25 Jahre Temeswarer Rechtsschule

ADZ-Gespräch mit Professor Dr. Lucian Bercea, Dekan der Rechtsfakultät der West-Universität

Professor Dr. Lucian Bercea unterrichtet Handels- und Bankrecht. Seit 2012 ist der gebürtige Temeswarer Dekan der 1992 gegründeten Rechtsfakultät der West-Universität, gleichzeitig blickt er auf eine 20-jährige Karriere als Anwalt zurück.
Foto: George Bufan

„Den ersten Schritt ihres erwachsenen Lebens hat die Temeswarer Fakultät nun, zu ihrem 25. Gründungsjubiläum, gewagt, und sie hat ihn in einem Augenblick gewagt, als sie jenes Alter erreicht hat, in dem sie verstanden hat, warum sie gegründet wurde und wohin die Zukunft führt“ – mit diesen Worten beendete der Dekan der Rechtsfakultät der West-Universität Temeswar, Professor Dr. Lucian Bercea, sein Grußwort an die zahlreichen Gäste, die am 3. November in der Aula Magna der West-Universität den Geburtstag der Temeswarer Rechtsschule feierten. Gekommen waren unter anderem Vertreter des Bildungs- und des Justizministeriums, der Temeswarer Bürgermeister Nicolae Robu, die Dekane der Partnerfakultäten, Absolventen, die Schlüsselpositionen im rumänischen Gerichtswesen, in großen Anwaltskanzleien sowie an Fakultäten und Forschungszentren im In- und Ausland bekleiden, sodann Studenten aller Jahrgänge, Freunde und Unterstützer von nah und fern. Mit 37 Jahren zum Dekan der Fakultät ernannt, leitet Professor Dr. Bercea, einer der bekanntesten Experten für Handels-, Insolvenz-, Bank- und Konsumrecht Rumäniens, die Geschicke der Fakultät seit 2012. Mit ihm sprach ADZ-Mitarbeiter Dr. Dan Cărămidariu.

Professor Bercea, wie würden Sie die Temeswarer Rechtsfakultät heute, aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens, kurz beschreiben?

Gehen wir zunächst von den Zahlen aus: 40 Studierende gab es im Gründungsjahr 1992, heute sind es etwa 1100 Studierende in der Grundausbildung, 160 Studierende besuchen unsere Masterstudiengänge, 60 Doktoranden forschen an unserer Fakultät. Etwa 60 Rechtsprofessoren haben im vergangenen Vierteljahrhundert an der Fakultät unterrichtet, 46 sind es zurzeit, hinzu kommen auch etliche externe Mitarbeiter. Gegründet wurde die Fakultät von Professor Dr. Radu I. Motica, zunächst als Abteilung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. An der Identität der Fakultät arbeiten wir weiterhin, unser Bildungsangebot wird an die juristische Realität Rumäniens angepasst, die Zusammenarbeit mit Rechtsschulen und Forschungseinrichtungen aus dem Ausland zählt ebenfalls zu unseren wichtigsten Bemühungen.

Die Temeswarer Rechts-fakultät gehört zu den jüngeren Rechtsschulen Rumäniens, doch in den vergangenen Jahren hat sie immer wieder ihren festen Platz unter den Elitefakultäten Rumäniens behaupten können. Welche waren die Schlüssel zum Erfolg?

In erster Linie hatte die Temeswarer Fakultät die große Chance, eine Lücke im universitären Bildungsangebot Westrumäniens zu füllen. Diese Lücke war nach der Wende durchaus spürbar, die Transformation benötigte zunächst viele Juristen, dann aber vor allem solche, die gut ausgebildet waren. Die Fakultätsgründung war also ein natürlicher Schritt. In zweiter Linie ist es der Fakultät gelungen, in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten Nischen zu entdecken, wo sie sich im Landesvergleich behaupten konnte. Zum Beispiel haben unsere Studenten immer wieder Spitzenplätze bei internationalen studentischen Wettbewerben belegt, die von namhaften Unis organisiert werden, in Westeuropa, in den Vereinigten Staaten von Amerika oder sogar in Südafrika. Bei den Landesetappen solcher Wettbewerbe sind Temeswarer Jurastudenten sehr oft auf den ersten Platz gelandet und konnten somit Rumänien international vertreten, insgesamt bei sieben verschiedenen Wettbewerben und manchmal mit großem Erfolg. Und dann hat die Temeswarer Fakultät, im Einklang mit dem wirtschaftlichen Pragmatismus der Region, auf dem Gebiet des Handelsrechts einen bedeutenden Namen erlangen können, als Veranstalterin von namhaften Fachtagungen, als Herausgeberin von Sammelbänden und selbstverständlich durch die Forschungsarbeit und die Publikationen der Professoren, die gleichzeitig auch an wichtigen Gesetzesentwürfen beteiligt waren. Auch die Beziehungen zum Ausland spielen da eine gewichtige Rolle, wir arbeiten inzwischen mit Kollegen in Frankreich, Italien, Deutschland, Großbritannien, Ungarn und Serbien zusammen und haben Kontakte auch nach China geknüpft, Assistenten und Lektoren unserer Fakultät haben bereits in Shanghai geforscht.

