Am Pranger: der raffgierige General

Karasch-Severiner Kreisratsmitglied will Präsident Johannis Enthüllungen über General Talpeş machen

Unter Beschuss in der Heimatregion, dem Banater Bergland: Ioan Talpeş

Einen ersten Schock löste Nicolae Ştefănescu, seit Ende November als PSD-Kandidat fürs Bürgermeisteramt in Reschitza gehandelt, bei seinen Parteigenossen aus, indem er aus allen Führungsämtern in der PSD Karasch-Severin zurücktrat und sich auch im Kreisrat als Parteiloser positionierte – ohne allerdings seine Parteimitgliedschaft auf Eis zu legen. Der zweite Schock kam, als er ankündigte, um Audienz bei Präsident Johannis angesucht zu haben, um auszupacken. Er möchte den Staatschef über die Vorgänge aufklären, die den ehemals reichen Verwaltungskreis Karasch-Severin heute zu einem der ärmsten Rumäniens gemacht haben. Nicolae Ştefănescu ist von seiner Ausbildung her Ökonom und hat, aufgrund seiner PSD-Mitgliedschaft, aber auch einer ihm eigenen ausgeprägten Geschicklichkeit im Lavieren durch das politische Postengeschacher, der seit 1990 in Rumänien herrscht, fast ununterbrochen Schlüsselämter auf lokaler und regionaler Ebene besetzt, die ihm viel Einblick gewährt haben dürften in die Kulissen der Machenschaften von Politikern und hohen Verwaltungsangestellten, aber auch von leitenden Mitgliedern der zahlreichen rumänischen Geheimdienste oder von Polizeigenerälen. Seine Drohung, nun den Präsidenten über solche „Hintergrundgeschichten“ aufgrund der von ihm angesammelten Dokumentationen aufklären zu wollen, dürfte viele in Besorgnis gestürzt haben – wenn denn hinter Ştefănescus bisherigen Andeutungen wirklich etwas stecken sollte.

Maßnahmen gegen das Abhören gefordert

Bislang war das langjährige Mitglied im Kreisrat Karasch-Severin vor allem dadurch aufgefallen, dass er immer wieder auf Kreisratstagungen gefordert hatte, dass das Abhören der Kreisratsmitglieder und der Leitung durch die rumänischen Geheimdienste eingestellt wird. Er hat beharrlich – und vergeblich – auf einen entsprechenden Beschluss des Kreisrats gepocht. Nachträglich hat sich erwiesen, dass er entweder tatsächlich etwas mehr über die Abhörpraktiken der rumänischen Geheimdienste wusste als gewöhnliche Bürger oder andere Kreisratsmitglieder – die gegenwärtigen Prozesse gegen Kreisratspräsident Sorin Frunzăverde und gegen Ex-Kreisratsvize Ionesie Ghiorghioni, aber auch die Verurteilungen vieler Verantwortungsträger des Banater Berglands in den vergangenen Jahren fußen hauptsächlich auf Abhörprotokollen des Inlandsgeheimdienstes SRI und auf dessen enger Zusammenarbeit mit der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA – oder dass Nicolae Ştefănescu über eine ungewöhnlich scharfe Intuition verfügt, die auf profunder Kenntnis der rumänischen und regionalen Realitäten fußt.

