Auch Gebäude haben ihr Leben

Ein historischer Flugzeughangar in Kronstadt könnte zu einem Museum der Luftfahrt werden

Einweihung des Hangars am 11. Oktober 1927 (Reproduktion aus der Broschüre des Kreisrats anlässlich der 80 Jahre seit der Einweihung)

Festlichkeit anlässlich der 80 Jahre seit der Einweihung Foto: Hans Butmaloiu

Sollte ein Kronstädter Projekt gelingen und zeitgerecht fertig werden, so wird die Stadt in den nächsten vielleicht zwei Jahren um ein Museum der Luftfahrt bereichert werden. Das Projekt ist eine Initiative von Lokalbehörden, Kreisrat, Bürgermeisteramt, dem Deutschen Wirtschaftsklub Kronstadt sowie einigen namhaften Persönlichkeiten, darunter der rumänische Raumfahrer Dumitru Prunariu, aber auch Partner aus dem Ausland wie Dipl. Ing. Ingo Voigtländer von Solaris, ein Förderzentrum für Jugend und Umwelt GmbH Sachsen. Bei der Präsentation des Projektes wurden Konzept und Standort erörtert, wobei Architekt Gruia Hilohi genauere Angaben über den Standort gab: ein ehemaliger Hangar der Flugzeugfabrik IAR.

Die Vorgeschichte

Diese begann am 1. November 1925, als IAR (Industria Aeronautică Română) als staatliche Aktiengesellschaft gegründet wurde. Ursprünglich gehörte das Aktienpaket den französischen Blériot-Spad und Lorraine-Dietrich Werken, der Astra Fabrik aus Arad und dem rumänischen Staat. Im Verlauf der folgenden zehn Jahre kaufte der rumänische Staat jedoch alle Aktien auf. Als Standort der Flugzeugfabrik wurde Kronstadt/Braşov gewählt, wo der Staat ein Gelände besaß, auf welchem heute das Immobileinprojekt Coresi entsteht. Hier wurde 1926 mit dem Bau eines ersten Hangars begonnen – der Hangar, um dessen „Leben“ von nunmehr 85 Jahren es hier geht.

Der Bau des Hangars

Einem jeden von uns sind Großhallen zumindest als Supermärkte bekannt und jeder kennt die starken Pfeiler, welche die flache Decke tragen. Einen Einkaufskorb durch diese zu führen ist ein Kinderspiel. Doch was macht man, wenn ein Flugzeug mit einer Flügelspannweite von über zehn Metern darin untergebracht werden soll? Man baut eine Halle ohne Tragpfeiler, doch muss eine andere Lösung als Träger der Decke her. Diese erfanden Bauingenieure als Bogenbrücken und benutzten das Konzept später für Industriehallen, manche Bahnhöfe oder eben Flugzeughangars. Der Bau in Kronstadt erfolgte zwar nach französischen Bauplänen und unter Aufsicht von angereisten Bauingenieuren, doch ausschließlich mit lokalen Arbeitskräften und mit Mitteln, die  heute unvorstellbar sind.

Die Schalung und die Stahlbewehrung wurden sehr schnell fertig gestellt und man ging zu den Betonarbeiten über. Der gesamte Beton wurde in kontinuierlichem Einsatz von Bauarbeitern mit Schaufeln – also in reiner Handarbeit – gemischt, mit Eimern und Flaschenzügen angehoben und in die Schalung gegossen, ein heute unvorstellbarer Aufwand.      

Nach Fertigstellung der Struktur, bestehend aus den erwähnten selbsttragenden Bögen, die durch zwei Querstürze abgestützt werden, ging man zum Abdecken über und zuletzt zum Einbau der zwei großen Schwingtüren, die in angehobenen Zustand eine Öffnung von etwa 40 Meter freigeben. Hier in dieser Halle wurden ab dem 11. Oktober 1927, als sie eingeweiht wurde, mehrere hundert Schul-, Aufklärungs-, Sport- und zuletzt Jagdflugzeuge gebaut.

Die ersten Jahre    

Neben dem Hangar wurde eine Halle für Motorenbau und eine für Einbauteile sowie mehrere Verwaltungs- und Planungsbüros gebaut, von denen die meisten heute noch stehen. Der erste Auftrag war natürlich staatlich und betraf 30 Flugzeuge vom Typ Morane-Saulnier M.S.35, welche mit noch importierten Teilen im Hangar zusammengebaut wurden und alle im Herbst 1928 ausgeliefert waren. Es folgte ein zweiter Auftrag für 70 Motoren für Potez XXV, ein Aufklärungsflugzeug, welches aber auch als Bomber, allerdings mit geringer Ladekapazität, eingesetzt werden konnte. In dieser Zeit wurde auch die Betonplattform angelegt, auf der die Flugzeuge vor und neben dem Hangar geparkt wurden, ebenso eine betonierte Rollbahn, die bis zum etwa einen Kilometer weiter entfernten Flugfeld führte. Alle Flugzeuge waren mit festem Fahrgestell für Start und Landungen auf Graspisten versehen.

