Der Weg in ein anderes Siebenbürgen?

Männer sind gewillter, komplett zurückzukehren

Hermannstadt – Ein knappes Drittel der Siebenbürger Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland kann sich eine Rückkehr in die alte Heimat vorstellen. Dies ergab eine nicht repräsentative Umfrage, die Stefanie Lutsch im Rahmen ihrer Masterarbeit durchgeführt hat. Ziel der Arbeit war es sowohl herauszufinden, ob es bereits eine Rückwanderungsbewegung nach Siebenbürgen gibt, als auch das Potenzial einer zukünftigen Remigration zu ermitteln. Um diese beiden Fragestellungen zu untersuchen, hat Lutsch im Frühjahr eine Onlineumfrage durchgeführt, an der knapp 400 Personen teilgenommen haben, die mit Siebenbürgen genealogisch verbunden sind.

Die Arbeit von Lutsch ist nicht die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, über das auch nicht erst seit dem Sachsentreffen gesprochen wird. Tatsächlich hat in den vergangenen Jahren auch schon der ein oder andere Sachse den Weg von Deutschland nach Hermannstadt gefunden.

Das die ehemalige Kulturhauptstadt anziehend auf Rückkehrer wirkt, hat auch Stefanie Lutsch in ihrer Umfrage festgestellt. Hier gibt es noch eine sächsische bzw. deutschsprachige Gemeinschaft, aber eben auch eine gute Anbindung an den Süden der Bundesrepublik. Darüber hinaus besitzen 80 Prozent der Befragten weder Haus noch Hof in Siebenbürgen, was auch ein Faktor für die Anziehungskraft Hermannstadts sein kann, so Lutsch. „Es ist eben auch einfacher in einer Stadt Fuß zu fassen.“ Bisher sind es vorrangig ledige Männer, die den Weg zurück gefunden haben, vermutet Lutsch anhand ihrer Interviewpartner. Dabei wird diese These auch von der Onlineumfrage gestützt, die zeigt, dass Männer gewillter sind, komplett nach Siebenbürgen zurückzukehren.

Während ihrer Recherchereise vor Ort hat Lutsch Interviews mit 18 Rückkeh-rern geführt, mit einem erstaunlichen Ergebnis: Keiner der Befragten hat Verwandte, die sich auch zu einer Rückkehr entschlossen haben und keiner der Befragten möchte Verwandte überreden, es ihnen gleich zu tun. Stefanie Lutsch erklärt, dass keiner der Rückkehrer die Schuld auf sich nehmen möchte, dass Erwartungen nicht erfüllt werden. Und die Erwartungen sind hoch, auch das lässt sich aus Lutschs Umfrage ablesen. Die Bundesrepublik wird Siebenbürgen zwar vorgezogen, wenn die Frage nach Verkehrsinfrastruktur und Einkommenshöhe gestellt wird, doch die „weichen“ Standortfaktoren wie Landschaft, kultureller Gemeinschaftssinn und sozialer Zusammenhalt sprechen für die alte Heimat.

Doch von welchem sozialen Zusammenhalt und welchem kulturelle Gemeinschaftssinn wird hier gesprochen? In vielen Dörfern lebt kein einziger Sachse mehr, in anderen sind es einige wenige und selbst in Hermannstadt sind es nur noch rund 1500. „Die ausgewanderten Sachsen haben ein Bild konserviert, wie es hier vor 30 oder 40 Jahren war,“ so ein Teilnehmer der Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche, bei welcher Stefanie Lutsch ihre Arbeit vorgestellt hat. „Die Leute müssen sich bewusst sein, dass sie sich in die rumänische Gesellschaft integrieren müssen.“

Stefanie Lutsch hat ihre Masterarbeit „Rückwanderungspotenzial nach Siebenbürgen – Auswirkungen auf die Regionalentwicklung und das soziokulturelle Zusammenleben“ im Juni 2017 während der 32. Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche vorgestellt. Eingereicht hat Lutsch ihre Arbeit am Institut für Geographie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Am heutigen Dienstag, um 19 Uhr, findet im Spiegelsaal des Forumshauses eine Diskussionsrunde zum Thema „Zukunft in Siebenbürgen“ statt, welche sich unter anderem auch der Rückwanderung widmen will.