Auch Stepanescu bereitet Enthüllungen vor

In einer ersten Phase beschränkte sich Nicolae Ştefănescu allerdings bloß auf vage Andeutungen, ohne konkrete Namen und Vorgänge zu nennen. Nun, als aus dem Temeswarer Gefängnis in der Popa-Şapcă-Straße auf obskuren Wegen („Quellen der Medien“) an die Öffentlichkeit gedrungen ist, dass der am 19. November 2015 wegen Korruption verhaftete und inzwischen zurückgetretene Reschitzaer Bürgermeister und PSD-Stadtchef Mihai Stepanescu in der U-Haft an einem wahren Oeuvre schreibt, das sein Wissen über die Korruption im Banater Bergland offenlegt, warf auch Nicolae Ştefănescu rasch ein erstes seiner Wissenshäppchen auf den „Markt“: jenes über den unersättlichen und raffgierigen Großverdiener Ioan Talpeş. Der am 23. August 1944 in der Gemeinde Topletz/Topleţ am Südostende des Banater Berglands unweit der Donau geborene Talpeş hat in Bukarest Geschichte studiert und sich anschließend im Militärgeschichtlichen Museum in Bukarest anstellen lassen, von wo er parallel eine gemächliche Militärkarriere, als sogenannter Militärwissenschaftler, einschlug. Durch bis heute kaum transparentes Agieren während und unmittelbar nach den Bukarester Umsturztagen von 1989 schaffte er es dann rasch zum General, zum Berater von Präsident Ion Iliescu (in der Denke scheinen beide einvernehmlich auf der selben postkommunistischen Ebene zu schweben), zum PSD-Senator und zum Chef des Auslandsgeheimdienstes SIE. Von wo er dann in Rente ging. Und von wo aus er sich immer noch gelegentlich mit aufsehenerregenden Behauptungen zu Wort meldet, die meist (links- oder rechts-)extreme Meinungen schüren oder untermauern.

Der Ex-SIE-General als Großgrundbesitzer

Diesen Meister des Entgleitens aus den Fängen der öffentlichen Meinung und der Erfassung durch die kritischen Medien hat sich Nicolae Ştefănescu nun zum ersten Ziel erkoren: „Vielleicht habt ihr ein Interesse zu wissen, warum der Bürger Ioan Talpeş, geboren am 23. August 1944 in Topletz, über sehr großen Landbesitz im Verwaltungskreis Karasch-Severin verfügt?“ (Dass Talpeş gerade am Tag der historischen Wende geboren ist, als Rumänien zur Allianz mit der Sowjetunion die Fronten wechselte und den kommunistischen Weg Moskaus einschlug, das spricht der clevere Meinungsmanipulator Ştefănescu nicht zufällig an.) „Ich weiß mit Bestimmtheit, wie viel Hektar Land er besitzt, aber ich kenne auch die Summen, die er alljährlich von der EU-Agentur APIA dafür kassiert. Doch EU-Subventionen für seinen Landbesitz kassiert er aus ganz Rumänien, da ist nicht nur vom Verwaltungskreis Karasch-Severin die Rede. Die Dokumente darüber werde ich Präsident Johannis vorlegen.“ Konkret bezog sich der zu Enthüllungen bereite Lokalpolitiker auf Grundbesitz von Talpeş im Raum von dessen Geburtsgemeinde Topletz und im bukarestnahen Nobelort Snagov.

Er wisse von Tausenden Hektar an Grundstücken, die der General und Ex-SIE-Chef Talpeş rumänienweit in seinem Besitz habe, sagte Ştefănescu, und in deren Besitz sei der General „durch Kauf“ gelangt. Nach Meinung von Ştefănescu sei Talpeş „ein größerer Grundbesitzer als Prinz Paul de România, der jedes Fleckchen Grund und Boden, das mal dem rumänischen Königshaus der Hohenzollern-Sigmarigen gehört hatte, als seinen Erbbesitz, zwecks Rückerstattung, beansprucht hat.“ Allerdings: Im Fall Talpeş gäbe es einiges an Grundstücken, die er über Strohmänner besitzt, denn, um sich so große Grundstücke unter den Nagel zu reißen, habe der General „seine Ämter ausgenutzt, vor allem jenes als Senator im rumänischen Oberhaus. Aber er bebaut seine Ländereien nicht, kassiert dafür bloß die EU-Subventionen für Weideland oder verpachtet sie. Sein Jahreseinkommen aus EU-Subventionen darf auf einige Hunderttausend Euro – in Richtung Millionen Euro – geschätzt werden,“, sagte der ehemalige Chef der Steuerbehörde Karasch-Severin (von wo er wohl solcherlei Erkenntnisse haben muss).