„Demokratisches Gedächtnis“

Ausstellung und Debatte zum Erbe der Securitate und der Diktatur

Cristina Anisescu führte in die Ausstellung ein, ihren Erläuterungen folgten der Kreisratsvorsitzende Ioan Cindrea, der orthodoxe Metropolit Laurenţiu Streza sowie der DFDR-Ehrenvorsitzende Paul Philippi.

Diskussionsbeiträge lieferten in der von Eugen Străuţiu (Mitte) moderierten Debatte Corneliu Pintilescu, Florian Bichir und Dinu Zamfirescu bzw. Tiberiu Costăchescu, Joachim Wittstock und Florin Abraham (v.l.) Fotos: Hannelore Baier

Hermannstadt - Eine sehenswerte und informationsreiche Ausstellung über die Securitate als Instrument der Diktatur wurde am Mittwoch im Foyer des neuen Gebäudes der Astra-Bibliothek eröffnet. Im Anschluss an die Vernissage fand eine vom Publikum größtenteils ignorierte Debatte zum Thema „Bedeutung der Securitate-Dossiers für das Herausbilden eines demokratischen Erinnerungsvermögens“ statt. Die vom Departement für Erziehungsprogramme, Forschung, Ausstellungen und Publikationen des Rats für das Studium der ehemaligen Securitate-Dossiers (CNSAS) unter Koordination von Cristina Anisescu erarbeitete Exposition bleibt bis zum 31. Juli in Hermannstadt/Sibiu.

Die Ausstellung war im März im Parlamentspalais in Bukarest eröffnet worden und wird im Herbst nach Klausenburg/Cluj, Temeswar/Timişoara und Jassy/Iaşi weiterwandern. Sie sei Teil der Strategie, welche die neuen Mitglieder im Kollegium der Securitate-Aufarbeitungsbehörde beschlossen haben, nämlich der Öffnung zur und Interaktion mit der Gesellschaft, um dieser die Möglichkeit zu bieten, die Mechanismen der Diktatur besser kennenzulernen, sagte Florin Abraham, Mitglied im Kollegium. Im Frühjahr vergangenen Jahres waren die elf Mitglieder des CNSAS-Kollegiums neu bestimmt worden und zu ihnen gehören neben Abraham (vom Institut für Totalitarismusforschung) auch der Historiker Dinu Zamfirescu (ehemaliger Leiter des Instituts für die Erinnerung an das rumänische Exil) und der Religionshistoriker Florian Bichir.

Diese drei saßen im Podium der von Eugen Străuţiu von der Hermannstädter Fakultät für Politikwissenschaften moderierten Debatte im zweiten Teil der Veranstaltung. Dass man Hermannstadt als ersten Ausstellungsort nach der Hauptstadt gewählt hat liege erstens daran, dass die Stadt im Sommer von zahlreichen Touristen besucht wird und auch diese die Gelegenheit haben sollen, die Exposition zu besichtigen, sagte Florin Abraham. Zweitens gebe es in dieser Stadt auf Grund des Amtierens von Nicu Ceauşescu in der Erinnerung an die letzten Jahre im Kommunismus eine besondere Situation, und drittens habe man sich der sofortigen Unterstützung durch den Kreisratsvorsitzenden Ioan Cindrea erfreut, so das CNSAS-Kollegiums-Mitglied.

Die Ausstellung, durch welche Anisescu führte, die anhand des vorliegenden Informationsmaterials jedoch auch eigenständig erforscht werden kann, umfasst die Geschichte der Securitate von deren Gründung 1948 bis hin zu der versuchten Zerstörung von Unterlagen in Berevoieşti. Dargestellt werden die Struktur des Repressionsapparates sowie des Archivs von CNSAS, die Methoden der Verfolgung und Überwachung, aber auch jene des Widerstands. Vorgestellt werden ferner die Arten von Dossiers, die über eine Person angelegt wurden – Informationen, die man kennen sollte, wenn man sich deren Erforschung widmen will.

Das Archiv von CNSAS umfasst 24 Kilometer Aktenmaterial und dennoch haben manche Institutionen – der Rumänische Nachrichtendienst (SRI), der Dienst für Auslandsinformationen (SIE) und das Innenministerium – viel Dokumentarmaterial noch nicht überstellt, sagte Dinu Zamfirescu im Rahmen der Debatte. Er sprach von der Verwandlung des gesamten Landes in ein Gefängnis und der Spaltung der Persönlichkeit durch die Securitate, dem verlängerten Arm und Vollstrecker der Anordnungen der Kommunistischen Partei. Auf die unterschiedlichen Arten des Umganges mit informativen und repressiven Strukturen nach dem Ende von Diktaturen ging Florin Abraham ein. Er definierte das „demokratische Gedächtnis“ als kollektives Erinnerungsvermögen, welches es nicht erlaubt, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Bei dem Podiumsgespräch berichtete der Schriftsteller Joachim Wittstock über seine Recherchen im Archiv von CNSAS. Er forscht zu Biographien von Schriftstellern, wobei ihn die Vergangenheiten dieser Personen interessieren, wo es Elemente gibt, die zu Anschuldigungen in Untersuchungen oder gar Prozessen verwendet wurden, desgleichen versucht er die psychologischen Gründe jener zu erfassen, die eine Mitarbeit mit der Securitate eingingen. Der Historiker Corneliu Pintilescu (Lucian-Blaga-Universität) sprach über die Beziehungen zwischen Evangelischer Kirche A.B. in Rumänien – als Institution, die mehr innere Autonomie als andere hatte und wo in anderen Staaten die Basis der Zivilgesellschaft gelegt wurde – und dem kommunistischen Staat.