Ausländischer Protektor der bedürftigen Menschen

ADZ-Gespräch mit Jakob Kripp, Botschafter des Souveränen Malteserordens in Rumänien

Quer über fünf Kontinente arbeitet der Malteserorden, damit das Leiden der Menschen gelindert wird. Zugunsten der älteren, der alleinstehenden, der obdachlosen, der benachteiligten und der behinderten Menschen ist der Orden seit neun Jahrhunderten tätig. Das Grundprinzip ist einfach: Sorge um diejenigen, die in Not sind, egal wo sie herkommen, egal, wer sie sind. Über seine Aufgabe im Rahmen des Ordens und seine Aktivitäten hierzulande sprach Jakob Kripp, Botschafter des Souveränen Malteserordens in Rumänien, mit ADZ-Redakteurin Aida Ivan.

Herr Botschafter Kripp, wie war der Anfang des Souveränen Malteserordens in Rumänien?

Der Orden war sehr lange aktiv auf dem heutigen rumänischen Territorium, hauptsächlich in Siebenbürgen – damals Österreich-Ungarn. Es ist eine ganz alte Institution, gegründet vor über 900 Jahren, mit sehr vielen Mitgliedern weltweit. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es 1932/1933 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Souveränen Malteserorden und dem Staat Rumänien. Wir haben voriges Jahr 80 Jahre diplomatische Beziehungen feiern können. In den 30er Jahren wurde eine Assoziation in Rumänien gegründet – es war damals schon die erste Ordensvereinigung, wo auch orthodoxe Menschen Mitglieder werden konnten. Die Bezeichnungen für die Mitglieder des Ordens sind Ritter und Damen. Auch heute noch gibt es ein paar orthodoxe Mitglieder. Das ist eine Sondersituation in Rumänien.

Ist das die einzige Ausnahme?

Ja, das kann man sagen. Im Rahmen des Ordens ist das die einzige Einrichtung, die das damals ermöglicht hat. Nach Installierung des kommunistischen Systems war der Orden hier verboten. Er wurde als eine katholische, religiöse Einrichtung streng verboten und verfolgt. Im Jahre 1948 wurde die Botschaft geschlossen und erst 1990 wurden die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen und die Ordensvereinigung neu gegründet. Im Moment gibt es keine Möglichkeit mehr für die Neuaufnahme von Vollmitgliedern orthodoxen Glaubens, aber es gibt eine Art Freundeskreis des Malteserordens mit orthodoxen Mitgliedern.

Auch ziemlich bald nach der Wende wurde neben Botschaft und Assoziation die dritte Einrichtung des Ordens in Rumänien gegründet, nämlich der Malteser Hilfsdienst. Das ist eine Organisation des Souveränen Malteserordens. Es gibt von diesem Malteser Hilfsdienst Niederlassungen in über 100 Ländern in der ganzen Welt, mit insgesamt 25.000 Angestellten und über 80.000 freiwilligen Mitarbeitern. Das ist sozusagen der aktive Arm des Ordens, unter dem Ordens-Motto „Verteidigung des Glaubens und Unterstützung für die Bedürftigen“.

Dieser Zweig des Ordens ist nicht auf Katholiken beschränkt. Wir helfen hier allen bedürftigen Menschen, egal wo sie herkommen, egal welche politische Richtung, welche Glaubenszugehörigkeit sie haben. Das ist immer so gewesen, diese Hospitaltätigkeit des Ordens war der Hauptzweck seit der Gründung. Der Orden wurde im 11. Jahrhundert für die Betreuung eines Spitals in Jerusalem gegründet. Damals hat der Orden nicht nur christlichen Pilgern geholfen, sondern allen, die dort gelebt haben. So ist es auch geblieben – das ist wirklich etwas sehr Schönes und zeigt, dass der Mensch im Vordergrund steht. Das ist auch in Rumänien soweit gelungen, im Aufbau in den letzten 20 Jahren. Wir haben in Rumänien 70 Mitarbeiter und über 1000 Freiwillige – Orthodoxe, Katholiken, Protestanten, Calvinisten. Jedes Jahr werden über 100 Programme vom Orden für über 4000 Begünstigte im ganzen Land geführt. Dabei geht es um alte Menschen, Jugendliche, Behinderte oder sonstige soziale Gruppen, wo Hilfe gebraucht wird.

