Bukarests Gärten und ihre Gestalter

110 Jahre Carol-Park / Deutsche Einflüsse auf die Gärten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Oana Marinache (rechts) bei der Vorstellung der Broschüre; Architektin Raluca Zaharia (Verein Arche) berichtete über ein Freiwilligenprojekt zur Wiederinstandsetzung des verwilderten Gartens des Ghica-Palastes in Căciulaţi (Gemeinde Moara Vlăsiei).
Foto: George Dumitriu

Drei Veranstaltungen fanden diesen Herbst – 22. September, 27. Oktober und 1. November – im Kulturhaus „Friedrich Schiller” über die Gärten Bukarests statt, vorgestellt von Dr. Oana Marinache (Asociaţia Istoria Artei): In den ersten beiden stand das 110-jährige Jubiläum des Carol-Parks im Mittelpunkt, der 1906 für die „Allgemeine Rumänische Ausstellung” – damals am sumpfigen Rande Bukarests – angelegt wurde. Anlass für das gigantische Projekt, das nicht nur aus Alleen, Brunnen und Brücken, sondern aus zahlreichen hölzernen Nachbildungen berühmter Bukarester Gebäude als Ausstellungspavillons bestand, war das 40. Herrschaftsjubiläum von Karl I., das 25-jährige Bestehen Rumäniens als Königreich und 1800 Jahre seit der Eroberung Dakiens durch die Römer. Die Idee ging auf den Politiker Tache Ionescu zurück. In der dritten Veranstaltung lautete das Thema der Konferenzdebatte „Geschichte und Multikulturalität: die Gärtner Bukarests”. Vorgestellt wurde die Entstehungsgeschichte der bedeutendsten öffentlichen Gärten der Hauptstadt, in der vor allem Landschaftsarchitekten und Botaniker aus dem deutschen Sprachraum ihre Fußspuren hinterlassen haben.

Carol-Park: Vom Sumpf zum Ausstellungszentrum

Aus alten Zeitungen und Archiven rekonstruierten Kunsthistorikerin Dr. Oana Marinache und Grafiker Cristian Gache ein Bild der Ereignisse rund um die Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung sowie die weitere Entwicklung des Carol-Parks. Historische Fotografien und grafische Rekonstruktionen der Ausstellungspavillons wurden in einer begleitenden Fotoausstellung gezeigt. Relikte aus dieser Zeit sind das schmucke Ţepeş-Schlösschen – tatsächlich die Nachbildung der Burg Poenari, projektiert von den Architekten Victor Ştefănescu und Ştefan Bucuş, durchgeführt unter der baulichen Aufsicht von Leopold Schindl und Scarlat Petculescu. Aber auch die schlafende Schöne, die heute im Herăstrău-Park zwischen Büschen wie hingehaucht liegt, stammt aus der damals im Carol-Park angelegten Grotte der Riesen. Ihr liegt eine Legende zugrunde: Drei Brüder hatten sich in dasselbe Mädchen verliebt, das sich daraufhin in die Fluten der Dâmboviţa stürzte, mit der Absicht, sich mit ihrem Retter zu vermählen. Doch keiner der Brüder sprang, das Mädchen ertrank...
Von den Nachbildungen der berühmtesten Bukarester Gebäude – etwa der Colţea-Turm oder die Karawanserei Hanul lui Manuc – ist heute nichts mehr geblieben, sie wurden später wieder abgebaut.

Die logistischen Anstrengungen für die Ausstellung waren beträchtlich: In weniger als einem Jahr entstand auf dem sumpfigen Gelände am Rande der Hauptstadt ein kulturelles Zentrum, das nicht nur die Städter, sondern auch Besucher aus dem ganzen Land und dem Ausland anzog. Mit der Ausstellung wurden das moderne Rumänien und seine geopolitische Rolle auf dem Balkan vorgestellt sowie der Verdienst des Königshauses in der Entwicklung von Landwirtschaft und Industrie ins Licht gerückt. Das Ausstellungsgelände war wie eine Stadt in der Stadt angelegt, in der man einen ganzen Tag verbringen konnte, auf Alleen und Plätzen lustwandelnd, oder als Besucher der zahlreichen Pavillons, Restaurants und Kulturveranstaltungen. Rund 40.000 Aussteller und zwei Millionen Besucher sollen in den sechs Monaten, die die Ausstellung dauerte, verzeichnet worden sein.

Nach dem Ersten Weltkrieg erhielten einige der Pavillons neue Funktionen, weitere Monumente wurden hinzugefügt: Im Kunstpalast entstand das Nationale Militärmuseum, das 1940 vom Erdbeben zerstört wurde; an der Stelle der Eingangstortürme zur Ausstellung wurde ein Brunnen mit Tierkreiszeichen angelegt. 1935 fand im Carol-Park die erste Ausstellung „Bukarester Monat” statt. Die Broschüre „Parcul Carol I – 110 Jahre” von Marinache und Gache, erschienen im Kunstgeschichte-Verlag, fasst die Geschichte des Parks zusammen, zeigt einen Plan der Anlage 1906 sowie Fotos der wichtigsten Monumente und Ausstellungspavillons: Eingangstor, die Pavillons der Industrie, des Königshauses, der königlichen Ländereien, der Dörfer, der staatlichen Fischereien, der Landwirtschaft, der Künste, der Dobrudscha, Frankreichs, der Gefängnisse, Bukarests und Österreichs, die römische Arena, das Casino und Sommertheater, das königliche Gästehaus, die Wirtshäuser Hanul Muntu-nesc und Post, ein Bojarenhaus, die Cula, und das Ţepeş-Schloss.

