Auf viele weitere gemeinsame Jahre!

Gedanken zur Feier des 70. Jubiläums der ADZ im Schillerhaus

Chefredakteurin Rohtraut Wittstock erinnert an die Schwierigkeiten nach der Wende. Fotos: George Dumitriu

Dr. Paul-Jürgen Porr rettete die ADZ als Tageszeitung.

Botschafter Cord Meier-Klodt bekennt: Sein Tag beginnt mit der ADZ.

Die ADZ ist 70 geworden. Eine ganz schön alte Dame? Nein, vielmehr eine Raupe, die sich zum Schmetterling gewandelt hat. Die hässliche Raupe hieß „Neuer Weg“ und diente auch als Propagandablatt der Kommunisten. Sie vereinte aber auch die Deutschen in Rumänien. Nach der Wende ist dann der Schmetterling geschlüpft. Ein Schmetterling ist klein, aber bunt, wie auch die Vielfalt der Themen, mit der wir heute versuchen, ein breites Leserspektrum zu erreichen: hiergebliebene, ausgewanderte und zurückgekehrte Mitglieder der deutschen Minderheit, deutschsprachige Rumänen, Expats und sogar Einwanderer. Ein Schmetterling ist frei – wie die ADZ.

Frei von den Trends der Mainstreampresse und dem politischen Druck, mit dem sich andere Medien hierzulande oft konfrontieren. Manche Schmetterlinge sind selten und daher schützenswert – so verdient auch die ADZ als einzige deutschsprachige Tageszeitung in Südosteuropa einen gewissen Schutz. Und dann gibt es noch den sogenannten „Schmetterlingseffekt“: So nennen Physiker, wenn etwas ganz Kleines unerwartet große Wirkung entfaltet. Wenn ein Schmetterling hier mit den Flügeln schlägt und dort ein Orkan losbricht. Aber halt! So stürmisch wollen wir gar nicht sein. Ein bisschen frischer Wind genügt schon…

So sehen wir uns heute. Doch dass der Ausblick auf die Zukunft nicht immer rosig war, daran erinnert Chefredakteurin Rohtraut Wittstock in ihrer Festrede zum Anlass der Jubiläumsfeier, die am Samstag, dem 16. März, im Bukarester Kulturhaus „Friedrich Schiller“ im Kreise der Kollegen aus den Lokalredaktionen, der Unterstützer und Freunde der ADZ – insgesamt an die 80 geladene Gäste – stattfand. „Am Anfang der 90er Jahre stellten sich angesichts des Umbruchs und des Massenexodus der Deutschen aus Rumänien sehr bedrückende Fragen: Wie lange wird es diese Zeitung noch geben? Wer wird sie machen?“ Denn der Exodus betraf ebenso die Mitarbeiter der Redaktion. „Und wer wird die Zeitung lesen?“

Heute gibt es nur noch drei Mitarbeiter, die schon beim „Neuen Weg“ dabeigewesen sind. Verluste gab es nicht nur durch die Auswanderung, sondern auch durch Rente und Tod. „Seit der Jubiläumsfeier zum 65. Geburtstag vor fünf Jahren haben wir dreizehn der damaligen Mitarbeiter verloren.“ Der Rest des Teams hat sich nicht nur bedeutend verjüngt, es ist auch bunter geworden – und reflektiert damit auch das breitere Spektrum der Leserschaft. Manche der jungen Redakteurinnen und Redakteure kommen aus dem Kreis der deutschen Minderheit in Rumänien, andere aus rumänischen Familien, haben aber deutsche Schulen besucht – oder auch nicht, oder auch nur zum Teil, erklärt Wittstock. In der Redaktion arbeiten inzwischen auch mehrere Kollegen aus Deutschland, oft schon seit vielen Jahren im Land, mit guten rumänischen Sprachkenntnissen, wie sie zur Recherche notwendig sind, die sich das nötige Wissen über die Verhältnisse in Rumänien und über die deutsche Minderheit angeeignet haben.

Ein Schmetterling ist frei

Unsere heutige Existenz als Tageszeitung verdanken wir in erster Linie dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR). Das DFDR hat die ADZ gerettet, nachdem der „Schmetterling“ nach der Wende zwar frei und unzensiert „flattern“ durfte, doch wegen der Auswanderung der bisherigen Leserschaft und den finanziellen He-rausforderungen des freien Marktes akut bedroht war. Der „Neue Weg“ konnte mit seiner kleinen Auflage unmöglich rentabel sein.

Heute ist das DFDR Herausgeber der ADZ. Finanziert wird sie von dem Geld, das die rumänische Regierung der deutschen Minderheit zur Verfügung stellt, erklärt DFDR-Vorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr. Ihm persönlich haben wir zu verdanken, dass es uns noch als Tageszeitung gibt. Denn als es in einer Forumssitzung hieß, die ADZ sei nur noch als Wochenblatt zu halten, ging er schließlich zu Klaus Johannis, dem damaligen Vorsitzenden des DFDR, und plädierte mit allen möglichen Argumenten für deren Beibehaltung in derselben Form. „In seiner lapidaren Art“, erinnert sich Porr, sagte dieser: „Na gut, dann kümmere du dich ab jetzt seitens des Forums um die ADZ.“ Heute steht die ADZ nicht schlechter da als damals,das Team wurde konsistent verjüngt, es erscheint regelmäßig das „Deutsche Jahrbuch“ und selbst die Idee des Reiseführers „Komm mit“ wurde wiederbelebt, freut sich unser Retter.