Wie hat sich die Beziehung zu Rumänien entwickelt?

Der Malteser Hilfsdienst Rumänien wurde von Deutschland aus gegründet, dort sitzt die Zentrale des Malteser Hilfsdienstes. Die Zentrale in Köln bietet fachliche und finanzielle Unterstützung und ist für den Hilfsdienst in Rumänien ganz wichtig. Die Spender und Berater aus Deutschland spielen eine erhebliche Rolle. Der Sitz in Rumänien ist in Klausenburg, die römisch-katholische Bevölkerung lebt ja überwiegend in Siebenbürgen und da war am Anfang der Schwerpunkt. Das Netz ist dichter in Siebenbürgen. Dort werden alle Bevölkerungsgruppen – Rumänen, Ungarn, Roma – betreut oder sind als Freiwillige tätig für den Hilfsdienst. Ordensritter, also Mitglieder der Assoziation des Ordens, sind rund 20 in Rumänien – in etwa zu gleichen Teilen Rumänen und Ungarn, daneben auch Ausländer, die in Rumänien leben: Schweizer, Franzosen, andere, die eine längere Beziehung zu Rumänien haben.

Welche Rolle haben Sie?

Ich bin nicht Ritter des Ordens. Ich bin als Botschafter hier, Vermittler zwischen der Regierung in Rom, wo der Souveräne Rat des Ordens sitzt, und der Assoziation des Ordens und dem Malteser Hilfsdienst in Rumänien. Im Sinne klassischer Diplomatie bin ich Vermittler zwischen der Regierung des Ordens und der rumänischen Regierung und öffentlichen Stellen – dort, wo der Malteser Hilfsdienst Projekte entwickelt und wo es Partnerschaften mit den lokalen Einrichtungen gibt.

Welche Rolle haben die Ritter?

Die Ritter unterstützen alles, was der Orden macht, sie sind im Dienst der bedürftigen Menschen. Ritter sind verpflichtet, ihre Zeit und, wenn sie können, finanzielle Unterstützung für solche Projekte des Hilfsdienstes zu geben. Sie sind involviert in Projekte. Es gibt diverse Veranstaltungen mit Vertretern der Kirche, es gibt auch einen Ordenskaplan, der hier in Bukarest sitzt. Eine besonders wichtige Komponente ist die spirituelle Seite, der christliche Glaube. Es gibt jedes Jahr einen Pilgerzug nach Lourdes. Das ist eine Tradition seit vielen Jahrzehnten für Bedürftige, Behinderte, Kranke, die vom Malteser Hilfsdienst betreut und begleitet werden, aber auch von den Malteser Rittern, die sich selber um die Kranken kümmern.
Die Bedürftigen sind eigentlich die Herren und die Ritter sind die Diener dieser bedürftigen Menschen – das ist das Konzept. In der katholischen Kirche ist es auch so – die Priester sind die Diener, sie sollen den Menschen helfen, den Glauben zu finden. Papst Franziskus betont immer, er ist der Diener, und er sieht sich nicht als Übergeordneter. Das ist eigentlich die Aufgabe von uns Christen, da ist der Orden ein sehr gutes Beispiel dafür.

Wie viele Vertretungen des Ordens gibt es in der Welt?

Diplomatische Beziehungen gibt es zu über 100 Ländern auf der ganzen Welt. Jedes dieser Länder hat einen Botschafter in Rom bei dem Orden. Es gibt einen rumänischen Botschafter beim Orden in Rom. Er ist zuständig für die Kontakte Rumäniens zum Orden. Das ist in über 100 Ländern weltweit der Fall. Und Ordensvereine gibt es in rund hundert Ländern, die Hilfsdienste sind in 120 Ländern tätig. Es ist ein weltweites Netz, insgesamt hat der Orden über 13.000 Ritter und Damen, 25.000 Angestellte und über 80.000 Freiwillige.

