Christliche Werte und Vertrauen vermitteln

Für Pfarrer Martin Meyer steht Kinder- und Jugendarbeit im Mittelpunkt

Pfarrer Martin Meyer

Großes Kindergedränge beim Erntedankspiel in der Schwarzen Kirche

Vom Gewitter überrascht in Rauthal

Das Kronstädter „Johannes Honterus“ Lyzeum, gesehen aus dem Turm der Schwarzen Kirche.
Fotos: die Verfasserin (2), privat (2)

Wenn man eine spannende Aufgabe hat, die viel Hingabe verlangt, vergehen drei Jahre wie im Flug. Und wenn man darüber hinaus auch noch eine neue Stadt und ein neues Land kennenlernt, sind die Monate ruckzuck vorbei. Etwa so erging es Martin Meyer, der vor drei Jahren als Pfarrer der Kronstädter Honterusgemeinde eingeführt wurde.

Zurzeit unterrichtet er die Klassen vier bis sieben des „Johannes Honterus“-Lyzeums Kronstadt/Braşov in Religion – das macht insgesamt fast eine ganze Lehrernorm – betreut nachmittags die Kinderstunden in der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Kronstadt, hält Gottesdienste und Andachten, besucht regelmäßig die engagierten Teilnehmerinnen des Handarbeitskreises – und macht sich ernsthaft Gedanken über eine Verlängerung seines Aufenthalts in Siebenbürgen. Seine Familie, die ihn nach Kronstadt begleitet hat, ist genauso gut integriert: „Wir leben hier mitten in einer wirklich angenehmen Gemeinschaft und fühlen uns wohl“, sagt der 36-jährige Pfarrer. Sohn Emil geht in den evangelischen Kindergarten und „nennt die Filzstifte jetzt ‘Kariokas’“, Tochter Klara ist erst ein halbes Jahr alt, besucht aber bereits die Krabbelgruppe.

Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit

Gerade die Kinder- und Jugendarbeit stellt Martin Meyer in den Fokus seiner Tätigkeit. „Eine derart enge und spezialisierte Zusammenarbeit zwischen einer Gemeinde und einer Schule, wie ich sie hier erlebe und mitgestalte, ist in Deutschland überhaupt nicht üblich“, sagt der Pfarrer. Das hatte ihn schon 2007 begeistert, als er zum ersten Mal nach Kronstadt für ein mehrmonatiges Praktikum zwischen Studienabschluss und Vikariatsantritt kam. Den Religionsunterricht betrachtet er als eine Möglichkeit, bei den Schülern nicht nur Wissen, sondern vor allem christliche Werte und Vertrauen aufzubauen. Allerdings stehen dort eher nachprüfbare Kenntnisse im Vordergrund, denn „den Glauben kann man nicht mit Noten im Katalog bewerten“. Ob es schwierig sei, die Kinder für mehr als das zu begeistern? „Nein“, antwortet Meyer überzeugt. „Meiner Meinung nach liegt in jedem von uns die Frage nach mehr. Der Sinn des Lebens erschließt sich nicht aus sich selber, das spüren natürlich auch die Kinder.“

In den Kinderstunden wird gespielt, gebastelt, gesungen, und vielleicht auch mal die Abrahamsgeschichte in Form von Plätzchen gebacken – Hauptsache, man lernt „zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen, die über Spiel und Spaß hinausgeht“, wie es der Pfarrer formuliert. Er legt Wert darauf, dass stets ein biblisches Thema den Kern der Kinderstunde ausmacht, denn „dafür sind wir Kirche und dafür bin ich Pfarrer.“ Außerdem handelt es sich bei den Kindern und Jugendlichen um ein Alter, in dem Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielt.

„Wenn es gelingt, Aktivitäten anzubieten, in denen sie sich zu Hause fühlen können, dann engagieren sie sich, bringen sich  ein, freuen sich und bleiben in der Gemeinschaft verwurzelt“, so Pfarrer Meyer. An passenden Angeboten fehlt es offensichtlich nicht, denn in diesem Jahr soll die Honterusgemeinde erstmalig ein eigenes Sommerlager am Meer organisieren, in den vergangenen Jahren gab es unter anderem eine Reise an die Ostsee und einen Erfahrungsaustausch mit einer Gruppe christlicher Pfadfinder aus Brandenburg. Außerdem werden jährlich sechs Schulgottesdienste mitgestaltet, die jeweils von einem Bühnenprogramm und einem musikalischen Rahmen begleitet werden. Zurzeit wird für „Kantate“ geprobt, den vierten Sonntag nach Ostern, an dem das Jugendensemble „Canzonetta“ (geleitet von Ingeborg Acker), ein Kinderchor der Gemeinde (betreut von Steffen Schlandt) und die Teilnehmer der Kinderstunde gemeinsam die Geschichte aus dem Buch Jona inszenieren wollen.

