Bohnengeschichten

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Irgendwie scheint gerade Bohnenzeit zu sein. Nicht nur, dass mein Mann und ich seit Tagen Bohnen essen, wenn auch in vielerlei Varianten, als Eintopf oder Salat. Nein, mir läuft schon wieder das Wasser im Mund zusammen! Heute Abend also nochmal Bohnen? Obwohl dann nachts die Bettdecke zehn Zentimeter über uns schwebt und wir uns wundern, dass wir morgens überhaupt noch aufwachen... Es muss am Wetter liegen, denn Mangel an irgendwelchen Nährstoffen kann es nach den Feiertagen kaum sein. Woran man typisches Bohnenwetter erkennt? Ganz einfach: Es schneit, es regnet, der Wind bläst, es ist viel zu kalt, viel zu warm oder viel zu mau, zu trocken oder zu feucht oder die Sonne scheint. Jede Art von Wetterstress kann Lust auf Bohnen auslösen.

Und dies offenbar nicht nur bei uns: Erst gestern schrieb Kollege Liebhardt in der ADZ über Bohnen („Bohnen zu jeder Jahreszeit“) – und kam mir damit unabsichtlich zuvor. Gelernt habe ich viel aus seinem Artikel: Nicht nur, dass man früher in Siebenbürgen Bohnen und Mais gemeinsam aussäte, damit man sich die Pflöcke spart, weil die Bohnenranken dann praktischerweise an den Maisstängeln hochklettern. Gesehen habe ich so was erstmals auf einer Überlandfahrt in der Maramuresch, auf der verzweifelten Suche nach einem Wäldchen oder Busch, wo es nur Maisfelder gab... und man musste dort auch noch aufpassen, nicht auf die Melonen zu treten, die sich unter dem Mais und den Bohnen bodenbedeckend breitmachten. Mit welchem Zeitversatz dies wohl alles zu pflanzen ist? Wie verhindert man, dass statt den Bohnen die Melonen klettern – wie bei uns im Garten, wenn man sie zu nahe an den Maschendrahtzaun setzt? Oder arrangiert sich das Grünzeug untereinander selbst, nach dem Motto, wer zuerst den Kopf aus der Erde streckt, hat das Sagen? Mit solchen Fragen schlägt man sich herum, wenn man in einem Land aufgewachsen ist, wo Bohnen fertig gekocht aus Dosen kommen und mehr kosten als ein kleines Steak.

Dabei galten Bohnen früher auch in Deutschland als Arme-Leute-Essen. Heutzutage sind sie selbst hierzulande Mangelware, vor allem, wenn man sich auf die – geschmackvolleren – heimischen Sorten versteift. Im Supermarkt gibt’s nur noch Bohnen aus Äthiopien und selbst die Marktfrauen schütteln den Kopf, wenn man nach rumänischen Bohnen fragt, die angeblich viel schwerer kochen. Als ob das ein Kriterium wäre! So kommt man nur noch gelegentlich bei Überlandfahrten am ein oder anderen Straßenrand zu heimischem Bohnensegen: eine fröhliche Vielfalt an weißen Knallkörperchen in allen Größen und unterschiedlicher Sprengkraft. Wir decken uns dann mit einer Megatonne ein und hoffen, gegen kein Waffenrestriktionsgesetz oder Abrüstungsabkommen zu verstoßen.

Meine Schwiegermutter, die aus Fârţăneşti stammt – einem sechs Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt gelegenen Dorf im Landkreis Galaţi –, weiß hierzu eine Geschichte zu erzählen: Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, als dort extreme Dürre herrschte, litten viele Menschen unter Hunger. Die hauseigenen Vorräte waren längst aufgegessen und es gab nichts zu kaufen. Selbst an Grundnahrungsmitteln – etwa Bohnen – mangelte es im Dorf. Eines Tages standen ein paar Nachbarn am Brunnen versammelt und tauschten Klatschgeschichten aus. Eine Bäuerin, die es geschafft hatte, von irgendwoher Bohnen zu beschaffen, zwackte es nun gewaltig in den Därmen. Als das nur allzu menschliche Malheur passierte, zog sie sich rasch zurück, um nicht als Urheberin der Peinlichkeit identifiziert zu werden. Zu spät! Sie war schon auf dem Heimweg, als einer der Dörfler hinter ihr herlief und beim Überholen unauffällig flüsterte: „Tanti, bitte verrate mir – wo hast du die Bohnen her?”