In wie vielen Städten wirkt der Malteserorden in Rumänien?

In Rumänien gibt es 16 Niederlassungen des Malteser Hilfsdiensts. In Bukarest zum Beispiel ist die Hauptaktivität „Essen auf Rädern“ für alte Personen. Älteren Menschen, die wegen Behinderung oder Krankheit nicht aus dem Haus können, die finanziell bedürftig sind, wird Essen von den Freiwilligen des Ordens nach Hause gebracht. Das zweite Projekt ist ein Kinderbetreuungsprogramm, eine Art After-School: Kinder werden in einer Schule hier in Bukarest, im ersten Bezirk, betreut.

Wie werden diese Bedürfnisse identifiziert?

Über die Freiwilligen. Es gibt in den Orten jeweils einen lokalen Verein des Malteser Hilfsdienstes, dessen Mitglieder eben der Zentrale melden, wo es Bedarf gibt, und fragen, ob es eine Möglichkeit wäre, etwas zu machen. Zum Beispiel in Sfântu Gheorghe gibt es ein Obdachlosenheim der Stadtverwaltung. Hier war die Stadtverwaltung auf der Suche nach einem anderen Betreiber, da sie es nicht mehr selber führen wollte. Wir haben überlegt, ob wir das machen können, wir haben das mit der Zentrale in Klausenburg analysiert und es wurde übernommen. So entstehen diese einzelnen Projekte. Es gibt Projekte, die in Krisensituationen entstehen: Vor ein paar Jahren war ein Hochwasser in der Moldau. Da hat man die Freiwilligen aus dem ganzen Land organisiert und hin geführt – sie haben geholfen und den Menschen Kleidung, Nahrung gebracht. Als es damals viel Schnee in der Moldau gab, da haben sie auch geholfen. Solche Katastropheneinsätze werden ad hoc koordiniert und geführt.

Finanzielle Unterstützung gibt es seitens Rumäniens?

Es gibt die Möglichkeit hier in Rumänien, die zwei Prozent in der Steuererklärung für den Malteser Hilfsdienst zu geben. Es kommen weitere Spenden aus dem Ausland, da gibt es Organisationen in Deutschland, private Spender, die aufgrund persönlicher Beziehungen zu Rumänien für einzelne Projekte spenden. Jeder kann helfen.

Staatliche Beiträge decken etwa 20 Prozent des Gesamtbudgets. Dabei geht es um Abgeltungen für spezialisierte soziale Leistungen, die wir erbringen. Der Malteser Hilfsdienst betreibt zum Beispiel ein Altersheim in Temeswar. Da gibt es einen bestimmten Tagessatz vom Arbeitsministerium für jeden Bewohner. Das betrifft auch andere Projekte, zum Beispiel einen Kindergarten für behinderte Kinder in Klausenburg. Es gibt Tagessätze pro Kind. Die Tagessätze decken nie die vollen Kosten ab. Dieser Kindergarten für neuromotorisch behinderte Kinder ist wirklich etwas Einmaliges. So etwas gibt es in Rumänien ganz wenig und der Bedarf wäre viel größer. Man sieht, wie schwerstbehinderte Kinder, die ohne irgendwas Selbstständiges machen zu können, nach zwei-drei Jahren doch so weit selbstständig sind, dass sie normale Schulen besuchen können.

Vor ein paar Jahren wurde das Ferienlager in Micfal²u, in Siebenbürgen, begonnen. Dort fand kürzlich ein sehr großes Treffen statt, von behinderten Menschen, die von jugendlichen Freiwilligen des Malteser Hilfsdienstes betreut werden – rund 50 Behinderte und 50 Freiwillige waren dort. Das läuft den Sommer über dort. Es hat einen ganz hohen Wert nicht nur für Behinderte, sondern auch für die Freiwilligen, die da etwas zurückbekommen: Der Dank der Behinderten, der Kranken, denen sie dort helfen, ist ein unglaubliches Geschenk. Es ist ein ganz schönes Erlebnis für diese Jugendlichen.