Das erste Eigenkonzept mit dem seit damals bekannten Namen I.A.R. wurde 1930 gebaut und stand lange Zeit immer wieder für Änderungen und Verbesserungen im immer noch einzigen Hangar. Kurz danach wurde gleich daneben mit dem Zusammenbau des Prototyps des Jagdflugzeugs I.A.R. C.V.11, nach Plänen des Ingenieurs Elie Carafoli in Zusammenarbeit mit dem französischen Ingenieur Lucien Virnoux, begonnen. Es folgten rasch aufeinander die Modelle I.A.R. 16 (Höhenrekord von 11.631 Metern), I.A.R. 39  Aufklärungsflugzeug, I.A.R. 80 Jagdflugzeug, der Jagdbomber I.A.R. 81, insgesamt über 20 Modelle.

Die Kriegsjahre

Am 22 Juni 1941 trat das Königreich Rumänien als Verbündeter Deutschlands in den Krieg ein und die Bedeutung der Flugzeugfabrik stieg auf strategisches Niveau. Es wurden weitere Hallen gebaut und am anderen Ende des Flugfeldes – dort, wo heute die Ruine des Kugellagerwerkes steht – mehrere Wartungshangars errichtet, weil der große Montagehangar nicht mehr ausreichte. Zu IAR 80 kamen die Modelle Meserschmitt 109, Heinkel He 111, Fieseler und Storch, alle unter Lizenzbau, hinzu. Die technische Ausstattung der Fabrik wurde stark verbessert und so manche Drehbank, Fräse oder Schleifmaschine, die nach 1990 verschrottet wurden, stammt aus dieser Zeit.

Es war der 4. April 1944, der das Ende der Flugzeugfabrik einleiten sollte. 150 viermotorige Bomber vom Typ B-24 Liberator hatten in den ersten Morgenstunden von amerikanischen Luftstützpunkten in Italien abgehoben und erreichten gegen elf Uhr Kronstadt. Ihre Ziele waren in Reihenfolge: die Flugzeugfabrik, der Luftstützpunkt am Ende des Flugfeldes, die Erdölraffinerie, der Hauptbahnhof und die Waggonreparaturwerkstatt Malaxa (später „Steagul Roşu“) sowie die Wasserreservoirs der Stadt. Getroffen wurden auch andere, militärisch unwichtige Ziele: 500 Wohnungen wurden zerstört, beschädigt oder unbewohnbar. Ebenso gab es eine hohe Zahl von Zivilopfern, nach heutigem Sprachgebrauch „Kollateralopfer“ genannt. 

Der Hangar erhielt einen Volltreffer, doch die sehr solide Bauweise und ebensoviel Glück führten dazu, dass die Schäden minimal blieben. Fliegerbomben sind nämlich unterschiedlicher Bauart und können direkt beim Aufschlag oder erst nach vorher eingestellter Zeit detonieren. Der Treffer auf den Hangar muss solch eine Verzögerungsschaltung gehabt haben, da die Bombe die Decke durchschlug und erst Sekundenbruchteile danach explodierte, allerdings bevor sie den Hangarboden erreicht hatte. Zwar wurden alle Fenster, die Klapptore und auch einige Trennwände zerstört, doch die tragende Struktur hielt stand und blieb unversehrt.

Das Hangarinnere wurde in den nächsten Tagen geräumt, notdürftig ausgebessert und die Montage wieder aufgenommen. Doch nur für kurze Zeit, denn nach dem 23. August 1944 zogen sich die Staffeln der deutschen Luftwaffe fast zeitgleich mit den Bodentruppen zurück und die Fabrik blieb plötzlich ohne den wichtigsten Werkstoff für den Flugzeugbau: dem  Aluminiumblech und den Profilen. Ebenso fehlte es an Motoren, Bordelektrik und Bewaffnung. Doch kaum hatte sich die sowjetische Kommandantur in Kronstadt eingerichtet, so erschienen schon die ersten neuen Waffenbrüder und begannen mit der Demontage der Maschinen, welche für die Fabrik überlebenswichtig waren. Augenzeugen der Geschehnisse berichteten später, dass die letzten deutschen und rumänischen Piloten der Staffeln, die hier stationiert waren, fast ausnahmslos samt Flugzeugen flüchteten, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen. Viele von ihnen sollten noch erbitterten Widerstand in den letzten Kriegsmonaten leisten.

Traktoren an Stelle von Flugzeugen

Noch während der letzten Kriegsmonate wurden die Maschinen, die nicht als Kriegsbeute in die Sowjetunion überführt wurden, für Reparaturen an Fahrzeugen benutzt: Rumänien durfte ab sofort keine Kampfflugzeuge mehr bauen und alle Baupläne von Flugzeugen wurden beschlagnahmt. An Stelle von Flugzeugen wurden ab 1945 Traktoren gebaut und im Hangar wurden sowjetische Pressen aufgestellt, die Blechteile stanzten. Gebäude, welche solchen rhythmischen Stößen ausgesetzt sind, erleiden normalerweise irgendwann Schäden, doch die Hangarstruktur ist heute noch in bestem Zustand, wie ein fachliches Gutachten im Frühling 2014 bestätigte. Als 80 Jahre seit der Einweihung des Hangars gefeiert wurden, dachte noch niemand an ein Luftfahrtmuseum. Es herrschte bedrückte Stimmung, da man an die Möglichkeit des Abrisses dachte. Doch nun, als Ausstellungsraum historischer Modelle oder Nachbauten, dürfte der Hangar noch viele Jahre vor sich haben.