„Business as usual” im Temeswarer Rathaus

Der verabschiedete Haushalt verrät die blasse Zukunftsvorstellung der Stadtväter

Dass Zahlen, Zahlenkolonnen, Ziffern, Summen, Additionen, dass all das stinklangweilig sein kann, gibt der Autor zu. Aber Zahlen, vor allem, wenn es um öffentliche Haushalte geht, haben auch ihren Reiz, weil sich zwischen endlosen Reihen, zwischen Tabellen, Grafiken und verschachtelten Sätzen im ermüdenden Amtsrumänisch die Zukunft einer Stadt, eines Landkreises oder des Landes verbirgt. Oder zumindest die Vorstellung der Regierenden von dieser Zukunft. Also verdienen diese Zahlen manchmal mehr als nur einen Bericht, sie sind oft einer näheren Betrachtung wert. Dies ist auch der Fall des Haushaltes der Stadt Temeswar/Timişoara, der Ende März verabschiedet werden konnte. Da Temeswar nur etwas mehr als dreieinhalb Jahre geblieben sind bis zur Europäischen Kulturhauptstadt 2021, sind Haushaltsfragen jetzt und in den kommenden drei Jahren von außerordentlicher Bedeutung für die Stadt. Auf 1,4 Milliarden Lei belaufen sich die Gesamteinnahmen der Stadt und der ihr untergeordneten Institutionen, inklusive den Eigeneinnahmen dieser Institutionen. Das sind etwas mehr als 307 Millionen Euro. Auf fast gleichem Niveau liegen die geplanten Einnahmen der Stadt Klausenburg/Cluj-Napoca, in Bukarest plant das Oberbürgermeisteramt Einnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, die Verwaltung des 1. Bezirks der Hauptstadt rechnet mit Gesamteinnahmen von 1,6 Milliarden Lei.

Schaut man sich die einzelnen Posten an, so stellt man ernüchternd fest, dass Temeswar sich nichts Besonderes vornimmt: „business as usual“, vielleicht auch „learning by doing“. Bereits Begonnenes dürfte fertiggestellt werden, wenig Neues steht im Programm. Wie die Umsetzung eines ambitionierten Plans, wonach Temeswar für das Kulturhauptstadtjahr entsprechend vorbereitet wird, klingt der Haushalt für 2017 eher nicht. Der große Wurf gelingt der Robu-Administration noch nicht, die Stadt ist auf ihre Bürger angewiesen. Die sind am Werk: Ob als Immobilienentwickler im großen Stile (das ISHO-Projekt auf dem ehemaligen ILSA-Gelände erfährt bereits nationale und internationale Anerkennung), als Gründer kleiner Restaurants, Cafés oder Bars in der Innenstadt, als junge, dynamische Künstler oder Galeristen (man schaue nur bei dem jungen Andrei Jecza vorbei), als Enthusiasten, die im Universitätsmilieu das eine oder andere Projekt in die Wege leiten.

Aber es kann nicht oft genug unterstrichen werden, dass die Stadtverwaltung für Wachstums- und Entwicklungsimpulse sorgen soll, dass sie Finanzmittel intelligenter einsetzen muss, als sie es bisher tut, dass sie sich für das Neue öffnen und sich diesem Neuen stellen muss. Was in mittelgroßen Städten Westeuropas bereits experimentiert wird (Car-Sharing, zum Beispiel), wird auf dem Loga-Boulevard Nr. 1 noch nicht einmal diskutiert. Wenn die Müllentsorgung ein Problem ist, kann von Car-Sharing oder von Solarzellen auf den Dächern öffentlicher Gebäude vielleicht noch nicht die Rede sein. Dass Bürgermeister Robu Facebook als Kommunikationsmittel einsetzt, ist bereits eine Erneuerung. Bei seinem Vorgänger gab es noch die klassische Pressekonferenz. Aber ein bisschen dürfte man auf die Konkurrenz schauen, in Klausenburg hat sich die Administration vorgenommen, die Stadt zur lebenswertesten Rumäniens zu machen.

So steht es im Beschluss zur Verabschiedung des Klausenburger Haushaltes für 2017 geschrieben, im Internetauftritt der Primăria Municipiului Cluj-Napoca leicht nachlesbar. Vielleicht sogar auch über Facebook. Nun, an der Bega geht es im altbekannten Trott weiter. Straßen werden geflickt, einige vierspurig ausgebaut, ein paar ausrangierte deutsche Straßenbahnen modernisiert, Schuldächer erneuert, Springbrunnen gebaut. Oder geplant, bis 2021 ist es ja noch eine Weile. Bürgermeister Robu will also 276 Millionen Lei für die Entwicklung der Stadt ausgeben, viele der begonnenen Investitionen in die Infrastruktur der Stadt sollen heuer beendet werden, nur wenige neue Baustellen werden 2017 eröffnet. Dafür wird relativ viel Geld für die Erstellung von Machbarkeitsstudien ausgegeben, insgesamt 4,8 Millionen Lei. Knapp 18 Millionen Lei sind für den Bereich Kultur und Kultus vorgesehen, 3,6 Millionen Lei für den Sport und 10 Millionen Lei für Parks und Grünanlagen.