Welche Pläne gibt es für die Zukunft?

Das Projekt „Essen auf Rädern“ wird in diversen Ortschaften noch ausgebaut. Das möchten wir in Bukarest noch erweitern. Im Herbst wollen wir den Kontakt zu den Jugendlichen nehmen und ihnen es schmackhaft machen, als Freiwillige mitzuhelfen. Es geht um das Programm in den Schulen, „Şcoala altfel“, wo Schüler ein paar Tage etwas anderes, zum Beispiel Erste-Hilfe-Kurse oder  Behinderten-Betreuung machen.

In Rumänien gibt es also drei verschiedene Einrichtungen des Ordens. Diese sind die Botschaft, die Assoziation und der Hilfsdienst. Welche Rolle hat jede Institution?

Die Kerntätigkeit ist der Malteser Hilfsdienst, wo die 70 Angestellten die über 1000 Freiwilligen und die Projekte führen. Die Assoziation unterstützt mit eigener Arbeit und auch finanziell diese Projekte. Mitarbeiter des Hilfsdiensts betreuen die bedürftigen Menschen. Die Botschaft unterstützt den Malteser Hilfsdienst und interveniert da, wo Hilfe gebraucht wird, kontaktiert die Regierung in Rom, wenn fachliche Unterstützung bedürftig ist. Zum Beispiel ein Projektvorschlag für Demenzkranke: An die Zentrale wird die Frage geschickt, welche ähnliche Einrichtungen es innerhalb des Ordens in der Welt noch gibt. Dann kommt eine Antwort aus Schweden, England oder sonst woher, um Unterstützung zu bieten. Das ist die Kooperation zwischen den drei Einrichtungen. Man trifft sich natürlich regelmäßig. Im Vorstand vom Malteser Dienst in Rumänien sitzen auch Mitglieder des Ordens, da gibt es einen Vertreter der Assoziation. Die Kommunikation ist eng und sehr wichtig zwischen diesen Einrichtungen.

Die letzte Frage bezieht sich auf Sie: Sie sind Österreicher, besitzen ein Weingut in Rumänien und sind mit der Enkelin einer Prinzessin verheiratet. Wie viel Zeit verbringen Sie eigentlich in Rumänien und wie ist Ihr Leben hier?

Meine persönliche Geschichte in Rumänien hat begonnen, als ich meine jetzige Frau in Deutschland kennengelernt habe. Wir haben 1997 geheiratet. Ich habe vorgeschlagen, unsere Hochzeitsreise nach Rumänien zu machen. Für sie war es zum ersten Mal nach 28 Jahren, her zurückzukommen. Sie ist 1969 aus dem Land geflüchtet. Sie hat sich natürlich gefreut, alte Bekannte und Freunde wiederzutreffen, die Geschichte der Familie wiederzuentdecken, und dann auch über das Restitutionsverfahren dieses Weingut für die Familie zurückzubekommen. Das führen wir jetzt gemeinsam seit zehn Jahren und wir sind hier fast die Hälfte unserer Zeit.
Zum Malteser Orden in Rumänien hatte ich schon sehr früh Kontakte.

Mein Vorgänger, Botschafter Franz Alfred Graf von Hartig, hat bei uns in Bukarest in Untermiete gewohnt. Er hat mir immer wieder von Tätigkeiten erzählt, die mich sehr beeindruckt haben. Er hat mich voriges Jahr gefragt, ob ich bereit wäre, diese Funktion zu übernehmen. Ich habe gleich ja gesagt, denn es bietet mir die Möglichkeit, Menschen zu unterstützen. Meine Tätigkeit ist ehrenamtlich, als Freiwilliger, und das mache ich sehr gerne.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen.