Arad möchte Grüne Hauptstadt Europas werden

Die Maroschstadt will in die grüne Champions League

Etwas populistisch, aber trotzdem auch ein Beispiel für die junge Generation: Der Arader Bürgermeister Gheorghe Falcă beim Anpflanzen von Bäumchen in einem Arader Randviertel
Foto: Zoltán Pázmány

Zum Erstaunen der Nachbarn, wie etwa des historischen Konkurrenten Temeswar, aber auch ein bisschen der eigenen Bürger scheint Arad, oder vielleicht die derzeitige Kommunalverwaltung, in letzter Zeit von einem unbändigen Ehrgeiz gepackt zu sein: Nachdem die Maroschstadt bekanntlich ihre Kandidatur im landesweiten Wettbewerb um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2021 angekündigt hat, schrieb die Stadtverwaltung vor Kurzem Arad als einzige rumänische Stadt für den Wettbewerb „Grüne Hauptstadt Europas“ 2018 ein. Der begehrte Titel wird jährlich von der Europäischen Kommission an eine Stadt Europas verliehen, der es in besonderer Weise gelungen ist, Umweltschutz und Wirtschaftswachstum zu einer hervorragenden Lebensqualität für ihre Einwohnerschaft zu verbinden. In diesem Jahr trägt die englische Stadt Bristol diesen Titel, 2016 ist Ljubljana (Slowenien) und 2017 die deutsche Stadt Essen Grüne Hauptstadt Europas. Die erste Grüne Hauptstadt war übrigens Stockholm im Jahr 2010. Die Auszeichnung für das Jahr 2018 wird im Juni 2016 vergeben und möchte gezielt den grünen, vitalen Wettbewerb  auf dem Kontinent fördern, alle Städte dazu anspornen, für andere europäische Städte in der Praxis ein nachahmenswertes Beispiel abzugeben. Ein rumänischer Normalbürger stellt sich da sofort die berechtigte Frage: Kann eine rumänische Stadt derzeit überhaupt in diesem komplexen, noblen und gar nicht billigen Wettbewerb mit Erfolg mitmischen? Ist es nicht allbekannt, dass unser Land trotz der Bemühungen nach dem EU-Beitritt noch immer hart an EU-Grundbedingungen laboriert? So hätte Rumänien nach den EU-Vorschriften schon längst den vorgeschriebenen grünen EU-Durschschnitt von 26 Quadratmeter pro Kopf erreichen müssen. Es gibt jedoch noch immer etliche Städte wie Konstanza, Galatz, Ploieşti, Călăraşi, deren grüner Durchschnitt gar unter fünf Qudratmeter liegt. Auch Landeskreise wie Tulcea oder Giurgiu weisen eine besorgniserregende grüne Gesamtfläche von lediglich 70 bzw. 72 Hektar auf.

Wie hat’s Arad  mit seinem Grün ?

Ist Arad vielleicht eine rühmliche Ausnahme und man weiß das nur noch nicht? Dies und anderes Wunderliches behauptete jedenfalls Stadtvater Gheorghe Falcă, als er kürzlich „die ganze Wahrheit über die städtischen Grünflächen“ und das entsprechende, ehrgeizige Stadtprojekt präsentierte. Aus dem letzten Stadtbericht, dem „Lokalregister der Arader Grünflächen“ ist zu entnehmen, dass die Maroschstadt zurzeit über einen erstaunlich grünen Durchschnitt von 85,71 Quadratmeter pro Einwohner verfügt und das ohne Berücksichtigung des naheliegenden Ceala-Waldes am Rande der Marosch-Au. Damit, so Bürgermeister Falcă, wäre auch schon eine der Grundbedingungen des anstehenden EU-Wettbewerbs erfüllt. Die Stadt würde darüber hinaus schon zum jetzigen Zeitpunkt weitere der 12 Wettbewerbsbedingungen erfüllen. Etwas steckt schon dahinter, doch bei der Erfüllung der schwierigen Bedingungen der EU-Kommission geht es erstens um die Qualität in jedem vitalen Bereich. Zu den hart geprüften Umweltkriterien zählen z. B. der Schutz von Natur und biologischer Vielfalt, der Verkehr, die Luft- und Wasserqualität, die Initiativen zur Bekämpfung des Klimawandels, die Erzeugung von Abfall und dessen streng ökologische Bewirtschaftung und Entsorgung. Außerdem müssen die Bewerberstädte dauerhafte Umweltziele und Verbesserungen sowie eine nachhaltige Entwicklung anstreben. In der Jury sind nicht nur Vertreter der EU-Kommission sondern auch der Europäischen Umweltagentur und maßgeblicher internationaler Umweltorganisationen vertreten.

