Abenteuerfahrt zum Dach der Welt

Auf dem Motorrad in 69 Tagen durch zwölf Länder

Die längste Etappe eines Tages , die Valeriu und Theodor Pană auf dem Motorrad zurücklegten, betrug 850 Kilometer. Die erlebten Temperaturdifferenzen reichten von 0 Grad Celsius in Georgien bis über 45 Grad in Kasachstan. Hier: auf dem Anzob Pass im Fan Massiv, Nord-Tadschikistan.

Theo Pană mit Katia, der Leiterin einer Dorfherberge in Kyzl Oi, Kirgisistan. In ganz Zentralasien gibt es solche Unterkünfte, von Dorfbewohnern zur Verfügung gestellt - Essen inbegriffen.

Straße vom Pass Moldo-Ashuu (Kirgisistan) nach Al-Tal. Drei Bergketten querten die Abenteurer auf ihrer Reise: das Altaigebirge zwischen Kasachstan und Kirgisistan, das Tian Shan Gebirge zwischen Kirgisistan und Tadschikistan mit einem 4655 Meter hohen Pass und das Pamir Gebirge.

Behausung in der Wüste Kyzrkum, Nord-Turmenistan

In Astana, der Hauptstadt von Kasachstan
Fotos: Valeriu und Theodor Pană, www.tworidepamir.ro

Einmal den Himalaya sehen – davon hatte Valeriu Pană schon vor 18 Jahren geträumt. Die Familie ins Auto packen und einfach losfahren... „Natürlich war mir damals klar, dass das nicht so einfach geht“, gesteht der 62-jährige Fotograf, der bis 2007 bei der ADZ angestellt war. Doch plante er seine Traumstrecke immer wieder in Gedanken durch, suchte im Internet nach Bildern zu den einzelnen Etappen, als geistige Übung, wie er sagt. Erst nachdem sein Freund Mihai Barbu vor vier Jahren mit dem Motorrad allein in die Mongolei gereist war (und ein Buch darüber geschrieben hatte :„Verkaufe Kilometer“/ „Vând kilometri“), flammte der alte Traum erneut in ihm auf. Denn mittlerweile war auch Valeriu Pană begeisterter Motorradfahrer und stolzer Besitzer einer alten BMW Enduro. „Wenn Mihai das kann, warum nicht auch ich?“, ermutigte sich der passionierte Rad- und Motorradfan und begann, sich nach einem Mitstreiter umzusehen. Nach zunächst erfolgloser Suche im Freundeskreis zeigte sich überraschend Sohn Theodor (25) bereit, den Vater  bei dem waghalsigen Abenteuer zu begleiten.

Schon bei der Planung erwies sich der Himalaya jedoch schnell als unerreichbar. Denn dies hätte einen Transit durch das kommunistische China bedeutet, wo es Pflicht ist, in teuren Hotels zu übernachten und einen Reiseführer zu mieten, der einen mit Chauffeur und Wagen überall hinbegleitet. Nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatten – und außerdem undenkbar für das Budget. 3000 Euro, so hatten sich die Abenteurer vorgenommen, müssten für die ganze Reise reichen – einschließlich Visa, Mauten und Gebühren. Na, dann eben ins Pamir Gebirge, das ebenfalls zum Dach der Welt gehört!

Der Pamir erstreckt sich im Norden über Kirgisistan, der Osten gehört zu China, wo er an den Himalaya angrenzt, der Süden gehört zu Afghanistan und der Rest zu Tadschikistan. Im Südwesten davon liegt der Hindukusch und im Osten schließt sich das Hochland von Tibet an. Die mittlere Höhe im Pamir liegt bei etwa 3600 und 4400 Metern. In 70 bis 80 Tagen wollten Vali und Theo Pan² die 17.000 Kilometer hin und zurück durch insgesamt zwölf Länder bewältigen: Republik Moldau, Ukraine, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan, Georgien, die Türkei und Bulgarien.

