Auf der Suche nach einem ungarischen König im Banat

Archäologen auf der Spur eines Königsgrabes bei Egresch

Die kleine, unbedeutende Ortschaft Egresch/Igriş aus dem Kreis Temesch, 65 Kilometer nordwestlich von Temeswar/Timişoara, etwa 10 Kilometer von Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, hart an der Grenze zwischen den Kreisen Temesch/Timiş und Arad, könnte bald zu einer richtigen archäologischen Sensation und, warum nicht, zu einer internationalen touristischen Attraktion werden. Bekannt und höchstens von Naturliebhabern besucht, ist das zu der ehemaligen deutschen Gemeinde Großsanktpeter/Sânpetru Mare gehörende Dörfchen mit nur etwa 1200 Einwohnern heute nur wegen des naheliegenden Naturschutzreservats, der Inselgruppe Egresch. Doch auf dem Gelände der ehemaligen Zisterzienserabtei Egresch aus dem 12. Jahrhundert, am rechten Maroschufer, soll ein wahrer archäologischer und geschichtlicher Schatz schlummern, bzw. das Grab des ungarischen Königs Andreas II. und dessen Gattin, der Königin Yolanda.

Die schöne Mission, aber auch schwierige Aufgabe, mittels gründlichen Ausgrabungen die Abtei wie auch dieses Königsgrab zu finden und freizulegen, hat sich ein ungarisch-rumänisches Forscherteam, bestehend aus Forschern von der Universität Budapest und Archäologen vom Banater Museum, gestellt. Leiter dieses Forschungsprojekts ist Dr. Major Balazs von der Uni Budapest. Durch erste, vor einem Jahr durchgeführte Messungen mittels moderner Messtechnik, Skizzen und Landkarten wurden Reste der Abteimauern und -gebäude entdeckt. Laut Dan Leopold Ciobotariu, Forscher am Banater Museum, ergibt dieses Gelände ein weiträumiges Forschungsterrain, da die 1179 gegründete ehemalige Abtei aus einem ausgedehnten Gebäudekomplex mit Kirche, Bibliothek, Schlafräumen, Werkstätten und gar Getreidemühle bestand. Die ersten Ausgrabungen sollen schon im laufenden Frühjahr gestartet werden.

Dokumentarisch belegt ist u. a. Folgendes über den ungarischen König, der im Banat seine letzte Ruhestätte haben soll: Andreas oder Andras II. von Ungarn (geb.1177, gest.1235 in Ofen, begraben in Egresch) stammte aus dem Geschlecht der Arpaden und war 1205-1235 König von Ungarn. 1211 rief er den deutschen Ritterorden in den Osten des Landes (Burzenland), der ihn im Kampf gegen die Kumanen unterstützen sollte. Wegen der Machtbestrebungen des Ordens zwang Andreas diesen 1225, das Land zu verlassen. 1213 wurde seine Gattin Gertrud von Meran durch einen Adelsaufstand ermordet. Andreas II. beteiligte sich 1217 am 5. Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems. Es brachte ihm zu Hause den Beinamen „Der Jerusalemer“ ein. Nach erfolglosen Schlachten verließ er schon 1218 den Kreuzzug und kehrte heim.

Die Zisterzienserabtei Egresch (die Zisterzienser waren 800 Jahre im Pannonischen Raum) wurde von Ana von Chatillon, Gattin des ungarischen Königs Bela III., als Tochterkloster der Abtei von Pontigny (Frankreich) 1179 gegründet. Die von französischen Mönchen bewohnte Abtei – als Tochterklöster wurden zwei weitere in Kerz/Cârţa in Südsiebenbürgen (die Ruinen sind noch zu sehen) und in Verteskeresztur (Ungarn) gegründet – soll die erste Bibliothek auf dem heutigen Gebiet Rumäniens gehabt haben. König Andreas II. hat testamentarisch hinterlassen, in der Abtei Egresch neben seiner zweiten Gattin Yolanda beigesetzt zu werden, sein Herz sollte in die Bischofskathedrale von Großwardein/Oradea gelangen, was 1235 auch geschah. 1241 wurde die befestigte Abtei von den Tataren zerstört, darauf wurde diese durch Königserlass wieder aufgebaut. 1357 gab es in der Bastei noch sechs Mönche. In der Zeit der Türkenherrschaft nach 1551 wurde die Abtei erneut zu einer Ruine. Anfang des 19. Jahrhunderts hat man auf den Ruinen der ehemaligen Abtei das neue Rathaus und die orthodoxe Kirche – wie es heißt, zum Teil mit Baumaterial von der alten Abtei – errichtet.

Die Ortschaft Egresch, zum Großteil von Serben bewohnt, hatte eine wechselhafte Geschichte. Sie war im 17. Jahrhundert entvölkert und dem Verfall überlassen. 1740-1750 wurden deutsche Ansiedler, aber auch Rumänen angesiedelt. 1921 wurde der Ort von rumänischen Ansiedlern aus verschiedenen Landesteilen, die hier durch die Bodenreform Grund zugeteilt bekamen, belegt. Bewohner deutscher Herkunft (den Großteil gab es in der Gemeinde Großsanktpeter) hat es in Egresch jedoch auch nach der Wende 1989 noch einige Jahre gegeben. Petru Cristea, Geschichtslehrer in Egresch und Verwalter des lokalen Dorfmuseums, spricht seinen Landsleuten aus dem Herzen, wenn er sich von den baldigen Ausgrabungen endlich einen touristischen aber auch einen wirtschaftlichen Aufschwung für das seit Jahren isolierte und verarmte Dorf erhofft. „Wir haben hier wertvolle Spuren aus dem Jahr 1200, die in der ganzen Ortschaft, am Dorfrand, auf den Straßen und in den Höfen der Egrescher verstreut und unbeachtet herumliegen. Nach meiner Meinung ist es für unsere kleine Gemeinschaft die letzte Chance, diese unverdiente geschichtliche Anonymität zu überwinden!“