellungen und Konzerten, und der angeschlossene Schlosspark lädt bei schönem Wetter zu einem Spaziergang ein. Im Zentrum des Parks befindet sich eine zwischen 1760 und 1780 errichtete Reithalle. Nach jahrelangem Leerstand und der Renovierung  beherbergt sie heute einen Reitclub. 

Am südwestlichen Ende entdeckt man einen 33 Meter hohen Wasserturm, welcher aus dem Jahre 1888 stammt. Die Schlossanlage zieht jährlich bis zu 50.000 Besucherinnen und Besucher an. 2018 diente das Schloss und die Parkanlagen zudem als Drehort für die Dreharbeiten der Palastszenen zum Film „Prinzessinnentausch“, der auf dem Streamingdienst Netflix veröffentlicht wurde.

Burgruine mit der Hochzeitskapelle des Nationaldichters

Wesentlich kleiner, aber nicht minder interessanter, thront eine Burgruine auf einem Hügel nach der Ortseinfahrt in die Kleinstadt Erdeed/Ardud. Die Burg ist bei Hochzeitspaaren und Touristen gleichermaßen als Fotomotiv beliebt, denn die ehemalige Festung wurde in den letzten Jahren restauriert. Die Ursprünge dieser Ruine sind nur rudimentär überliefert, weshalb sich einige Mythen um die Burgruine ranken: Die berühmteste besagt, dass die Burg einst durch ein Tunnelsystem mit Sathmar verbunden gewesen sein soll, das vom Adligen Franz Rákóczi mit seinen Soldaten angeblich genutzt wurde.

Die Errichtung der Festungsanlage wird auf das Ende des 15. Jahrhunderts geschätzt. Sie wurde durch den Adligen Bartolomeu Drágffy, einen Nachfahren des Woiwoden Dragoș Vodă, veranlasst. Drágffy diente auch dem ungarischen König Matthias Corvinus als Mundschenk. Die ursprüngliche Konstruktion der Festung soll vier Türme umfasst haben, die als Unterkünfte für Soldaten dienten. Die Festung erwarb sich den Ruf, zu den widerstandsfähigsten in Nordsiebenbürgen zu gehören: 1565 benötigten die Osmanen ganze 40 Tage, bis sie die Festung einnahmen und sie später zerstörten.

Nach etwa zwei Jahrhunderten wurde auf den Ruinen der einst zerstörten Festungsanlage eine neue erbaut, zu der auch eine Burgkonstruktion gehörte. Die heute vorhandenen Ruinen basieren auf dieser Konstruktion. Der Wiederaufbau wurde um 1730 vom Adligen Sándor (Alexander) Károlyi veranlasst. 

In der Kapelle der Burg wurde 1847 die Hochzeit des ungarischen Nationaldichters Sándor Petöfi mit Júlia Szendrei zelebriert. Heute befindet sich der eigentliche Altar der Kapelle im römisch-katholischen Bischofspalais von Sathmar und die Burg verfiel in Folge des Zweiten Weltkrieges wieder zu einer Ruine. Nach der phasenweise Restaurierung wird die Burgfestung durch ein Mittelalter-Festival zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt. In den renovierten Innenräumen kann man auch Ausstellungsexponate betrachten, die sich mit der Geschichte der Anlage befassen. Vom Turm aus kann man zudem einen schönen Ausblick über das Umland genießen.

Verfallende Ruine mit reicher Geschichte

Die noch stehenden massiven Mauern lassen den Betrachter nur erahnen, über welche Ausmaße das einst prachtvolle befestigte Schloss verfügte. Die mittlerweile verfallenden Gemäuer zeugen von einem jahrhundertelangen Kampf gegen Natur und Zeit. Sie stehen inmitten der Gemeinde Medieșu Aurit, die etwa 32 Kilometer von Sathmar entfernt ist.

Die Ruine des Lónyai Schlosses gehört zu den bekanntesten in der Region. Der zunehmende Verfall des Gebäudes verleiht ihm einen gewissen historischen Charme, der zu einem beliebten Fotomotiv geworden ist. Medieöu Aurit erfreut sich aber nicht nur aufgrund der Schlossruine einer gewissen Bekanntheit: Der Ort verfügt außerdem über eine Geschichte, die bis in das Steinzeitalter zurückreicht. Mitte der 1960er Jahre brachten archäologische Grabungen zu Tage, dass an der Stelle der heutigen Gemeinde bereits 35.000 bis 15.000 v. Chr. Menschen siedelten.

Das einst im Renaissance-Stil errichtete Schloss wurde auf den Ruinen einer Festung aus dem 14. oder 15. Jahrhundert gebaut. Archäologische Forschungen während der 1970er ergaben zudem, dass die einstige Festung aus dem beginnenden 10. Jahrhundert stammte. Quellen lieferten auch den Beleg, dass die Festung als „Castrum Megyes“ bekannt war und zur Herrschaft des Menumorut gehörte. Die ursprüngliche Festung fiel 1271 dem Mongolensturm zum Opfer, bei dem sie völlig zerstört wurde. 

Im 15. Jahrhundert entstand an gleicher Stelle eine Festung aus Stein, die dem Adelsgeschlecht Báthory gehörte. 1620 begannen die Bauarbeiten zu einem Schloss anstelle der alten Festung. Das nun der Adelsfamilie Lónyai gehörende Konstrukt wurde 1657 fertiggestellt, aber 1707 wieder zerstört. Seither trägt das Schloss auch diesen Namen.

1920 soll das Schloss von König Carol II. gekauft worden sein, in den Kriegsjahren 1940/41 wurde das Schloss zum Teil restauriert und zu einem Militärkrankenhaus für deutsche und später auch rumänische Soldaten umfunktioniert. Die zwischenzeitliche Instandsetzung des Gebäudes war jedoch nur von kurzer Dauer: 1944 wurde das Schloss größtenteils zerstört. Um die genauen Geschehnisse, wie es zur Zerstörung kam, tobt bis heute ein historischer Streit. Teils wird behauptet, dass das Gebäude von den abrückenden deutschen Soldaten gesprengt worden sei, da sie das Schloss auch als Munitionslager genutzt hatten. Eine andere Erklärung sieht die Schuld dagegen an der Zerstörung bei den sowjetischen Truppen. 

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfällt die Struktur des Schlosses kontinuierlich. Um den Zugang für Besucher zu erleichtern, wurden Zugangswege um das Schloss asphaltiert sowie Beleuchtungsanlagen installiert. Große Teile der Außenmauer sind heute komplett verschwunden, daher kann man sich als interessierter Besucher von der einstigen Innenstruktur ein Bild machen.