Minutiöse Planung erforderlich

Allein die Visabeschaffung erforderte ein halbes Jahr Vorrecherche im Internet. Oft braucht man eine Einladung von einer offiziellen Person, einen Grund für den Besuch, die exakte Reiseroute muss angegeben und die Zeit strikt eingehalten werden. In einschlägigen Abenteurerforen machte sich Vali Pană zu den Erfahrungen anderer Globetrotter schlau – und erfuhr bald, dass es in den Zielländern fast immer Reisebüros gab, die einem all dies per Internet beschaffen konnten. Besonders schwierig gestaltete sich die Visabeschaffung für Russland, weshalb sich die beiden auf ein Transitvisum beschränkten. Dies bedeutete, ganz Russland musste in maximal sechs Tagen durchquert werden! Ein Risiko, schon allein wegen unvorhersehbarer Witterung, den über zehn Jahre alten Motorrädern und der Tatsache, dass keiner der beiden Russisch sprach. Valeriu Pană erinnerte sich lediglich an ein paar Wörter aus einem einjährigen Kurs in der 5. Klasse. Für Einkäufe, Erkundigungen, Übernachtungen, Pannen und Straßenrandgespräche mit der Bevölkerung der zu durchquerenden Länder musste ein Russisch-Konversationslexikon ausreichen.

Wegen der zeitbegrenzten Visa war nicht nur die minutiöse Planung der Route, sondern auch der zeitlichen Etappen erforderlich. Auch aus diesem Grund entschlossen sich die Männer, Hauptverkehrsadern zu benutzen und Städte für Übernachtungen anzupeilen. Im Internet schauten sie sich Bilder an, denn die Stadt sollte  weder zu groß sein, sonst gibts nur teure Hotels, noch zu klein, weil man dann womöglich gar keine Herberge  findet. 250 Kilometer mussten sie im Mittel täglich zurücklegen, mit drei Tagen Reserve für unvorhersehbare Ereignisse.
Eindrücke unterwegs

Für Besichtigungen touristischer Ziele oder Abstecher blieb kaum Zeit. Was die Abenteurer reizte, war, das vorgegebene Ziel zu erreichen – die Performance. Und das unmöglich Geglaubte möglich zu machen!

Auch die Geschwindigkeit einer Motorradfahrt spielt eine Rolle, erklärt Vali Pan²: „Du siehst sehr viel in sehr kurzer Zeit – aber der Entschluss, irgendwo mal stehen zu bleiben für einen zweiten Blick fällt schwerer, als wenn man mit dem Rad unterwegs ist“. Die zwölf Länder erlebten sie wie im Zeitraffer. Kasachstan: dichter Verkehr, Millionen von Lastwägen, und alle naslang ein defekter russischer LKW, an Ort und Stelle auseinandergenommen und repariert. Theo fielen vor allem die zahllosen Gedenkstätten für Unfallopfer auf, die den Straßenrand säumten. Dann der Pamir-Highway, 2000 Kilometer von Kirgisistan nach Tadschikistan: Traumhafte Landschaften, kaum Autos. Einmal war ein alter blauer LKW in einer der Serpentinen liegengeblieben. 200 Kilometer später kam ein Fahrzeug aus der Gegenrichtung: Ob die beiden nicht einen blauen LKW auf ihrem Weg gesehen hätten?

Unkompliziert gestaltete sich die Verpflegung. In allen Ländern gab es Fernfahrer-Gaststätten am Straßenrand, mit frisch zubereitetem landestypischem, warmem Essen. „Manche sehen grausam aus, da traust du dich kaum rein“, erzählt Vali Pan². „Richtige Bomben! Doch die Küche war blitzsauber und wir hatten wirklich nirgendwo Probleme danach.“ Das Angebot reichte von Hammel und Rind über Suppen, Salate, Buletten, Spießchen mit Reis, Kartoffeln oder Püree, in der Regel schmackhaft und reichlich.

