100 Jahre seit der Staatsgründung Rumäniens

Anregendes Geschichtskolloquium im Rahmen der Deutschen Kulturdekade im Banater Bergland (II)

Prof. Dr. Rudolf Gräf und Dr. Bianca Barbu bestritten die Grundsatzvorträge des zweiten Tages.

Unter den Voraussetzungen der drei politischen Richtungen unter den Deutschen der Osthälfte des Kaiserreichs, in Transleithanien, kam die Proklamation vom 16. Oktober 1918 des Kaisers Karl I./König Karl IV., wo (viel zu spät) die Absicht bekundet wurde, Österreich in eine Staatenföderation zu verwandeln, was als Ermutigung zur Gründung zahlreicher Nationalräte aufgefasst und umgesetzt wurde.

Als von allen Nationalräten und Splittergruppen einvernehmlich vertretene politische Meinung der Deutschen im Banat darf verzeichnet werden: Das Banat muss infolge der Friedensschlüsse der Pariser Vorverträge als Ganzes, als Einheit, erhalten bleiben. Dasselbe meinten auch die Rumänen, die Serben und die Ungarn, nur wollte jeder das Banat als Ganzes/als Einheit für sich, für „seinen“ neugegründeten Staat, war es doch inmitten eines ausgedehnten mitteleuropäischen Agrarreichs die einzige leistungsfähige industrielle Enklave.

Auch alle Bewohner des Banats wünschten die Beibehaltung des Gebiets als Einheit, denn das Gebiet war zusammengewachsen und es gab vielfältige Bezüge und Interessen, die über das gesamte historische Banat verwoben waren. Als Folge unterschiedlicher und konvergenter Interessen, aber auch im Bewusstsein eines historischen Gewachsenseins wollte man die Einheit bewahren.

In diesem Sinn sind auch die Beschlüsse der einzelnen Nationalräte – der Rumänen (Karlsburg/Alba Iulia), der Ungarn (Klausenburg), der Serben (Neusatz/Novi Sad) – zu verstehen, aber auch die Deklarierung der Republik Banat (eine Initiative der Sozialdemokraten um Dr. Otto Roth – die international von niemand anerkannt wurde).

Fakt ist, dass die Siebenbürger Sachsen, seit Langem gute Kenner der Rumänen jenseits der Karpatenkämme und diplomatisch gewieft, sich viel leichter taten mit ihrer Mediascher Erklärung für den Anschluss an Rumänien nach der Deklaration der Rumänen in Karlsburg.

Die Banater Schwaben waren in ihren Haltungen zersplitterter und rangen sich viel schwerer zu einer Entscheidung durch – auch, weil sie, zum Unterschied von den Sachsen, das Rumänentum südlich und östlich der Karpaten kaum kannten, aber auch, weil sie untereinander politisch sehr zerstritten agierten (Deutsch-Schwäbische Volkspartei; Deutsch-Ungarischer Volksrat; Deutscher Volksrat für Ungarn; Deutsche Volkspartei in Ungarn usw.) und eine Presse hatten, die konjunkturbedingt in divergente Richtungen warb.

Noch Ende Oktober 1918 warb Josef Striegl in der „Temeswarer Zeitung“ für ein Ungarn in seinen mittelalterlichen Grenzen, wobei ihm Dr. Kaspar Muth beistimmte, während einige Tage später in Temeswar und Reschitza die „Banater Republik“ ausgerufen wurde und das Königreich der Serben usw., während sich die Rumänen anschickten, im Banat als Eroberer einzumarschieren.

Die Serben waren schneller im Besetzen und es gibt zahlreiche Zeugnisse über deren Willkürherrschaft im Banat und die Konvois konfiszierter Güter, die die Donau Richtung Süden überquerten. Sie wollten politische Fakten schaffen. Als sich die Heere Rumäniens Siebenbürgen näherten, schritten die Franzosen ein und verhinderten, dass das Banat zum Kriegsschauplatz nach dem Krieg wurde.

