Bis zum begeisterten Schlussapplaus

Festivalreihe „Musikalisches Temeswar“, Ausgabe 39, abgeschlossen

Vor den Abschlusskonzerten der 39. Ausgabe des Festivals „Musikalisches Temeswar“ hat uns die Leitung der Philharmonie „Banatul“ die – längst erwartete – Überraschung gemacht: die Neueinweihung des generalsanierten Sommergartens neben dem „Capitol“-Saal. Dargeboten hat das sinfonische Orchester unter der Stabführung des Araders Dorin Frandeş einen Konzertabend mit Walzern. Dazu vorgesehen war, dass das Publikum auch tanzen konnte auf die zu Gehör gebrachten Klänge, was dem Ganzen ein Plus an Attraktivität verlieh. Die Reihe der Konzerte wurde sodann weitergeführt mit dem Orchester und dem Chor der Musikfakultät der Temeswarer West-Universität, als weiterer Beitrag des Nachwuchses, der in diesem Jahr beim Festival gut vertreten war. Die musikalische Leitung hatte Peter Oschanitzky, nach 20jähriger Unterbrechung, übernommen und er leistet nun hier seinen Beitrag zum Zusammenwachsen, der Steigerung und Entwicklung der Kapazitäten des Ensembles. Auch wenn uns kein ausdrückliches Orchesterwerk geboten wurde, so finde ich, dass die beiden aufgeführten konzertanten Werke aufschlussreich waren. Bei Haydns Konzert in D-Dur bemühte sich der Cellist Cristian Chifan ehrenvoll, aber der Mozart der Pianistin Melitta Botezatu im Konzert in A-Dur, KV.488 war wirklich verdienstvoll, was nicht zuletzt durch de Beifall des Publikums und die zwei Zugaben bestätigt wurde. Zum Orchester: mir fiel auf, dass es in den Reihen der Studenten gar keine Hornbläser gab und dass der Auftritt der Bläser von Holzinstrumenten weniger homogen und treffend war.

Im zweiten Teil des Abends trat auf dem Podium des Konzertsaals des Kunstkollegiums „Ion Vidu“ das Chorensemble der Fakultät unter ihrem Lehrer Cezar Mihail Verlan auf. Er hatte ein Programm mit Stücken aus dem Opernrepertoire ausgewählt. Wir bekamen berühmte Chöre aus Leoncavallo, Mascagni, Verdi, aber auch aus Gluck und Mozart zu Gehör. Angenehm überrascht war ich von der Kostümierung des Ensembles, sehr effektvoll! Aber die ausgewählten Stücke überschritten ab und zu die realen Möglichkeiten des Ensembles, auch, weil die Männerstimmen in offensichtlicher Minderheit waren. Die zwei letzten Stücke, aber auch der „Chor der  Sklaven“, erreichten dann doch noch die erwarteten Höhen.
Die drei letzten Veranstaltungen der 39. Ausgabe des „Musikalischen Temeswar“ brachten Genugtuung, bei der der Beitrag des Pianisten-Ehepaars Gheorghiu und jener der Italiener entscheidend war. Der vierhändige Klavierabend von Roxana und Valentin Gheorghiu – ein von den Temeswarern vielerwarteter Auftritt – umfasste klassische und romantische Werke sowie einen Opus aus Enescu – die vom Komponisten selber für Klavier umgeschriebene Variante seiner ersten Rumänischen Rhapsodie. Nach der Sonate von Mozart und der Phantasie von Schubert, die mit viel Nachdruck, Entschlossenheit und einer großen Anpassungsfähigkeit ans Spezifikum der Komponisten dargeboten wurden, schien mir, dass den Slawischen Tänzen von Dvorák und den Ungarischen Tänzen von Brahms ein wenig von ihrer Exuberanz und Lebendigkeit abhanden gekommen war. Dafür bot Enescu einmal mehr die Möglichkeit des unbedingten Bewunderns der interpretativen Fähigkeiten dieses Klavierduos, vor allem aber des Meisters, der im hohen Alter immer noch höchste künstlerische Genugtuung hervorrufen kann.

Das italienische Ensemble  für avantgardistische Musik „L´ARSENALE“ – fünf Interpreten und Komponisten aus Treviso – schloss eine Reihe von Manifestationen ab, die in diesem Jahr ein entsprechendes Maß an  Gegenwartsmusik brachten, angefangen mit Messiaen und dem ATEM-Quartett, dem Pianisten-Duo Dogariu und seinen Auftritten mit neuer Banater Musik, den Musical-Klängen, dargeboten von der Philharmonie, den Ensembles SPLASH und PERCUTISSIMO oder Adrian Enescus „Bach in Show-Biz“ mit Zoli Tóth. Es waren sechs Abende mit Gegenwartsmusik – gut ein Viertel der Veranstaltungen – die uns halfen, etwas vom heutigen musikalischen Schaffen besser zu kennen. Dazu kamen auch neue Werke einheimischer Komponisten zur Aufführung, etwa von Doina Rotaru und dem Temeswarer Gabriel M²l²ncioiu, im Abschlusskonzert.
„L´ARSENALE“ trat mit weniger gebräuchlichen Instrumenten auf, etwa dem Tenorsaxophon, elektrischer und klassischer Gitarre, Akkordeon, präpariertem Klavier, Synthesizer und Derivaten, mit denen sie viele musiklische Effekte produzierten, was ich als „Technologisierung“ empfand und als eventuelles Indiz für künftige Entwicklungen in der Musik – oder irre ich?

Das abschließende Sinfoniekonzert hatte sich als außerordentliches Ereignis angekündigt, durch den Beitrag des 86jährigen Pianisten Valentin Gheorghiu und seiner Frau Roxana, an zwei Klavieren, und des Italieners David Crescenzi am Dirigentenpult. Crescenzi hat sich an der Temeswarer Oper, aber auch in musikalischen Zentren Rumäniens als begabter Initiator von Bezugs-Interpretationen erwiesen. Das Konzert für zwei Klaviere in C-moll von Bach bekam durch die Gheorghius und Crescenzi neue Wertigkeiten der Interpretation. Aber die beiden Sinfonien – Nr. 1 Classica von  Prokofjew und Nr. 8 von Beethoven – haben die Präzision, das Raffinement und die Fähigkeit, das Ensemble auch ohne Verkrampfung auf die Partitur zu führen, also den wahren Wert dieses Dirigenten, gezeigt. Es war ein Abschluss con brio einer bemerkenswerten Konzertreihe – und das Publikum hat den Auftritt David Crescenzis begeistert honoriert.