Bewusste Wähler sind gefordert

Symbolbild: pixabay.com

Man hört aus illiberalen Kreisen, Präsident Johannis wolle aus den Europawahlen im Mai politischen Profit per Referendum herausschlagen. Wo liegt das Verbrechen? Das erklärt niemand, aber Erklärungslosigkeit bei Radaumacherei gehört zu den Grundprinzipien von Fake News. Immerhin wissen die Schaumschläger und Falschtrompeter der Regierungskoalition, dass weder ihre Parteien, geschweige denn ihre Leader, es vermocht haben, auf der Vertrauensskala auch nur in der Nähe ihrer Ursprungswerte zu verbleiben: alle zucken tief im Keller. Johannis hingegen steht mit 40 Prozent immer noch ehrenhaft da.

Bei Carl Schmitt kann man nachlesen, dass eine Volksbefragung, wie sie Johannis will, klar herausschält, wer wem „Freund“ und wer wem „Feind“ ist. Und das (nicht ganz) egal, wie hoch die Beteiligung ist. Volksbefragungen sind gefährliche Instrumente, heiße Eisen (siehe „Brexit“!). In politischen Situationen, wo der rechtsstaatliche Widerstand nicht wählerisch mit seinen Mitteln sein kann, müssen Risikomittel ran. Man müsste im Palast Cotroceni wissen, dass das Justizreferendum vom Mai keine direkten legislativen Folgen haben kann, möglicherweise gänzlich ohne Folgen bleibt. Ein Zeichen aber wird es bestimmt setzen. Vor allem wenn die Opposition bei den Europawahlen ein zufriedenstellendes Ergebnis einfährt. Symbolisch und indirekt könnte das Zusammenspiel vom Oppositionsergebnis und Referendumsresultat der Anfang vom Ende des illiberalen und willkürlichen „Daddy-Dragnea-Regimes“ sein.

Volksbefragungen in moderner Zeit, als „Appell ans Volk“, begannen mit der französischen Revolution, zur Genehmigung der Verfassung des Jahres I, der ersten republikanischen Verfassung Frankreichs. Die wurde jedoch nie angewandt… Man versteht: Das erste Referendum moderner Zeit war folgenlos. Napoleon I. und Napoleon III. nutzten Volksbefragungen als Plebiszite (lat. „plebis scitum“, Dekret/Spruch des Plebs, des Volkes) zu ihrer Person. Bonaparte I. verübte erst einen Staatsstreich (18. Brumar) und ließ sich danach per Volksbefragung konstitutionell unbegrenzte Macht verleihen.

Ein plebiszitäres Referendum fürchten auch die Machthaber Rumäniens am 26. Mai. Meister darin war der Vorgänger von Johannis, Traian Băsescu (2007, 2009 – zwei Volksbefragungen, die am selben Tag mit Wahlen stattfanden). Johannis wird daraus der Vorwurf abgeleitet, ein Plebiszit zur eigenen Nachfolge zu veranstalten. Na und? Ein anderer Vorwurf: Die Volksbefragung soll künstlich die Wahlbeteiligung steigern, zum Vorteil der Opposition. Na und?

Andrerseits: Eine Volksbefragung in einem nationalen und europäischen Kontext, wo die Parlamentsmehrheit ultranationalistischen, antieuropäischen und illiberalen Winken ihrer Leiter, gegen Rechtsstaat und Justizunabhängigkeit, bedenkenlos folgt, unter den Augen konsternierter Europäer, die zögern, energisch das Abgleiten zu bremsen – das ist auch die (vielleicht letzte) Chance, nochmal klar (und … plebiszitär) zur falschen Richtung Stellung zu beziehen, in die sich Rumänien bewegt. Ein Ablenken der Wählerschaft vom Ziel ihrer Stimmenabgabe (so ein anderer Vorwurf) ist es keineswegs. Im Gegenteil: Rechtsstaatlichkeit und Justizunabhängigkeit gehören zum Kern des gesamteuropäischen Gedankens.

Zur Rückbesinnung: Ursprünglich hieß „Referendum“ „Bericht erstatten“, „Bezug nehmen“ – nicht „wählen“. Das Wort geht auf das Lateinische zurück, bekam seine heutige Bedeutung aber erst im 18. Jahrhundert (siehe oben), abgeleitet von „referre“ (daher auch: „Referat“). Anfang des 20. Jahrhunderts kam „ad referendum“ auf – bezogen auf die Aktion eines Diplomaten, der den Rat seiner Auftraggeber einholt, vor endgültiger Beschlussfassung über seinen Bericht.
Jedes Referendum birgt ein Plebiszit (als Risiko). Nicht jede Volksbefragung ist ein Plebiszit.
Bewusste Wähler sind gefordert. Hat Rumänien die?