Auf den Spuren Samuel von Brukenthals

Studienfahrt zur Jubiläumstagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) in Hermannstadt

Eröffnung der 50. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in der Aula des Brukenthal-Gymnasiums
Foto: Konrad Gündisch

Die Reisegruppe unter Leitung von Prof. Konrad Gündisch auf der Prager Burg vor der Reiterskulptur von Martin und Georg von Klausenburg
Foto: die Verfasserin

Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V., Heidelberg, veranstaltete vom 16. bis 18. Juni 2017 in Hermannstadt, zusammen mit dem Bruken-thalmuseum und dem Begegnungs- und Kulturzentrum „Friedrich Teutsch“ der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, die Internationale Fachtagung „Samuel von Brukenthal und die siebenbürgische Erinnerungskultur“. Es handelte sich gleichzeitig um die 50. Jahrestagung des Landeskundevereins, ein bedeutsames Jubiläum dieser traditionsreichen wissenschaftlichen Einrichtung. Anlässlich des 200. Gründungsjubiläums des Brukenthalmuseums – des ersten öffentlichen Museums im Südosten Europas – kamen namhafte Fachleute aus Deutschland, Österreich, Rumänien, Ungarn und den USA zusammen. In Verbindung mit der Tagung wurde eine von Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch geleitete zehntägige Studienreise mit dem Titel „Auf den Spuren Brukenthals und des Barock“ angeboten, die vom 12. bis 21. Juni zu den wichtigsten Brukenthal-Stätten in Deutschland (Jena, Halle), Österreich (Wien), Tschechien (Prag, Brünn), Slowakei (Altsohl), Ungarn (Budapest, Szegedin), und Rumänien (Hermannstadt, Leschkirch, Freck) führte, aber auch die Besichtigung bedeutender Stätten des Barockzeitalters ermöglichte. Zwei der Referenten nahmen an der Studienreise teil, nämlich Dr. Lupold von Lehsten (Bensheim) und Dr. Rüdiger von Kraus (Boston).

Die Studienreise startete in Drabenderhöhe. Dr. Konrad Gündisch, den meisten Teilnehmern von früheren Studienreisen bekannt, informierte unterwegs über das Leben und Wirken Brukenthals (1721, Leschkirch – 1803, Hermannstadt) und über die Ziele, die jeweils angesteuert wurden. Die ersten Ziele waren die Studienorte Bruken-thals Jena (1744) und Halle (1743). Jena war zu Brukenthals Zeiten eine berühmte Universitätsstadt, die auch Studenten aus Siebenbürgen anzog. Univ.-Prof. Dr. Uwe Klein führte durch die altehrwürdige Friedrich-Schiller-Universität, zuerst in den alten Festsaal, dann in die Michaelskirche mit ihrem beeindruckenden Gewölbe und der Grabplatte Martin Luthers. Im Jahre 1798 wurde Brukenthal aufgrund seiner umfangreichen Mineraliensammlung zum Ehrenmitglied der Jena’schen Mineralogischen Sozietät ernannt. Die ältesten Bücher seiner umfangreichen Bibliothek von 13.000 Titeln erwarb er während seiner Studienzeit in Jena und Halle.

Nach einer zweijährigen Beamtenlaufbahn in Hermannstadt immatrikulierte Brukenthal sich nämlich 1743 an der juristischen Fakultät der Universität Halle. Dort gründete er die Freimaurerloge „Les trois clefs d’or“, worüber auf der Tagung des Arbeitskreises in Hermannstadt ein paar Tage später Dr. Attila Verók aus Erlau/Eger sprach. Heute ist die Martin-Luther-Universität zu Halle überwiegend in den imposanten Gebäuden der Franckeschen Stiftungen untergebracht. Wissenschaftliche Mitarbeiter dieser Stiftungen gaben Einblick in das Leben und Wirken von August Hermann Francke (1663-1727). Der Pfarrer und Pädagoge, der sich dem Pietismus verschrieben hatte, wirkte auch als Universitätsprofessor. Er predigte im Hörsaal und von der Kanzel ein lebendiges, tätiges Christentum voller Nächstenliebe und führte in seinen Schulen den Anschauungsunterricht ein. Zur Unterstützung dieses Bildungskonzeptes legte er 1698 die Kunst- und Naturalienkammer an, in der heute noch 3000 Naturalien, Kuriositäten und Artefakte der Welt in den originalen, reich verzierten Sammlungsschränken gezeigt werden. Francke war 1716/17 Rektor der Universität, 27 Jahre bevor Samuel von Brukenthal hier eintraf. Vielleicht ließ dieser sich vom gesellschaftlichen Reformwillen Franckes anstecken und von seiner Sammelleidenschaft sowie der Liebe zur Botanik, die er nach seiner Rückkehr in Hermannstadt umsetzen konnte. Dort heiratete er 1745 die Tochter Katharina des Bürgermeisters von Klockner.

Nächster Halt der Reisegruppe war in Dresden, wo die prächtigen Barockbauten der wiederaufgebauten Frauenkirche, des Zwingers und der Semperoper in Dresden zu bewundern waren. In Prag bestieg die Reisegruppe bei schönstem Sonnenschein auf parkähnlichen Wegen die Prager Burg und versammelte sich hinter der großen Kathedrale um die Bronzestatue des Heiligen Georg, der den Drachen tötet. Diese Reiterskulptur wird den Klausenburger Handwerkern Georg und Martin zugeschrieben und ist ein bedeutendes Zeugnis des siebenbürgischen Metallgießerei-Handwerks aus dem 14. Jahrhundert. Eine Kopie des Reiterstandbilds steht in Klausenburg. In Altsohl/Zvolen, der mittelslowakischen Bergstadt, gab es nicht viel mehr als das festungsartige Schloss aus den Jahren 1370-1380 zu besichtigen. Je mehr sich der Bus der ungarischen und rumänischen Grenze näherte, wurde zunehmend rumänisch und sächsisch gesprochen, es wurden Witze erzählt und Erinnerungen von früher ausgetauscht. In Debrecen wurde die obligatorische Pause des Busfahrers für einen kurzen Rundgang mit Besichtigung der kalvinistisch-protestantischen Kirche genutzt. In Großwardein und Karlsburg gab es neu renovierte Burgen im Vauban-Stil zu bewundern. In Klausenburg führte der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, Dr. Lucian Nastasă-Kovacs durch das Bánffy-Palais, das „barockeste“ Gebäude der Stadt. Gut gelaunt blickten alle Teilnehmer erwartungsvoll der Ankunft in Hermannstadt und dem Beginn der Jubiläumstagung entgegen.

Nach der Tagung besuchten einige Teilnehmer die Sommerresidenz des Freiherrn in Freck und seinen Geburtsort Leschkirch im Harbachtal. Hier verlas Thomas Şindilariu (Kronstadt) die im Verhältnis zu seiner Bedeutung bescheidene Grabrede für Samuel von Brukenthal, der 1803 in der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt bestattet wurde. Seit 1796 waren Begräbnisse in der Kirche eigentlich verboten, mit diesem prominenten Siebenbürger wurde eine Ausnahme gemacht. Heute weist eine kleine Tafel an der ersten Säule auf sein Grab.
In Freck empfing der ehemalige Bürgermeister Arnold Klingeis die Gäste in einem barocken Hochzeitszelt und ließ sie, nach einem Spaziergang durch den Garten und dem Besuch der sächsischen Heimatstube im Schloss, reichhaltig bewirten. Bei strömendem Regen erläuterte Dr. Erika Schneider (Lahr) die frühere Struktur des einzigen erhaltenen barocken Parks in Rumänien, über den sie am Vortrag einen interessanten Beitrag zum Thema „Gartenanlagen – naturwissenschaftliche Sammlungen“ gehalten hatte. Im Sinne der Aufklärung wurde der Garten wie eine Landschaft angelegt. Er enthielt neben barocken Elementen einen holländischen Bereich, an den die riesigen Tulpenbäume erinnern, und mehrere Kuchelgärten. Brukenthals Verdienst war es, neue Pflanzen für das einheimische Klima zu kultivieren. Er führte neue Gemüsesorten, wie die Kartoffel, ein und verbreitete sie, indem er den Bauern Saatgut schenkte. Er züchtete exotische Pflanzen wie Ananas, Datteln, Kaffeepflanzen und Orangen. Er importierte 89 schmackhafte Apfel- und Birnensorten, ließ sie in den Terrassengärten anpflanzen und sorgte dafür, dass sie sich in Siebenbürgen verbreiten konnten, indem er den Gartenbesitzern die Möglichkeit gab, sich kostenlos Edelreiser zu holen. Arnold Klingeis versucht heute, das „Eden hinter den Wäldern“ wiederherzustellen und durch den Tourismus wieder bekannt zu machen. Er beschäftigt fünf Gärtner und legte 2016 hinter der Orangerie eine Apfelbaumallee mit alten siebenbürgischen Sorten an. Klingeis ist Mitglied der Brukenthalstiftung, die zur Rettung des Vermächtnisses des Freiherrn von Brukenthal gegründet wurde. Es bedarf allerdings erheblicher finanzieller und personeller Anstrengungen, um diesen einzigen barocken Garten Rumäniens als Gesamtensemble zu restaurieren und zu erhalten.

Die Busreise ins Harbachtal war für viele eine Reise in die eigene Vergangenheit. Der Marktflecken Leschkirch/Nocrich liegt 34 km nordöstlich von Hermannstadt und 26 km südwestlich von Agnetheln, am rechten Ufer des Harbachs. Brukenthals Vater erhielt den Beamtenadelstitel „Breckner von Brukenthal“, was sich später in seinem Wappen wiederfindet. Das Geburtshaus des ehemaligen Gouverneurs von Siebenbürgen ist leider in einem desolaten Zustand und kann wegen der Besitzverhältnisse nicht renoviert werden. Den Schlüssel für die Kirche brachte Frau Müller aus Alzen und erzählte, dass in Leschkirch keine Sachsen mehr leben. Währenddessen schlenderten Romafrauen in ihren bunten Röcken selbstbewusst über die Straße. Das Pfarrhaus wird von rumänischen und internationalen Pfadfinderorganisationen genutzt, nachdem es mit Geldern einer Schweizer Stiftung renoviert werden konnte. Es ist ein gepflegter, idyllischer Hof mit alten Apfelbäumen. Auf dem Schornstein des Nachbarhauses füttert ein Storch seine Jungen.

Die Vorträge auf der Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde ergänzten hervorragend das unterwegs Gesehene und Vorgetragene. Brukenthal wurde als Staatsmann gewürdigt und sein steiler Aufstieg als Gouverneur von Siebenbürgen, seine Rolle als bedeutender Sammler und Museumsgründer wurde hervorgehoben und man beschäftigte sich während des ganztägigen Tagungsmarathons auch mit seiner Genealogie und seinen wissenschaftlichen Kontakten sowie mit seinen landwirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Bemühungen.
Auf der Rückreise in Wien hielt Prof. Gündisch selbst einen Vortrag im Institut für Österreichkunde mit dem Titel „‘Fidem genusque servabo‘: Samuel von Brukenthal, ein lutherischer Gouverneur ihrer allerkatholischen Majestät Maria Theresia“. „Ich will meinem Glauben und meinem Volk dienen” – dieser selbstgewählten Maxime ist Brukenthal ein Leben lang treu geblieben.