Aus Liebe zu Wurst und Schinken

Wolfgang Sauer stellt Wurstspezialitäten in Lugosch her

Diplommetzger Wolfgang Sauer entstammt einer traditionellen bayerischen Fleischerfamilie.

Ehefrau Ophelia muss sein Augenlicht ersetzen. Wenn sie mal nicht da ist, wird ihm die Zeitung von einer besonderen Maschine vorgelesen.

Auch wenn er seit einigen Jahren nur noch wie durch Nebel sieht, gab Wolfgang Sauer seine Leidenschaft, Wurstspezialitäten herzustellen, nicht auf.

Seit vier Jahren beteiligt sich Familie Sauer an der „Banater Worschtkostprob“. Ihre Würste wurden immer wieder bei den Blindverkostungen der Jury mit Preisen bedacht.
Fotos: Zoltán Pázmány

Heißhungrig abgebissen, aufs Brot gelegt oder geschmiert, mit Käse oder Zwiebeln dazu oder einfach so: Wurst und Schinken und allerlei an Schweinefleischprodukten werden vor allem in der Weihnachtszeit begehrt und verzehrt. Weltmeister im Verzehr sind mit über 30 Kilogramm Wurst pro Kopf und Jahr die Deutschen. Die Rumänen lassen auch nicht locker. Wenn zu Weihnachten kein Schweinebraten und keine Wurst auf den Tisch gestellt werden, dann kann man die Feier nicht so richtig genießen. Auch der Wahlrumäne Wolfgang Sauer liebt Wurst und Schinken über alles - er bereitet Jahr für Jahr zahlreiche hausgemachte Wurstsorten zu: Bratwurst, Hausmacher Presskopf, Leberwurst, Blutwurst, Speckwurst und Paprika-Speckwurst, Kochsalami, Schinken, Bauernspeck, Kaiserfleisch, Griebenschmalz, Grammeln. Wem nun das Wasser im Mund zusammenläuft, darf wissen, dass seine Produkte bei der nächsten „Banater Worschtkostprob“ verkostet werden können.

Wolfgang Sauer ist in Deutschland geboren, lebt aber schon seit zehn Jahren mit seiner rumäniendeutschen Frau Ophelia in der westrumänischen Stadt Lugosch/ Lugoj. Eine Rente ohne Sorgen im rückerstatteten Elternhaus stellte sich Ophelia Sauer vor, als sie 2004 die Entscheidung traf, mit ihrem Mann nach Rumänien zurückzukehren. „Nur einige Male im Jahr noch nach Deutschland und in die Schweiz zu Besuch fahren, ansonsten vollzeitig in Rumänien zu leben“, so beschreibt sie ihre damaligen Vorstellungen. Das Ehepaar richtet sich auch das ehemalige Elternhaus in Lugosch gemütlich ein: Ein Blumengarten zur Entspannung und eine Katze durften in ihrem Bild eines sorglosen Lebens nicht fehlen. Zur perfekten Abrundung dieses Traums war für die Familie auch noch die Eröffnung einer kleinen Metzgerei eingeplant. „Die Idee hat aber nie eine konkrete Form gehabt. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, mit einem lokalen Metzger zusammenzuarbeiten und dabei traditionelle deutsch-schweizerische Wurstwaren herzustellen“, erzählt Wolfgang Sauer.

Doch dann wurden alle Pläne und Vorstellungen durcheinander gebracht. Denn das sorglose Leben in Lugosch, worauf sie sich so lange seelisch vorbereitet hatten, dauerte für Familie Sauer bloß zwei Jahre. 2006 war es, als Wolfgang Sauer erfahren musste, dass er an einer Augenkrankheit namens Makuladegeneration leidet. Die Krankheit betrifft den Punkt des schärfsten Sehens, den „Gelben Fleck“ auf der Netzhaut, und geht mit einem allmählichen Funktionsverlust der dort befindlichen Gewebe einher. Seit einigen Jahren sieht der 71-Jährige alles nur noch wie durch Nebel. Die Gegenstände im Haus müssen immer am gleichen Ort zu finden sein, nichts wird umgestellt. Den Weg durchs Haus, durch den Garten und den Hof kann Wolfgang Sauer nur aus seinem Gedächtnis abrufen und ihn Schritt für Schritt nachgehen.