Zunächst einmal etwas über den wichtigen Haushaltsposten Verkehr: Viel Geld kostet den Steuerzahler in diesem Jahr die Fortsetzung der Arbeiten an den beiden Unterführungen Jiul und Popa Şapcă, über 42 Millionen Lei. Um die 3,5 Millionen Lei will die Stadt in die Sanierung von zwei Bega-Brücken (Eroilor und Ştefan-cel-Mare), der Fußgängerbrücke beim Kinderpark und der Fußgängerbrücke in der Nähe des Nordbahnhofs investieren, alle vier Objekte befinden sich in einem desolaten Zustand. Die Fertigstellung eines Abschnitts des vierten Verkehrsrings (Măcin-Str. – Constructorilor-Str. – Demetriade-Str.) im Nordosten wird mit 4,9 Millionen Lei angegeben, der vierspurige Ausbau der Giroker Str./Calea Martirilor verschlingt heuer weitere fünf Millionen Lei. In beiden Fällen begannen die Arbeiten schon vor Längerem, die Baustelle an der Calea Martirilor stellt Fahrer und Fußgänger auf eine harte Probe. Der unfertige Teilabschnitt des vierten Rings würde die Anbindung des boomenden Vororts Dumbrăviţa an die Fabrikstadt deutlich verbessern, aber auch die Bewohner der Stadtteile Plopi, Krischan/Crişan, Kuncz sowie die Bürger von Ghiroda würden davon profitieren.

Das Projekt stammt aus der Ciuhandu-Zeit und konnte bisher noch nicht verwirklicht werden. Verschiedene Straßen sollen ebenfalls instandgesetzt werden, darunter die verkehrstechnisch wichtige Grigore-Alexandrescu-Straße, die den westlichen Stadtteil Ronatz-Blaskovics über die Ausfallstraße nach Hatzfeld/Jimbolia und jene nach Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare mit dem Norden der Stadt verbindet. Im Lieblingsstadtteil des Bürgermeisters, dem Soarelui-Viertel, wird die Versului-Straße für nicht weniger als 2,7 Millionen Lei grunderneuert und eine Verbindungsstraße zwischen der Calea Moşniţei und der Gemeindestraße 149 nach Neumoschnitza/Moşniţa Nouă soll 300.000 Lei kosten. Diese Straße ist mehrmals von der Verwaltung in Neumoschnitza gefordert worden, sie würde vielen Temeswarern, die auf der Gemarkung dieser Gemeinde Häuser gebaut haben, sehr helfen. Vor allem bis der Temescher Kreisrat den vierspurigen Ausbau der Kreisstraße 592 in Angriff nimmt.

Für das Unterrichtswesen sind 23,7 Millionen Lei vorgesehen, mehrere Schulen und Kindergärten sollten in diesem Jahr saniert werden, darunter die Allgemeinschule Nr. 12 in der Josefstadt, die Allgemeinschule Nr. 18 im Dacia-Viertel oder das William-Shakespeare-Lyzeum in der Fabrikstadt. Die Allgemeinschule Nr. 16 soll erweitert werden, Reparaturarbeiten an anderen Schulbauten sind ebenfalls eingeplant. 51,5 Millionen Lei wollen die Stadtväter für die Gesundheitsversorgung ausgeben, allein 12 Millionen Lei kostet die Fortsetzung der Arbeiten am neuen Gebäude des Louis-Ţurcanu-Kinderspitals und 1,7 Millionen Lei werden in die dringend benötigte Kläranlage mitsamt Kanalisationsnetz des Victor-Babeş-Spitals für Infektionskrankheiten investiert. 250.000 Lei kostet eine Machbarkeitsstudie für einen Hubschrauberlandeplatz beim Louis-Ţurcanu-Kinderkrankenhaus.

Von den knapp 18 Millionen Lei, die Kultur und Kultus gewidmet sind, werden nur im Wert von 1,3 Millionen Lei Neuarbeiten durchgeführt. 729.000 Lei gibt die Stadt für die Neueinrichtung der Innenräume der Nationaloper und des Rumänischen Nationaltheaters aus, 600.000 Lei sind für den Umbau des ehemaligen Krankenhauses der Barmherzigen Brüder an der Mărăşeşti-Straße in eine Art Kulturmall mit Museum der Temeswarer Festung vorgesehen, das Geld wird höchstwahrscheinlich nicht einmal für die Entwurfsarbeiten reichen. 2,2 Millionen Lei soll die Fertigstellung der Arbeiten an der Fassade des unter Denkmalschutz stehenden Nikolaus-Lenau-Lyzeums kosten. Nach mehreren Anläufen und zahlreichen Protesten scheinen nun die Stadtväter endlich zur Räson gekommen zu sein: Die Odyssee der Renovierung der Temeswarer deutschen Schule muss endlich ein Ende finden. Längst schon haben die Erklärungen und Entschuldigungen aus dem Rathaus, allen voran das schwere Erbe der Ciuhandu-Zeit, ausgedient. Heute in einem Jahr müsste also die Lenau-Schule in neuem Glanz erstrahlen. Auch die Sanierung anderer Altbauten in den historischen Stadtteilen müsste zumindest beginnen, mit zwei Millionen Lei will die Stadt in diesem Jahr die Renovierungsvorhaben von Eigentümern historischer Bausubstanz unterstützen.

Ob dies auch gelingen wird, ist, nach so vielen erfolglosen Anläufen des Projekts zur Sanierung der Temeswarer Altbauten, eher ungewiss. Genauso wie noch keiner weiß, wie die neue Büste des Banater Anwalts und Politikers Emanuil Ungureanu (1845 – 1929) aussehen wird. Für den Entwurf will die Stadt 50.000 Lei ausgeben, die Statue, die vor der gleichnamigen Schule stand, wurde 2015 gestohlen. Die Diebe konnten gefasst werden, doch die 1930 aufgestellte Büste hatten sie zertrümmert, um die Bronze zu verwerten. Schließlich sollen 10 Millionen Lei für die Temeswarer Parks ausgegeben werden, allein die Neugestaltung des Scudier-Parks kostet 4,5 Millionen Lei. Im Botanischen Garten wird die elektrische Beleuchtung der Alleen eingeführt, an mehreren Orten in der Stadt sollen Springbrunnen gebaut werden.