Ausgrabungen bringen Stadtgeschichte ans Licht

Historische Funde verzögern erheblich die Sanierungsarbeiten an den Temeswarer Plätzen

Die alte Moschee und die Jesuitenkirche befanden sich aufeinanderfolgend im selben Gebäude – nun wurden ihre Mauern ans Licht gebracht.

Ein neu ausgegrabenes Skelett beweist die Existenz einer alten türkischen Nekropole in der Nähe des Sankt-Georgs-Platzes.
Fotos: Zoltán Pázmány

Die Sanierungsarbeiten in der Temeswarer Innenstadt haben seit kurzer Zeit begonnen. Zuerst sollen der Sankt-Georgs- und der Freiheits- oder Paradeplatz neu hergerichtet werden, dann die unmittelbar angrenzenden Straßen rund herum und der Domplatz. Kurz nach dem Start der Arbeiten kam infolge der Aushubarbeiten am Sankt-Georgs-Platz auch ein Stück verborgener Geschichte ans Licht: Das Fundament und ein Teil der Mauern einer alten mittelalterlichen Kirche wurden gefunden. So wurde kurz darauf auch die erste archäologische Grabungsstätte der künftigen Fußgängerzone in der Innenstadt von Temeswar/Timişoara eröffnet.

Die Sanierung musste somit auf Eis gelegt werden und die Archäologen begannen ihre Arbeit. Kurz darauf fanden sie auch einige Skelette. Diese sind Bestandteil einer ehemaligen türkischen Nekropole. Ans Licht kam auch ein Teil der alten Moschee des siegreichen Sultans, aber auch Mauern der Jesuitenkirche und eines Turms, der 1754 errichtet wurde. Die Archäologen graben auch an einem Teil einer massiven Konstruktion, deren Funktion für sie noch unbekannt ist. Möglicherweise soll diese eine Kriegskasematte gewesen sein. Die Archäologen wollen die Beziehung zwischen dem türkischen Friedhof und der Moschee sowie das Straßennetz zur Zeit der Türken erforschen. Man möchte aber auch erforschen, ob hier auch ein christlicher Friedhof existiert hat.

Die Geschichte des Gebäudes, das hier, am heutigen Sankt-Georgs-Platz, stand, ist sehr komplex. Die Mauern, die nun ausgegraben wurden, gehören eigentlich zur ältesten Kirche der Stadt. Diese soll im 15. Jahrhundert, zu Zeiten der mittelalterlichen Burg von Temeswar, gebaut worden sein. Die Kirche wurde während der Zeit der türkischen Besetzung, nach 1552, in eine Moschee umgewandelt. Diese wurde auch in der aufschlussreichen Reisebeschreibung des türkischen Reisenden Evlia Celebi 1660 erwähnt, später dann von Heinrich Ottendorf 1667 als Moschee des siegreichen Sultans bestätigt. Nach der Rückeroberung der Stadt durch die Habsburger unter Prinz Eugen von Savoyen wurde die Kirche von den Jesuiten übernommen. Kurz vorher wird das Gebäude als Pulverlager erwähnt. Die Kirche wurde mehrmals saniert und neu eingerichtet, sodass sie im Laufe der Jahre ein barockes Aussehen bekam. Schutzpatron der Kirche war Sankt Georg. Im Laufe der Zeit war die Kirche auch Missionshaus der Jesuiten und ein Jesuitenseminar wurde neben der Kirche gebaut. Der Sakralbau wurde jedoch 1914 abgerissen, um die Stadt modernisieren zu können.

Dass hier also das Fundament der alten Sankt-Georgs-Kirche zu finden sei, das wussten die Archäologen schon im Vorhinein. Auch vor etwa sechs Jahren, als die Straßenbahngleise in unmittelbarer Nähe des Sankt-Georgs-Platzes ersetzt wurden, fand man hier mehrere menschliche Skelette, die zu der türkischen Nekropole gehörten. Viele Temeswarer kritisierten deshalb, dass die Sanierung unterbrochen und nun hier eine archäologische Baustelle eröffnet wurde. Denn all das verspätet umso mehr die Restaurierung des Platzes und verlängert das Verkehrschaos in der Innenstadt, das wegen der Sanierungsarbeiten hervorgerufen wird. Trotzdem befolgen die Behörden die EU-konforme Gesetzgebung bezüglich des archäologisch zu sichernden Kulturerbes. Auf dem Spiel steht nämlich die EU-Finanzierung für die Sanierung des Platzes. Die Arbeiten müssen bis spätestens 2015 beendigt werden.

Auch am Temeswarer Freiheitsplatz wurden vor Kurzem wichtige historische Funde ausgegraben. Die Arbeiter entdeckten bei ihren Grabungen einen Pflasterweg aus dem 18. Jahrhundert, die Mauern eines alten mittelalterlichen Hauses, zwei Kanonenkugeln und zahlreiche Keramikteile. Auch hier wurde eine Grabungsstätte eröffnet. Die Arbeiter und Archäologen machen aber ihre Grabungen Seite an Seite.
Laut Archäologen ist der Pflasterweg vor dem Militärkasino am Freiheitsplatz 300 Jahre alt. In der Nähe der Nepomuksäule, die sich in der Mitte des Freiheitsplatzes befindet, wurde das Fundament eines weiteren mittelalterlichen Gebäudes entdeckt. „Es gibt nur wenige archäologische Informationen über dieses Gebiet vor dem Jahr 1848. Dies ist nun eine einzigartige Chance, wichtige Details über die Vergangenheit von Temeswar zu erfahren“, sagt Dorel Micle, Leiter der Grabungsstätte.

Vor Kurzem wurde auch beim Bau des fünften Bürogebäudes beim City Business Center am 700er Marktplatz eine wichtige Ausgrabung gemacht. Eine mittelalterliche Schleuse der alten Burg wurde entdeckt. Das Kulturministerium gab seine Genehmigung, die Schleuse an einen kleinen Platz zwischen den Bürogebäuden zu verlagern. Dies sorgte auch für einen Streit, denn einige Stadtväter und Temeswarer Historiker waren der Meinung, dass der Zustand dieser Funde somit beschädigt wird und dass die Mauer mit Schleuse weiterhin an ihrer ursprünglichen Stelle erhalten bleiben soll.