Wolfgang Sauer ist Diplomfleischer. Von seinen Würsten und Fleischwaren wollen all seine Freunde und Bekannten ein Stückchen haben und bei der „Banater Worschtkostprob“ werden auch immer die Teller leer, wenn der ausgebildete Metzger seine Würste zur Verkostung bereitstellt. Dass er seit mehr als acht Jahren nur noch wie im Nebel sieht, hat ihn nicht aufgehalten, seine besonderen Spezialitäten zuzubereiten. Genauso, wie er alle Details im Haus aus der Erinnerung weiß, so kennt er auch jedes Detail und jede Zutat für seine Fleischwaren auswendig. Und wie könnte er sie vergessen? Wolfgang Sauer bereitet Würste schon seit seiner Kindheit zu, denn er ist im bayerischen Aschaffenburg in einer Metzgerfamilie mit Tradition aufgewachsen. „Meine Eltern hatten damals ein Geschäft mit zehn Filialen“, erzählt der Mann. Dass er später auch Diplommetzger wurde, war wohl selbstverständlich, fügt er hinzu.

Wolfgang Sauer sieht durch die Augen seiner Frau

Seitdem sein Sehsinn beeinträchtigt ist, hilft ihm Ehefrau Ophelia, seine begehrten und mehrmals ausgezeichneten Würste herzustellen. „Mit der Wage wiege ich jede Zutat – Fleisch, Gewürz und Speck“, erzählt Ophelia Sauer. Kosten? Die Zunge täuscht, sagen die Metzger. Sie bleibt an der Seite ihres Mannes und ist für ihn sein Augenlicht. Ob Bauernschinken, Fleischkäs, Hausmacher Presskopf oder Blutwurst – diese Spezialitäten dürfen nicht fehlen am Tisch der Familie Sauer. All diese gehören zu den Produkten, die die Familie jeden Winter zusammenstellt. „Schweine zu schlachten ist selbstverständlich“, sagt Wolfgang Sauer. Er bereitet seine Produkte in unveränderter Qualität zu, ohne jemals am Rezept zu basteln. „Das Geheimnis ist, alles immer gleich abzuwiegen, damit die Wurst auch immer gleich schmeckt“, verrät Metzgermeister Sauer. „Das Fleisch kommt immer vom Land, von Schweinen, die die Bauern gezüchtet haben“, fügt er hinzu.

Wolfgang Sauer hat sein Fleischerdiplom 1966 von der Handwerkskammer Frankfurt am Main erhalten. 1975 zog er  dann in die Schweiz. Der größte Konzern aus der Schweiz, Migros, suchte damals einen Diplommetzger. Für Wolfgang genau die richtige Herausforderung. Auch bei einer Wurstverkostung, organisiert von der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft (DLG), machte Wolfgang Sauer mit. Er wurde als Metzgermeister sowohl 1977 als auch 1978 von der DLG bewertet. Eine besondere Aufmerksamkeit bot ihm 1980 die Migros-Ladenkette aus der Schweiz: Der Konzern wollte damals das Patent für das Rezept seiner Speckwurst kaufen. Wolfgang Sauer aber hat das Angebot abgelehnt. Trotzdem arbeitete er für Migros bis zur Rente.
 
Würste bei der „Worschtkostprob“ ausgezeichnet

Die eigentliche Zubereitung von Würsten erfordert seine Aufmerksamkeit bloß für kurze Zeit. Dann folgt das lange Warten auf die Räucherphase der Würste, in der selbst eingerichteten Räucherkammer im Hof. Danach kommt endlich das Vergnügen: „Alle meine Freunde wollen meine Würste verkosten“, freut sich der Metzger lächelnd. Und viele ADZ/BZ-Leser hatten schon, auch ohne es direkt zu wissen, diese Gelegenheit gehabt. Denn Metzgermeister Sauer stellt seine Würste seit mehreren Jahren bei der „Banater Worschtkostprob“ (WKP) auf den Tisch. Bei der Wurstverkostung, die von der Redaktion der Banater Zeitung veranstaltet wird, macht die Familie seit 2011 mit. „Wir haben immer darüber in der Zeitung gelesen, dachten aber nicht daran, mitzumachen. Unser Bekanntenkreis hat aber gemeint, wir müssen einfach hingehen“, erzählt Ophelia Sauer. Schon bei der ersten Beteiligung gingen die Sauers nicht mit leeren Händen nach Hause. Paprika-Speckwurst und Kümmel-Mettwurst legte die Familie zur Verkostung auf den Tisch. Die Jury hat probiert und entschieden: Zweiter Preis für die Wurst mit Kümmel und Sonderpreis für die Paprika-Speckwurst. „Das Rezept der Paprikawurst habe ich von meinem Vater übernommen“, sagt Fleischer Sauer stolz.

Auch im vergangenen Jahr war Familie Sauer in Sanktanna/Sântana im Kreis Arad bei der WKP dabei und hat einen Sonderpreis erhalten. „Nächstes Mal sind wir bestimmt wieder mit von der Partie“, sagt die Lugoscherin. Die Wortschtkostprob wird immer am letzten Donnerstag im Januar veranstaltet.  Dass Wolfgang Sauer seine Rezepte irgendwann sogar mal verraten wird, das schließt er nicht aus.