Der Erfolg einer Rechtsschule wird aber in Rumänien traditionell anhand der Anzahl jener Absolventen gemessen, die die harten Aufnahmeprüfungen für die juristischen Traditionsberufe bestehen.

Das stimmt, wir haben deshalb unsere Lehrpläne an jene der Traditionsfakultäten angelehnt und legen großen Wert auf die Vorbereitung unserer Studenten für diese Aufnahmeprüfungen. In den jüngsten Jahren haben immer mehr Absolventen der Temeswarer Rechtsschule die Prüfungen mit Erfolg bestanden, in der Regel belegen wir den dritten Platz bei den Herkunftsfakultäten der Kandidaten für die Aufnahme in die Anwaltschaft und den dritten oder den vierten Platz bei der Aufnahmeprüfung für das Nationale Institut der Magistratur. Dass unsere Studierenden in den Hauptprüffächern gut vorbereitet sind, beweist auch der Landeswettbewerb in Zivil-, Straf-, und Verfassungsrecht, der jährlich von den sechs führenden Rechtsschulen organisiert wird: Im Fach Zivilrecht zum Beispiel haben wir 2013 und 2014 den ersten Platz, 2015 den zweiten und 2017 den dritten Platz erzielt, in Strafrecht 2015 den ersten und in Verfassungsrecht 2013 den ersten sowie 2016 und 2017 jeweils den zweiten Platz. Diese Spitzenplätze sind eine zusätzliche Bestätigung für die Qualität unserer Studierenden.

Die Temeswarer Rechtsschule ist unter anderem auch für ihre feste Verankerung in das soziale und ökonomische Umfeld bekannt. Wie lässt sich dieser Aspekt gestalten?

Ich bin der Meinung, dass eine Rechtsschule den Anschluss an die juristische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität nie verlieren darf. Wir versuchen deshalb, unsere Studierenden für diesen Anschluss entsprechend vorzubereiten, indem wir zum Beispiel mehrere Sommerschulen zum europäischen Recht der Menschenrechte oder zum Konsumrecht der EU veranstalten oder indem wir, als einzige Fakultät des Landes, Praktikumsplätze an den Gerichten für ausgezeichnete Studierende vermitteln. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Anwaltskammer Temesch, der Kammer der Notare in Temeswar, dem Verband der Gerichtsvollzieher und einigen namhaften Anwaltskanzleien in Bukarest und Temeswar ein Förderprogramm auf die Beine gestellt, das unsere Jahrgangsbesten mit Monatsstipendien unterstützt und ihnen auch hilft, sich auf dem juristischen Berufsmarkt besser zu orientieren. Darüber hinaus versuchen wir, uns als Forschungsgemeinschaft mehr in gesellschaftliche Debatten einzubringen und diese aktiv mitzugestalten. Wir haben Anfang 2015 als erste Rechtsfakultät des Landes eine Tagung zu dem damals hochbrisanten Thema der Kredite in Schweizer Franken organisiert und, ebenfalls als erste Rechtsschule Rumäniens, unsere Meinung zur Eilverordnung Nr. 13/2017 kundgetan. Andere Fakultäten sind uns dann ein paar Tage später gefolgt.

In Ihrer Jubiläumsrede sagten Sie, die vergangenen 25 Jahre seien die Summe der Anstrengungen, der Bemühungen, der Hingabe jener Menschen, die an dieser Fakultät gelehrt und gelernt haben. Worauf sollte sich die Temeswarer Rechtsschule in Zukunft konzentrieren?

25 Jahre nach der Gründung baut die Temeswarer Rechtsfakultät natürlich auf eine inzwischen konsolidierte Vergangenheit, aber sie ist gezwungen, in die Zukunft zu blicken. Das heißt, sie muss sich vor allem auf die Internationalisierung konzentrieren, ihr Lehrpersonal muss verstärkt über internationale und interdisziplinäre Erfahrung verfügen. Es wurden in jüngster Zeit Assistenten rekrutiert, die international und interdisziplinär vernetzt sind, an interdisziplinären Forschungsprojekten müssen wir uns viel stärker als bisher beteiligen. Und selbstverständlich müssen wir uns den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellen, denn die Digitalisierung beeinflusst bereits stark die Rechtsberufe und natürlich auch die juristische Ausbildung. In den kommenden Jahren haben wir also entsprechend viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.