Aufs erste kann man schon behaupten, dass die Stadt Arad über einige handfeste grüne Argumente verfügt. Gott und die Natur waren wahrlich großzügig: Die Stadt, nördlich und südlich der Marosch gelegen, hat eine Gesamtfläche von 46,18 Quadratkilometern und nahezu 160.000 Einwohner und überrascht jeden Besucher mit seiner malerischen grünen Lunge, dem Maroschufer auf einer Gesamtfläche von 18,23 Hektar. Von der Gesamtfläche sind, nach letzten Zählungen, gar über 1,2 Millionen Quadratmeter der Stadt Grünflächen und Parks. Die größten und gepflegtesten Parks der Stadt, der Eminescu-Park (2,20 Hektar), der Europa-Park (8,40 Hektar) und der Kinderpark (1,90 Hektar), liegen am Maroschufer. Hinzu kommen noch die bei den Einheimischen so beliebten Parks, das zentral gelegene „Wäldchen“ (Pădurice), die Parks am Stadtrand, der Park am alten Strand und die Parkanlage des Neptun-Bads (2 Hektar). Nicht zu vergessen, dass sich die Stadt etliche seiner 17 Stadtbezirke erst in den letzten sechs Jahrzehnten einverleibt hat. Etwa die grünen Randorte Șega, Poltura, Gai, Grădişte oder die Dörfer und Gemeinden, samt Hausgärten, ausgiebigem Weideland und Wäldchen, wie Micălaca, Siegmundhausen, Neuarad und Kleinsanktnikolaus. Laut Experten, die das grüne Lokalregister erarbeitet haben, hat die Stadt  derzeit 129.297 Bäume, was 0,7 Bäume pro Einwohner entspricht. Davon sind 1100 Bäume älter als 100 Jahre. Es wurden 219 Baumarten gezählt, leider sind die vielen schönen Pappeln und Lindenbäume von früher inzwischen irgendwie auf die schwarze Liste geraten. Die große Zahl der Pflaumenbäume, 35.000, sagt eigentlich auch weniger über die Arader Baumliebhaber, sondern mehr über die einheimischen Liebhaber des hausgemachten, süffigen Zwetschgenschnapses etwas aus.

Der großzügige Grünbestand allein genügt jedoch nicht. Wie auch Bürgermeister Falcă zugibt, geht es erstens um die Qualität dieser Grün- und Parkanlagen und um ihren Schutz und die Pflege. Die Verwaltung und Pflege der Grünflächen obliegt zwar der Stadtverwaltung, dafür sei, laut dem Stadtvater, jedoch auch jeder einzelne Bewohner der Stadt, ob aus dem Stadtzentrum oder den Randvierteln, verantwortlich. In diesem Punkt hat die Stadtverwaltung wie die gesamte Einwohnerschaft noch vieles nachzuholen, was man in Arad oftmals auch öffentlich zugibt. Positiv zu bewerten ist, dass die Kommunalverwaltung im Stadtbudget für das Jahr 2015 eine beträchtliche Summe, circa neun Millionen Lei, für die Instandhaltung und Pflege der Grünanlagen und Parks flottgemacht hat. Trotzdem hagelt es häufig Unmut und Kritik der grünliebenden Bewohner über den Zustand der Grünanlagen, über die ständige Gefahr für diese durch die aggressiven Machenschaften der Immobilienmafia, letztlich über die Unverantwortlichkeit vieler Einwohner, vor allem jener aus den Randbezirken. Da werden Parks und gemeinschaftliche Grünflächen vielerorts nach Gutdünken und oft zerstörerisch genutzt. Herrenlose Hunde streunen durch die Gassen, auf den Grünflächen weiden Pferde, Kühe, gar Schweine laufen ungestört durch die Gassen. Es gibt städtische Vorschriften, die Einwohner klagen jedoch über die Untätigkeit der Behörden und das fehlende Eingreifen der Lokalpolizei.

Zurück zu unserem EU-Wettbewerb: Gemäß der gegenwärtigen Situation Arads als grüne Stadt ist es trotz der ehrgeizigen Pläne der Stadtverwaltung noch unklar und höchst fraglich, wie die Maroschstadt die hohen Hürden bzw. die schwierigen Kriterien des Wettbewerbs und auch die Bedingungen des Green City Index, der die Lebensqualität in den Städten einer harten Prüfung unterzieht, in dieser kurzen Zeit meistern kann. Es ist jedoch positiv zu bewerten, dass eine rumänische Stadt diesen Wettbewerb überhaupt aufnimmt und einen solch hohen Umweltstandard anstrebt. Trotzdem wird ein derartiger Wettbewerb Arad wohl in der nächsten Zukunft nicht zu einer der großen Umweltstädte Europas machen, diese befinden sich bekanntlich vornehmlich im Norden Europas – Oslo, Stockholm, Kopenhagen, Amsterdam.
Niemand wird es der Stadt Arad verübeln, wenn sie letztlich in diesem Rennen als „u. a. am Start“ genannt werden sollte. Der deklarierte Wille der Stadtverwaltung, die zahlreichen angeregten grünen Stadtprojekte werden Wirkung zeigen und den Umweltstandard der Stadt Arad bestimmt in den nächsten Jahren erhöhen. Und nicht zu vergessen: Arad könnte in Rumänien auch eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion für grünes, umweltbewusstes, urbanes Leben einnehmen.