Deutsche Fußspuren in Bukarester Parks

Bis ins 19. Jahrhundert bestand Bukarest aus planlos verstreuten Ansiedlungen in Obsthainen, Wein- und Gemüsegärten, dazwischen Reste des Vl˛siei-Urwaldes, führt Oana Marinache in die Geschichte der Bukarester Landschaftsgärtnerei ein. Erst Mitte des Jahrhunderts entstand die Idee einer durch Alleen, Parks und angelegte Gärten vernetzten Stadtstruktur. Vor allem aus dem Ausland herbeigerufene Gartengestalter haben in den folgenden Epochen zur Entwicklung der Parkanlagen im modernen Bukarest beigetragen, darunter viele aus dem deutschen Sprachraum. 1839 werden in der walachischen Hauptstadt erstmals die Schweizer Brüder Louis Adolphe und Samuel Leyvraz aktenkundig, die in der Filaret-Region Baumschulen und Glashäuser anlegten und sich unter anderem mit der Gestaltung der Grădina Icoanei und des Cişmigiu-Parks befassten. Carl Friedrich Meyer aus Schwerin wurde 1844 mit der Planung der Grünanlagen der großen Straßen beauftragt. Mit ihm zusammen entwarf der Gärtner Franz Harrer, spezialisiert auf englische Gartenanlagen, ein Netz aus Alleen, ausgestattet mit Rondellen, Brunnen und Bänken. Meyer wurde auch für die Planung von Friedhofsanlagen – Belvedere und wahrscheinlich Bellu – konsultiert. Auch im Cotroceni Park hinterließ er seine Spuren.

1845 wurde Rudolph von Borrozyn mit der Anlage eines Gartens auf dem sumpfigen Gebiet des heutigen Cişmigiu-Parks beauftragt. 1852 zeigt eine historische Karte bereits die bekannten Konturen des Parks, 1854 wurde er offiziell eingeweiht. Ein striktes Regelwerk verbot damals Pferdewagen und Nutztiere im Park, den Verkauf von Produkten, das Angeln im See oder das Betreten des Rasens. Nach Meyers Tod wurde Ulrich Hoffmann, Botanik-Professor aus Prag, mit der Instandhaltung der öffentlichen Gärten in der Hauptstadt betraut. Der aus Böhmen stammende Wilhelm Knechtel, Gärtner von Erzherzog Maximilian von Österreich-Ungarn, der diesen auch auf Reisen nach Triest und Mexiko begleitete und sich dort inspirierte, wurde 1869 von Karl I. angeheuert, dem er bis 1914 als königlicher Gärtner diente. Zu seinen Werken gehören Anlagen im Park des Cotroceni-Palastes, im botanischen Garten, im Kiseleff- und Cişmigiu-Park, die königlichen Palastgärten an der Calea Victoriei und die des Peleş-Schlosses in Sinaia, sowie der Park Carol I.

Friedrich Rebhuhn aus Gellerndorf am Rhein wurde 1910 für ein Jahr als Gärtner der Stadt Bukarest eingestellt – er blieb für den Rest seines Lebens. Er gründete eine Baumschule und trug wesentlich zur Systematisierung Bukarests bei, unterstützt von König Ferdinand, selbst ein begeisterter Botaniker. Auch im Tineretului- und im Cişmigiu-Park hinterließ er seine Spuren. In letzterem integrierte er nach dem Erdbeben 1940 mehrere Fragmente aus berühmten Gebäuderuinen und eingestürzten Monumenten, etwa aus dem Sturdza-Palast oder dem Rondell am Königsplatz. 1910 wurde ein Gesetz für die Schaffung eines nationalen Parks Carol II. – dem heutigen Herăstrau-Park – erlassen. Die Arbeiten begannen jedoch erst 1930, nachdem über 10.000 Enteignungen erfolgten, die entsprechende Akte sei gut 1000 Seiten stark, illustriert Marinache. Rebhuhn wurde sowohl mit der Planung des Parks, als auch mit der Organisation der zweiten Ausstellung „Bukarester Monat” beauftragt, die 1936 dort stattfand. Weitere Informationen, historische Pläne und Fotos bietet die Broschüre „Die Stadtgärten Bukarests und die Gartengestalter aus dem deutschen Sprachraum” von Dr. Oana Mari-nache, herausgegeben vom Verein ARCHE/Asociaţia Istoria Artei, ISBN 978-606-8839-07-3.