Wofür wir ihm unsererseits dankbar sind? Dass das Forum uns nicht zum Vereinsblatt degradiert hat und uns nie vorgeschrieben hat, was oder gar wie wir zu berichten haben. Dr. Porr versichert: „Das wird auch in Zukunft so bleiben!“

Die zweifache List der Geschichte

Um eine zweifache List der Geschichte und darum, dass es im Zusammenhang mit der Wirkung der ADZ vielleicht doch ein bisschen „Schmetterlingseffekt“ gibt, geht es in der Festrede des deutschen Botschafters Cord Meier-Klodt... Mit unserer Zeitung als Morgengruß, die schon im Auto liegt, wenn ihn sein Fahrer abholt, beginnt sein Tagwerk hier in Bukarest mit der ADZ. „Sie hat mir geholfen, Rumänien zu erschließen“, und zwar nicht nur in Bezug auf die Themen der deutschen Minderheit, sondern auch weit darüber hinaus, fährt er fort. Besonders schätzt er den sachlichen Ton in der politischen Berichterstattung und die professionelle Trennung zwischen Nachricht und Kommentar.

Auf die lange Tradition der deutschsprachigen Presse in Rumänien bezugnehmend – schon im 18. Jahrhundert gab es deutschsprachige Zeitungen im Banat und in Siebenbürgen – macht er auf eine „List der Geschichte“ aufmerksam: „Ja, der ‚Neue Weg‘ war ein kommunistisches Sprachrohr – aber er schaffte es eben auch, sich gewissermaßen zwischen den Zeilen für die Anliegen der Deutschen in Rumänien einzusetzen.“ So trug er zu Zeiten der Diktatur zur Aufrechterhaltung und Stärkung einer gemeinsamen Identität der Deutschen in Rumänien bei.

Doch die beeindruckendste aktuelle Erfolgsgeschichte, zu der die ADZ beigetragen hat, sei in einer zweiten, „umgekehrten List der Geschichte“ zu sehen, überrascht Meier-Klodt: „Die ADZ hat es nämlich geschafft, der Abwanderung der Leserschaft etwas entgegenzusetzen.“ Nicht nur, dass durch die Aufnahme der „Karpatenrundschau“ und der „Banater Zeitung“ zwei deutsche Blätter gerettet wurden, auch der Leserkreis hat sich sehr grundsätzlich verbreitert. Ebenso die Themen, die auch nationale und internationale Politik, sowie deutsche und nicht-deutsche Belange im Land und in der Welt umfassen, aber eben in deutscher Sprache. „Dies alles vor dem Hintergrund einer Nachfrage von Seiten der breiten rumänischen Bevölkerung an deutscher Sprache, deutschen Schulen, deutschsprachigen Studiengängen und deutscher Berufsbildung, die wohl nie zuvor größer war als heute!“

Schließlich erkennt der Chefdiplomat auch eine „zutiefst europäische Botschaft im besten Sinne“ im Beitrag der ADZ zum Erhalt der deutschen Identität im Lande, zur Mitgestaltung einer modernen rumänischen Identität, basierend auf gemeinsamen Werten, der Einheit in kultureller und sprachlicher Vielfalt, der Toleranz und des Gemeinschaftssinns. Und lobt: „Gerade in diesen innen- und europapolitisch nicht einfachen Zeiten ist dieser Beitrag wichtiger als je zuvor.“


Was vermittelt  unsere Zeitung?
Menschen durch eine Zeitung zu erreichen, ist eine große Chance. Aber auch eine große Verantwortung. So müssen wir uns immer wieder mit der Frage auseinandersetzen: Was vermittelt unsere Zeitung? Diskriminierung, Spaltung und Sensationsgeilheit, wie so manche andere Medien? Oder verbindet sie, stärkt europäische Werte, plädiert für Einheit in Verschiedenheit? Leistet sie als Minderheitenzeitung, die ein harmonisches Zusammenleben propagiert, nicht vielleicht sogar einen kleinen Beitrag zum Frieden? Und ist sie durch ihren breitgefächerten Leserkreis nicht vielleicht auch ein bisschen Botschafter? Ein Botschafter für Rumänien, der das verzerrte Bild im Ausland ein wenig zurechtrückt, weil er auch über gute und schöne Dinge berichtet – ein reiches Kultur- und Naturerbe, erfolgreiche Initiativen und Projekte -, nicht nur über Polit-Skandale? Ein Botschafter für Deutschland, der über gemeinsame Aktionen berichtet. Ein Botschafter, der Menschen in den Vordergrund rückt, die etwas bewegen. Ein Botschafter der Vergangenheit, der an die Lektionen der Geschichte erinnert, sie analysiert und Erklärungen sucht. Nicht zuletzt aber auch ein Botschafter der deutschen Minderheit, der daran erinnert, dass sie trotz zahlenmäßiger Abnahme einen deutlichen Fußabdruck in diesem Land hinterlassen hat – und immer noch hinterlässt.