Architektur im Vorbeigehen

50 illustrierte Paneele in der Bukarester U-Bahnstation am Universitätsplatz

In Halbkreisen angeordnet und in minimalistischem Design stellen sie sich uns in den Weg, konkurrieren durch Schlichtheit und Eleganz mit den Reizen der bunten, kreischenden Hauptstadt. Die 50 Paneele in der Unterführung zur U-Bahnstation auf dem Universitätsplatz erzählen über 100 Jahre rumänische Architektur. Vermitteln dem flüchtigen Passanten einen schnellen Eindruck, verlocken Interessierte zum Innehalten und ausgiebigen Studieren. Die Protagonisten der am 4. Mai eröffneten Ausstellung „Architektur des Jahrhunderts“ sind hauptsächlich Bukarester Gebäude: berühmte – aber auch kaum bekannte – aus drei verschiedenen Bauperioden: der Zwischenkriegszeit, der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der postkommunistischen Epoche.

Man kann wiederkommen, bis zum 18. Mai, sich auf dem täglichen Weg häppchenweise Eindrücke verschaffen – oder sich Zeit nehmen und vor einem Bildschirm die zehn gefilmten Interviews verfolgen, mit Persönlichkeiten aus der rumänischen Kultur (Răzvan Theodorescu, Vizepräsident der Rumänischen Akademie, Radu Boroianu, Fernsehjournalist Radu George Serafim, Florentina Nițu, Dekanin der Fakultät für Geschichte an der Bukarester Uni, die Architekten Sorin Vasilescu und Augustin Ioan, die Historiker Ștefan-Virgil Nițulescu, Filip-Lucian Iorga, Emanuel Bădescu und Ing. Octavian Udriște). Mit überdimensionalen Fotos verkleidete Säulen verleiten dazu, sie zu umrunden, nur so lässt sich das gesamte Motiv erfassen.

„Keine westeuropäische Hauptstadt hat dieses internationale Flair von Bukarest, wo sich der nationale sowie euro-amerikanische Geist dank seiner Architekten in ihren Gebäuden verkörpert hat“, fasst Theodorescu den Reiz der Ausstellung zusammen. Wer wissen will, welche Etappen der Triumphbogen von der Projektierung bis zur finalen, aktuellen Variante durchgemacht hat, welche Architekten daran beteiligt waren, wer die Skulpturen und Reliefs realisiert hat und was sie darstellen, kann gleich drei Paneele dazu studieren. Oder wie der Senatsplatz früher ausgesehen hat: Auf einem Foto von 1937 sind die Gebäude Agricola Fonciera und Adriatica zu sehen, beides Werke des Architekten Petre Antonescu aus dem Jahr 1927, die die Entwicklung der Bukarester Architektur unter Ceau{escu entscheidend beeinflussten. Ob der Art Deco-Bau des Hotels Union, die Militärakademie – früher Kriegsschule genannt –, die Malaxa-Fabriken der 40er Jahre oder der Miori]a-Brunnen, kein Winkel bleibt unbeleuchtet, kein Detail ausgespart, historische Informationen ergänzen den visuellen Eindruck.

Zum Anlass der Ausstellung wurden zudem ein 100-seitiger Katalog und eine Mappe mit den 50 Paneelen in Kleinformat realisiert. Die Fotos entstammen den Sammlungen der Architekten Prof. Sorin Vasilescu, Mădălin Ghigeanu und Emil Ivănescu sowie des Historikers Emanuel Bădescu. Die Ausstellung wurde koordiniert und realisiert vom Designer Radu Vișan Miu, Kuratorin ist Ana-Daniela Sultana. Sie ist eine Initiative des Rathauses Bukarest und der NGO Creart im Rahmen des Gedenkens an 100 Jahre vereinigtes Rumänien.