Nachruf auf Professor Nicolae Bocşan (1947-2016)

Am 19. Juni 2016 hat Professor Nicolae Bocşan diese Welt verlassen. Nach einem halbjährigen Leiden, wegen einer gnadenlosen Krankheit. Er wurde vor Kurzem emeritiert.

Ein Verlust, den die akademische Welt aus Klausenburg, aber auch aus dem Banat schwer verkraften wird. Ein Verlust für alle, die ihn gekannt haben.

Nicolae Bocşan wurde am 27. September 1947 im Banater Industriestädtchen Bokschan bei Reschitza geboren. Nach dem Abitur in Bokschan besuchte er die Babeş-Bolyai Universität in Klausenburg, wo er Geschichte studierte. Er beendete dieses Studium mit glänzenden Ergebnissen und begann eine Laufbahn, die alle akademischen Etappen durchmachte: Bibliothekar (1970), Universitätsassistent (1978), Lektor (1982), Dozent (1990) und Universitätsprofessor (seit 1994).

Bocşan promovierte 1985 bei Ştefan Pascu mit einer Dissertation, die damals für die rumänische Geschichtsschreibung bahnbrechend war: Methodik, Dokumentation und Interpretation sollten das unter dem Titel Contribuţii la istoria iluminismului românesc/Beiträge zur Geschichte der rumänischen Aufklärung (Facla-Verlag, Temeswar, 1986) erschienene Buch zum krassen Gegenbeispiel für all das machen, was damals die kommunistische Geschichtsschreibung auf den Markt gebracht hatte. Das Buch ist bis heute das bedeutendste rumänische Geschichtsbuch, das dem Einfluss der Aufklärung auf die rumänischen Eliten des Banats gewidmet ist.

Seit 1991 bekleidete er verschiedene Ämter an der Universität: Prodekan und Dekan der Fakultät für Geschichte und Philosophie, Prorektor und dann Rektor (2004-2008) der Babeş-Bólyai Universität, Vizepräsident des Nationalen Forschungsrats, Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsgremien, Mitglied in zahlreichen Beiräten, Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Neuzeit, mit Vorlesungen zur Rumänischen Geschichte der Neuzeit, über Internationale Beziehungen und zur Geschichte der rumänischen Kirche in der Neuzeit.

Bocşan war ein hervorragender Erneuerer, Gestalter und Organisator von nationalen und internationalen Tagungen, Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten von historischen Zeitschriften, Instituten und Museen. Aber sein Leben war der Babeş-Bolyai Universität gewidmet. Diese verdankt dem Professor ihre Erneuerung nach 1990. Auch die deutschsprachige Studienrichtung der Babeş-Bolyai Universität verdankt vieles Professor Bocşan, sowohl seinem Beitrag zur Gründung, wie auch seine stete Unterstützung im Laufe dieser zwanzig Jahre, seit dem diese Studienrichtung existiert.

Nach 1990 war es Nicolae Bocşan, der eine historische Schule im wahrsten Sinne des Wortes gegründet hat: er hat die Erforschung der Geschichte der Kirchen in Siebenbürgen eingeleitet. Seine ehemaligen Schüler bilden heute eine echte Denkrichtung in der rumänischen Geschichtsschreibung.

Mit dem ebenfalls frühzeitig verstorbenen Reschitzaer Historiker Dr. Valeriu Leu hat Nicolae Bocşan die Herausgabe der Erinnerungen betreffs der 1848ger Revolution und dann die rumänischer Soldaten aus dem Banat im Ersten Weltkrieg eingeleitet. Zum Ersten Weltkrieg sind unterdessen drei massive Bände erschienen.
Boc{an hat aber auch einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der historischen Forschung im Westen und Südwesten Rumäniens geleistet. Viele der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Banater und westrumänischen Museen und Universitäten sind seine Schüler gewesen.

Wenn die Babeş-Bolyai Universität seine wichtigsten Verwaltungstalente gebündelt hat, so war das Banat seine große Liebe als Forscher. Kulturgeschichte, Aufklärung, Kirchengeschichte, Memorialistik, Erster Weltkrieg aus der Sicht des rumänischen Soldaten und Offiziers, der im österreichisch-ungarischen Heer diente – das waren seine Lieblingsthemen. Er war ein Professor, der Schule gemacht hat. Seine Doktoranden sind überall in den siebenbürgischen und Banater Universitäten und Forschungseinrichtungen anzutreffen. Bocşan war der Historiker mit raumübergreifendem Blick, der auch die Historiker der deutschen und ungarischen Minderheit massiv unterstützt hat. Er war eine katalysierende Persönlichkeit, die Energien bündelte, tolerant, wenn es ums Menschliche, anspruchsvoll, wenn es um die Wissenschaft ging.

Träger von Preisen der Rumänischen Akademie, aber auch der „Pro Meritis“- Medaille der Universität Graz, bleibt Nicolae Bocşan in der Erinnerung all jener, die ihn gekannt haben, wegen seiner enormen Großzügigkeit, seiner Hilfsbereitschaft – es gibt kaum einen Historiker der jüngeren Generation in Siebenbürgen und im Banat, die ihm nicht in irgendeiner Form zu Dank verpflichtet sein müssten. Diskret, mit einer enormen Arbeitsbereitschaft, immer da, wenn man ihn brauchte, großzügig bis zur Selbstaufgabe, immer arbeitsbereit, bar jeder Eitelkeit, ein Mensch, der all jenen, die ihn gekannt haben, fehlen wird.

Mit Nicolae Bocşan verliert die historische Wissenschaft Rumäniens den tonangebenden Historiker des Banats, die Kollegen und Mitarbeiter einen Menschen, der immer für sie da war, die Studenten und Doktoranden den Professor, wir alle einen Menschen, der es vorzog zu arbeiten, als dass man über ihn, wie auch immer, redete.

Der überzeugte Banater wird heute in Klausenburg zu Grabe getragen.
 

Prof.Dr. Rudolf Gräf,
Prorektor der Babeş-Bolyai-Universität