Außerordentlich freundlich, kontaktfreudig und interessiert waren überall die Menschen. „Woher kommst du?“ „Was arbeitest du?“ „Hast du Familie?“ „Wie gefällt es dir in unserem Land?“ – alles wollten sie wissen. In Kirgisistan hatte ihnen ein Mann im Laden Geld zugesteckt: „Ihr kommt von weit her, ich weiß, ihr braucht es!“ Den ärmsten Menschen begegneten sie in Tadschikistan. „Ich weiss nicht, ob sie sich auch arm fühlen“, sinniert Vali Pană und beschreibt ihre Häuser aus Lehm und Mist, doch mit Parabolantennen dran! Nur wo Wasser ist, gibt es Leben. Mit jedem Fluss windet sich ein dünnes grünes Band mit Landwirtschaft und Vieh – Yaks und Schafe – durchs Land. Das ist alles. Geheizt wird mit getrockneten Dungfladen, denn auch Holz gibt es nicht. „Ich weiß nicht, wie sie im Winter im Schnee überleben“, fragt sich Theo.

Erst am Pass Torugart in Kirgisistan erlaubten sich Theodor und Valeriu Pan² einen Abstecher von 400 Kilometern zu der geplanten Route. Sie wollten unbedingt die chinesische Grenze sehen! Bis auf 200 Meter wagten sie sich an das militärische Sperrgebiet heran – den Blick nach drüben verwehrte ihnen der Nebel. Ohnehin wären Fotos nicht erlaubt. „Obwohl kein Mensch zu sehen war, haben wir der Versuchung widerstanden, den löchrigen Maschendrahtzaun zu berühren oder gar hindurchzuschlüpfen, nur um einmal in China gewesen zu sein“, lacht Vali Pană.

Drei Tage im Niemandsland

Größere Komplikationen gab es nicht auf ihrer Reise. Dafür ein kleines Abenteuer an der usbekischen Grenze. Weil das Visum für Turkmenistan nicht – wie zugesichert –an der Grenze vorlag, dasjenige für Usbekistan jedoch schon abgelaufen war, sollten sie drei Tage im Niemandsland zwischen den Ländern ausharren. „Habt ihr ein Zelt dabei?“ fragte der Grenzsoldat. „Na, dann ist es kein großes Problem.“ Als es Abend wurde, schallte ein Pfiff vom usbekischen Grenzposten herüber. „Meint der uns?“, fragte Vali seinen Sohn. Tatsächlich – man wartete mit gekochtem Essen auf die beiden! Drei Tage lang wurden die „Gestrandeten“ vom usbekischen Grenzposten versorgt, bis sie endlich in Turkmenistan einreisen durften. Drei Tage im Niemandsland, im Gebüsch, dann ging das Abenteuer weiter...

Was bleibt zurück?

„Die Erinnerungen an Details sind schnell verflogen, weil wir zu zweit waren und kein Tagebuch führten“, bedauert Vali Pană. Dafür haben die beiden Freelancer etwa 7800 Bilder geschossen, die man auf www. tworidepamir.ro bestaunen kann. Was ihn auf der Reise am meisten fasziniert hat, war der Blick von der afghanischen Grenze auf den gewaltigen Hindukusch. „Wenn du zurückkommst, hast du dein Eindruck, es war alles ganz leicht – doch tatsächlich ist es ein sehr schwer zugänglicher Ort!“ Beeindruckt haben ihn auch die anderen Globetrotter, die sich oft noch größere Ziele gesteckt haben. „Der Holländer, der uns mitten in der Wüste allein auf dem Fahrrad entgegenkam. Er wollte  nach Australien!“ Theo überwältigte das Gefühl der Freiheit in der riesigen Ebene von Tadschikisten. „Was bleibt, ist der Eindruck für die Energie der Orte, die man vorher nur aus dem Internet kannte“, resümiert  er. Aber auch die Erkenntnis, wie wenig der Mensch braucht: „Als ich nach Hause zurückkam, kamen mir alle Dinge so überflüssig vor!“