Bedrohlicher Westen oder rotes Herz?

Präsident Klaus Johannis hat das Rentengesuch des Chefanklägers Augustin Lazăr unterzeichnet. Damit ist der Schatten aus Lazărs Vergangenheit obsolet geworden, sein Agieren als junger Staatsanwalt im Gefängnis für politische Häftlinge Aiud/Straßburg am Mieresch. Die öffentliche Ethikdiskussion, wie lange und ob überhaupt einem Menschen seine Vergangenheit angesichts positiven Verhaltens und Einstellungen in der Gegenwart zum Vorwurf gemacht werden kann, ist unterbrochen worden.


Mit dem Rentengesuch hat sich „der zweite Lazăr” (Andrei Cornea) selbst aus der Schusslinie gezogen. Die Moraldiskussion sollte vertieft werden, auch angesichts der letzten großen Rehabilitationsgeste dessen, dem man seine Vergangenheit zum Fallstrick für ein neues Mandat machen wollte (zweierlei Maß auch in diesem Fall: auch Justizminister Tudorel Toader war kommunistischer Staatsanwalt...): die Überweisung der Untersuchungsakte der 1989er Revolution an die Gerichte. Lazărs couragierter Einsatz für die Oberste Antikorruptionsstaatsanwältin Laura Kövesi bleibt in bester Erinnerung. Man darf davon ausgehen, dass der Mann heute tatsächlich an das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz und an den Rechtsstaat glaubt. Zum Unterschied von denen, die ihn jagen, vor allem: vom kürzlich geschassten Justizminister Toader (der in Wirklichkeit Platz machen muss für einen noch Verachtenswerteren, ein williges, prekär ausgebildetes und primitiv agierendes Werkzeug politischer Spitzen – sofern Präsident Johannis nicht standhaft dagegenhält).


Dafür, dass das Anklagedossier der Revolution nur drei Namen enthält, dass keine Institution auf die Anklagebank kommt – nicht einmal der politische Geheimdienst Securitate oder der ominöse Militärrat, der Schießbefehl gab – und dass 30 Jahre nach dem Dezember 1989 unter den reichsten und einflussreichsten Bürgern Rumäniens mehrere frei herumlaufen, die damals an den Schalthebeln der Macht und des Chaos saßen, dafür kann der nun pensionierte Chefankläger nichts. Institutionen werden in Rumänien gesetzlich vor solcherlei Anklagen geschützt, viele der Verbrechen sind verjährt, die Verbrecher tot (man bedenke: von den 30 ehemaligen Kommandanten von Gefängnissen für politische Häftlinge, wo gefoltert, erpresst und getötet wurde, sind bisher nur zwei verurteilt worden). Nicht verjährt sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit (und das dank Justizministerin Monica Macovei...), und deren angeklagt sind drei Verdächtige: Ex-Präsident Ion Iliescu, Gelu Voican Voiculescu (heute Berater von Regierungschefin Vasilica Dăncilă) und Iosif Rus (der ehemalige Kommandeur der Luftwaffe soll das Massaker zwischen zwei Militäreinheiten bei Otopeni inszeniert haben).


Inzwischen schreitet die PSD mit einer Konsequenz, die edlerer Zwecke würdig wäre, auf dem Weg der Autarkie Ceaușescuscher Prägung, des Abendlandhasses und der Hetze gegen den „Westen” sowie der Fremdenfeindlichkeit voran – all das im offiziell noch gar nicht gestarteten Wahlkampf. Ausländische Firmen „kommen nicht um zu geben, sie nehmen“, Auslandspartner „lechzen nach den Ressourcen Rumäniens“, EU-Europa schickt uns seine schlechtesten Nahrungsmittel und „vergiftet unsere Kinder mit Chemikalien“, Auslandsinvestoren „zahlen uns Sklavenlöhne“, Auslandsbanken „schröpfen rumänische Kreditnehmer“. Das ist der Ton des PSD-Wahlkampfs für die Europawahl und „Daddy Dragnea” fragt seine stumpfen Wähler: „Das Problem ist: die überfallen uns alle. Schlagen wir uns mit ihnen oder warten wir mit verschränkten Armen ab?”


Kein Wort darüber, dass die PSD-ALDE-Regierung ohne die Milliardenkredite aus dem Ausland längst schlappmachen würde, dass die Bauernschaft ohne EU-Subventionen tot wäre, dass ohne US-Schutzschild Rumänien längst näher ans rote Herz Moskaus rücken würde.