Auf der Bühne des Lebens zum Erfolg

Vom Hermannstädter Theater zum eigenen Sprachinstitut in Ulm

Im Institut: Monika Barth (rechts) und Tochter Denise im Kindesalter (zweite von links)

Neben dem Schild des Didactica-Instituts in Ulm

In der Rolle der Irene in Axel von Ambessers „Omlette Surprise“ mit Ottmar Strasser
/ Fotos: privat

Die gebürtige Hermannstädterin Monika Barth lebt seit 1987 in Ulm/Deutschland, wo sie seit 1991 das Didactica-Institut, eine private Sprachschule, leitet. „Alle europäischen Sprachen, aber auch Chinesisch und Japanisch, werden zurzeit in der Schule unterrichtet. Wir haben Lehrer für alle Sprachen“, sagt Monika Barth. Bundesamtskurse, Integrationskurse, Kurse für TELC-Zertifikate nach europäischem Referenzrahmen, Kurse für Arbeitslose, Firmenkurse sowie Sprachkurse für Kinder und Jugendliche stehen im Angebot des Didactica-Instituts in Ulm.  Monika Barths 21-jährige Tochter, Denise Barth, ist zurzeit Studentin im dritten Jahrgang an der medizinischen und pharmazeutischen „Victor Babeş“-Universität in Temeswar/Timişoara. Seitdem ihre Tochter das Medizinstudium begonnen hat, unternimmt Monika Barth regelmäßige Fahrten ins Banat. Auf einer ihrer Temeswar-Reisen lernte ich sie kennen.

Wir sitzen an einem Spätsommerabend im Hof des „Biergartens“ in der Altstadt. Monika Barth bestellt sich ein traditionelles rumänisches Gericht und einen Zitronensaft und erzählt.

1957 in Hermannstadt/Sibiu geboren, besuchte sie dort den Kindergarten im Ursulinenkloster, das Gymnasium in der Schule Nr. 2, dann das Brukenthal-Lyzeum und studierte anschließend Englisch und Deutsch (1976-1980) an der Fakultät für Philologie und Geschichte in Hermannstadt, damals eine Filiale der Klausenburger Universität „Babeş-Bolyai“ . „Ich habe in Hermannstadt Philologie studiert, da ich es mir nicht leisten konnte, in einer anderen Stadt zu studieren“, sagt Barth. Ein Schauspielstudium in den 1970er Jahren war nur in Bukarest möglich. Zur Auswahl standen in der Stadt am Zibin noch „Fachrichtungen wie Geschichte, Rechtswissenschaften oder Maschinenbau, aber keine davon sagte mir zu“.

Wie eine große Familie

Schon während des Gymnasiums hatte Monika Barth an einem Theaterkurs an der Volkshochschule teilgenommen, wo Monologe geübt, Gedichte aufgesagt und praktische Übungen durchgeführt wurden. „Auch während der Studentenzeit habe ich Theater gespielt. Hansi Höchsmann, Schauspieler am Deutschen Theater in Hermannstadt, führte Regie“, erzählt Barth lächelnd und streicht sich eine lange, braune, leicht gewellte Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie spielte die Hauptrolle „Mona“ im Stück „Într-o singură seară“ (An einem einzigen Abend) von Iosif Naghiu.

„Für mich stand schon immer fest, dass ich ans Theater möchte“, bekennt sie. Die Gelegenheit ergab sich 1982, als zwei Stellen am Deutschen Theater in Hermannstadt ausgeschrieben wurden. „Das war meine Chance!“, freute sich Barth. „Für die zweite Stelle bewarb sich Christa Schieb. Wir wurden beide aufgenommen und haben zusammen angefangen“, erinnert sie sich. Dem Hermannstädter Deutschen Theater gehörten u.a. der Regisseur Christian Maurer und die Schauspieler Rosemarie Müller, Kurt Konrad, Jochen Grumm, Helmut Jakobi, Klaus Zeyd, Harriet Wolff und Rolf Maurer an. Monika Barth trat in Stücken wie Federico García Lorcas „In seinem Garten liebt Don Perlimplin Donna Belisa“, in Paul und Franz von Schönthans „Raub der Sabinerinnen“, in  Gabriela Zapolskas „Die Moral der Frau Dulska“, sowie in Theaterstücken in sächsischer Mundart, wie „Åm zwien Kretzer“ auf. „Ein sächsisches Mundartstück, für das ich speziell den Dialekt gelernt habe“, sagt die ehemalige Schauspielerin dazu und widmet sich ihrem Essen.

„Es war eine schöne Zeit am Hermannstädter Theater. Wir haben uns alle sehr gut verstanden, wir waren wie eine große Familie“, erinnert sich Monika Barth lächelnd und nippt an ihrem Zitronensaft. Am Wochenende unternahm die Theatergruppe immer Ausfahrten in die Umgebung von Hermannstadt, nach Kronstadt/Braşov und in die umliegenden Dörfer, nach Elisabethstadt/Dumbrăveni und Schäßburg/Sighişoara. Nach den Theateraufführungen ergab sich Gelegenheit, sich mit den Leuten zu unterhalten. „Das war der beste Weg, das Leben und die Mentalität der Menschen auf den Dörfern kennenzulernen. Überall wurden wir sehr herzlich empfangen.“ Ein Glas guter Hauswein oder hausgebrannter Schnaps war ebenfalls oft dabei „und dazu gab es guten sächsischen Speck, das ´Bauchfliesch´“, erinnert sie sich.

„Es war eine große Bereicherung für mich - aber andererseits auch eine schmerzliche Erfahrung, zu sehen, wie bei jeder Aufführung jedes Mal weniger Leute im Saal saßen. Wir haben die Auswanderung hautnah mitbekommen“, schildert Monika Barth die damaligen Zeiten.

In Deutschland spielte sie dann in einer Theatergruppe unter der Leitung von Ottmar Strasser (1905-2004), der jahrelang als Schauspieler und Regisseur am Deutschen Staatstheater Temeswar wirkte. „Wir hatten  Aufführungen in Ulm, Karlsruhe, Pforzheim, Freiburg, wir haben in ganz Süddeutschand vor vollen Sälen für die Siebenbürger Sachsen gespielt.“

Ein traumatischer rumänischer Name

Melitta Schaser, Monika Barths Tante, war das erste Familienmitglied, das nach Deutschland kam. „Gut, dass sie umgesiedelt ist, denn einige meiner Verwandten, einige von den volljährigen, wurden 1945 nach Russland zwangsverschleppt.“ Barth erzählt, dass viele Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben nach der Entlassung aus dem Lager in Russland nach Deutschland gegangen sind. „Meine Verwandten sind nach der Russlanddeportation wieder zur Familie nach Rumänien zurückgekehrt“, erzählt die ehemalige Schauspielerin.

„Als mein Großvater in Bukarest arbeitete, hat er dort mitbekommen, dass die Deutschstämmigen nach Russland deportiert werden sollen und ließ kurzer Hand seine Frau und beide Söhne adoptieren.“ Einer der zwei Söhne ist der Vater von Monika Barth. Somit erhielten ihre Großmutter und die Kinder einen zusätzlichen rumänischen Namen und hießen Petraşcu-Schaser. „Das war aber nicht rumänisch genug, so wurde Schaser in Lazăr geändert, und dadurch sind sie davongekommen“, schildert die als Petraşcu-Lazăr geborene Monika Barth die tragische Lage ihrer Familie. „Es war das erste Trauma meines Lebens: die Rumänen nannten mich einen Mischling, ´o corcitura´, und die Deutschen sagten, ich sei eine Rumänin.“ Schon als Kind hatte sie sich den Namen Barth – den Mädchennamen ihrer Mutter – gewünscht, „und das konnte ich dann später in Deutschland erreichen“.