In die serbische Okkupationszeit des Banats fiel die Versammlung von Karlsburg. Die dort verabschiedete Erklärung baute viele Vorurteile der Banater Schwaben gegen-über den Rumänen ab. Dass manche Versprechung Bauernfängerei war, konnten sie nicht vorhersehen.

Der zweite Faktor, der ein Umdenken der Banater Schwaben gegenüber Rumänien bewirkte, war die Räterepublik des Béla Kún, die von den rumänischen Heeren niedergerungen wurde. Doch die kommunistischen Ideen – vor allem Enteignung allen Vermögens „durch das Volk“ – jagten den Banater Schwaben, die kaum seit einer Generation zu einigem Wohlstand gelangt waren, einen lähmenden Schreck und Sympathien für die Niederringer derer ein, die sich Gleichmacherei durch Vermögensenteignung auf die Fahnen geschrieben hatten.

Zu den Radikalen unter den Banater Schwaben gehörten Johann Röser, Karl von Möller, Hans Tengler, Franz Wettel, Michael Kausch, zu den gemäßigten Dr. Kaspar Muth, Prälat Franz Blaskovics, Dr. Franz Kräuter, Josef Striegl, wobei einige unter Letzteren sich erst nach dem Krieg als Deutsche bekannt hatten (nachdem sie bis dahin Magyaronen, also magyarisierte Deutsche waren) und deshalb ironisch „die Neudeutschen“ genannt wurden.

Diese gründeten die Schwäbische Autonomiepartei. Die Radikalen lagen im Trend der Schwäbischen Volkspartei aus Ungarn und gründeten im März 1919 die Deutsch-Schwäbische Volkspartei. Letzt-endlich setzte sich die Fraktion der Rumänien-Anhänger durch, die durch Franz Wettel und Karl von Möller (zu denen sich der Autor der Denkschrift, Michael Kausch, aber auch Dr.Stefan Frecot, Julius Tengler und Julius Neuhaus gesellten) eine Deklaration (10. August 1919) unterzeichneten, die von Dr. Stefan Frecot, Dr. Andreas Buschmann, Thomas Fernbacher und Franz Timo der Friedenskonferenz in Paris, dem „Rat der Zehn“, vorgelegt wurde.

Kaspar Muth und Franz Blaskovics versuchten es noch mit einer Gegendenkschrift (deren Autoren sie nicht waren), indem sie behaupteten, „die einzigen Vertreter des schwäbischen Volkes“ zu sein, sie nannten die Autoren der in Paris vorgelegten Denkschrift „siebenbürgisch-sächsische Häretiker“ und „andere pangermanische Abenteurer”, die „seit Jahren im Dienste der imperialistischen Politik der Rumänen“ stünden. Ihre Denkschrift blieb ergebnislos. Ihre Geste sollten die rumänischen Behörden aber nie vergessen.

Infolge der ersten Wahlen nach dem formellen Beitritt auch der Deutschen dieses Raums zu Rumänien erzielten sie die höchste Vertretungszahl, die Rumäniendeutsche je in einem Bukarester Gesetzesforum erreichten: 23 Abgeordnete und Senatoren, wobei manche unter ihnen, um zu verstehen, was dort geredet wurde, eigene Dolmetscher und Übersetzer anstellen mussten.

Nach dem (auch zeitlich) umfangreichen Vortrag von Dr. Gräf war die Atmosphäre etwas ungünstig für Dr. Bianca Barbu und ihre Präsentation von Orawitzaer Zeitungen und der Reflexion der Zeitproblematik darin, wobei sie Gewicht legte auf die langlebigste Publikation des Banater Berglands, das „Orawitzaer Wochenblatt“, das seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zu seinem Verbot zur Zeit des Antonescu-Regimes während des Zweiten Weltkriegs ohne Unterbrechung veröffentlicht wurde. Aufmerksam verfolgte sie dabei Tendenzen und die Haltung der Offiziellen dem Wochenblatt gegenüber, aber auch die Haltung einiger dort Publizierender (unter ihnen Sim. Sam. Moldovan, der in drei Sprachen Journalistik betrieb und im Orawitzaer Raum lange Zeit eine respektierte Medienstimme war).