Aber bitte Walachien

Mustafa ist böse. Mustafa will es nicht mehr hinnehmen, er will sich und sein Herkunftsland nicht mehr beleidigen lassen. Er fordert Gleichberechtigung. In einer Demokratie sollte das möglich sein, meint er.

Bitterböse geworden ist er vor geraumer Zeit, als er sich mit einigen Nachbarn zu einem kleinen Rudel-Fernsehtreff eingefunden hatte. Eben hatte der deutsche Fußball-Nationaltrainer Joachim Löw seine Mannschaft in Prag zum Länderspiel auflaufen lassen und der Kommentator hatte das Wort Tschechien in den Mund genommen, da war Mustafa in der Runde seiner multikulturellen Freunde fast nicht mehr zu halten. Er forderte lautstark, gleich behandelt zu werden: Wenn es keine „Tschechei“ mehr gebe, dürfe es auch keine „Türkei“ mehr geben. Er wolle sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wenden. Der solle endlich aktiv werden, damit wenigsten sichergestellt werde, dass im Parlament Gleichberechtigung herrsche.

Ob er das inzwischen getan hat, ist unbekannt, denn Mustafa ist auf Urlaub, in seinem Herkunftsland „Türkei“. Hoffentlich liest er diese Zeilen nie, denn sonst könnte es sein, dass ihm endgültig der Kragen platzt. Denn: Er möchte das beleidigende Wort „Türkei“ nicht mehr hören und lesen. Was den Tschechen recht ist, ist Mustafa billig: Von nun an sollte es auf gut Deutsch „Türkien“ heißen.

Doch Mustafa ist kein Egoist: Er hat auch an seine beleidigten Leidensgenossen gedacht, die von Europa bis Fernost zu Hause sind. Seine Forderung: Auch alle anderen sollten den Tschechen gleichgestellt werden.

Die „Slowakei“ müsse ab sofort „Slowakien“ heißen. Früher, als Tschechen und Slowaken noch in einem Staat waren, sei kaum zu rütteln gewesen an dem Namen Tschechoslowakei. Nun, nachdem sich die beiden Völker längst getrennt hätten, werden die einen gut-sprachlich behandelt, die andern aber weiter beleidigt. Das gehe nicht an.

Mustafa setzt noch einen drauf: Auch die Mongolen und Mandschuren müssten endlich zu ihrem Recht kommen. Deshalb sollte ab sofort nur noch von „Mongolien“ und „Mandschurien“ die Rede sein. Aber Mustafa hat auch Freunde, die er Fratelli nennt und aus der „Lombardei“ stammen. Ihr Landstrich im schönen Italien dürfe nach seiner Vorstellung nur noch „Lombardien“ genannt werden.

Aber auch an seine rumänischen Freunde denkt Mustafa. Jener Teil der rumänischen Lande, der üblicherweise „Walachei“ genannt wird, dürfe aber bitte nur noch „Walachien“ heißen.

Mustafa ist in der bundesdeutschen Demokratie groß geworden, auch die Gut-Sprache hat er sich offensichtlich zu eigen gemacht. Mustafa – ein Musterbeispiel an Integration, auch Gut-Deutsch hat er sich angeeignet.