In den 1960er Jahren wanderte der Bruder ihrer Mutter, Adolf Barth, als Zweiter nach Deutschland aus. „Seither gab es einen einzigen Gedanken in der Familie: das Auswandern nach Deutschland, wie bei allen Sachsen“, erinnert sich Monika Barth. „Wir haben direkt gespürt, wie die Schulklassen geschrumpft sind. Einer nach dem anderen ist weg. Wir waren ständig am Bahnhof“, erzählt Barth. „Als dann die sogenannte Revolution in Rumänien stattfand, konnten wir mit niemandem hier Kontakt aufnehmen, so haben wir uns ins Auto gesetzt und sind zu meiner Schwester Gudrun nach Schaas gefahren“, so Barth. „Wir konnten nicht glauben, dass die Grenzen offen waren. Wäre das früher passiert, denke ich, wären viele Sachsen jetzt noch in Rumänien“. Monika Barths Mobiltelefon klingelt. Ihre Tochter Denise wird sich gleich zu uns gesellen.

Späte Auswanderung

„Ich war unter den letzten Verwandten, die ausgewandert sind“, erzählt Monika Barth, denn ihre Mutter und die gesamte Familie bis auf ihre Schwester Gudrun sind schon früher nach Deutschland umgesiedelt. Gudrun Pitters und ihre Familie sind dann 1992 nach Österreich gezogen. Ihr Mann Johann Pitters, bis dahin evangelischer Pfarrer in Schaas (Kreis Hermannstadt), erhielt ein Amt in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wien-Donaustadt, das er zwölf Jahre lang innehielt. 2004 übernahm er das evangelische Pfarramt in Traun, wo er auch derzeit der Pfarrgemeinde vorsteht.

„Ich war froh, dass ich nicht früher ausgewandert bin, denn ich hatte eine sehr schöne Kindheit und Jugend“, sagt Barth. „Wir konnten nicht nach Mallorca, China oder nach Amerika reisen, aber der soziale Zusammenhalt war sehr gut, und das war viel wichtiger für mich als Geld“, schildert Barth die damaligen Zeiten des Kommunismus. „Familie ist mir auch sehr wichtig“, fügt sie noch hinzu. Sie selbst zog im Dezember 1987 nach Ulm, wo ihre restliche Familie bereits angesiedelt war. „Schon ein paar Tage später hatte ich eine Arbeit am Kinder- und Jugendtheater in Ulm.“ Dazu nahm sie auch eine Teilzeittätigkeit als Deutsch- und Englischlehrerin an der Inlingua-Sprachschule an. 1989 begann sie am Didactica-Institut, wo nach der Superlearning-Methode unterrichtet wurde, zu lehren. „Ich war sehr begeistert von dieser Methode und vor allem von den Kursteilnehmern, die aus verschiedenen Firmen kamen“, so Monika Barth, die damals Englisch unterrichtete. Ihre Tochter trifft ein und setzt sich zu uns.

„1991 erhielt ich einen Brief, in dem angekündigt wurde, dass die Schule geschlossen wird. Praktisch über Nacht habe ich mich entschlossen, die Schule zu kaufen“, fährt sie zu erzählen fort. Als Sprung ins kalte Wasser bezeichnet sie ihr Wagnis heute - wegen Mangel an Erfahrung mit Finanzen, Buchhaltung, Steuern und anderen, für die Leitung eines privaten Unternehmens notwendigen Kenntnissen. „Seit 1991  leite ich die Schule mit mehreren Angestellten und Honorarkräften; das Didactica-Institut hat seinen Namen behalten und befindet sich auf dem Münsterplatz, neben dem Münster mit dem höchsten Kirchturm der Welt“, freut sich Monika Barth. „Aber mein größtes Glück geschah am 6. Februar 1994, als meine Tochter Denise zur Welt kam. Witzigerweise studiert sie jetzt in Temeswar. ‚Back to the roots - Zurück zu den Wurzeln‘“, lacht die stolze Mutter. Ich verabschiede mich, denn es ist der vorletzte Abend vor der Abreise, den sie mit ihrer Tochter zusammen verbringen kann.