Herausforderung Sprache

Gelegentlich wird die deutsche Sprache zur Herausforderung, wie Pfarrer Meyer berichtet. Es sei nicht immer einfach, die Kinder anzuhalten, untereinander Deutsch zu sprechen. „Viele von ihnen verbinden die deutsche Sprache ausschließlich mit Schule, Lernen und Notendruck, wohingegen ihre Freizeitsprache Rumänisch ist. Andererseits haben Kinder aus den Reihen der Minderheit nicht immer einen Raum, in dem sie mit Gleichaltrigen auf natürliche Art und Weise Deutsch sprechen können.“ Einen solchen Raum zu schaffen sei auch die Aufgabe der Kinderstunde, wie der Pfarrer hervorhebt. Dort soll es selbstverständlich sein, den evangelischen Glauben zu leben und die deutsche Sprache zu sprechen. „Man muss manchmal an den Kindern ‚ziehen’, aber daher kommt ja das Wort ‚Erziehung’“, scherzt Meyer.

Er selbst spricht in der Schule, in der Gemeinde, zu Hause und mit seinen Freunden Deutsch und fühlt sich in Kronstadt „eben wie in einer europäischen Großstadt, in der es vom Drogeriemarkt DM über Porsche Autos alles gibt - selbst das, was man beim besten Willen nicht braucht“. Martin Meyer stört es nicht, dass in der Gemeinde das Durchschnittsalter eher fortgeschritten ist: „Wenn ich als Pfarrer in ein Dorf in Brandenburg gegangen wäre, dann wäre die Auswahl an Menschen im gleichen Alter und mit denselben Interessen auch nicht viel größer gewesen“, sagt er. Inzwischen reichen seine Rumänischkenntnisse, um „nach dem Weg zu fragen, einkaufen zu gehen oder im Restaurant zu bestellen“ und die Rumänen nimmt er als „überwiegend freundlich“ wahr, doch staunt er immer noch über den hiesigen Fahrstil und über die Selbstverständlichkeit, mit der Fußwege zugeparkt werden: „Da braucht man einen speziellen Sinn für Humor und viel Geduld!“

Viel Gemeinschaftssinn

Meyer selbst ist in Großdittmannsdorf bei Dresden zu Hause und war zwölf, als die DDR zusammenbrach. Er erinnert sich an die aktive Kinder- und Jugendarbeit in seiner eigenen Gemeinde und an „diese Mischung aus Interesse und dem Gefühl, dass man etwas Sinnvolles und Schönes für die anderen tun kann“, die ihn letztendlich dazu brachte, sich der Theologie zu widmen. Nach dem Studium in Leipzig, Erlangen und Berlin wurde er Pfarrer der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – schlesische Oberlausitz, die ihn schließlich nach Rumänien entsandte.

Gerade in der Honterusgemeinde fand Meyer viel Unterstützung: „Es ist für einen Berufsanfänger eine tolle Sache, dass man nicht sofort alles alleine können muss“, sagt der Pfarrer. „Wir haben eine Verwaltung, die sehr gut funktioniert, ein freundliches Team, eine Struktur, in der das Arbeiten Spaß macht. Außerdem bringen unsere Musiker viel Farbe ins Spiel, es gibt ein reiches Kulturangebot und gerade etwas ältere Menschen engagieren sich sehr aktiv und freuen sich, wenn man sie für gewisse Projekte um Unterstützung bittet, sei es nur, um ein Kostüm zu nähen oder einen Kuchen zu backen.“ Auch der im Vorjahr abgeschlossene Leitbildprozess sei seines Erachtens ein wichtiger Schritt nach vorne gewesen, denn so habe man einen Dialog begonnen und eine gemeinsame Vision entworfen.

Pfarrer Meyer bleibt nur noch wenig Freizeit übrig. Früher sei Handwerk eins seiner Hobbys gewesen, als Student habe er gelegentlich beim Bau mitgearbeitet und ursprünglich habe er sogar eine handwerkliche Tätigkeit in Stein/Dacia bei Reps/Rupea für den Verein „Copiii Europei“ aufnehmen wollen, bevor ihn das Angebot in Kronstadt erreichte. „Ich komme vom Dorf“, erklärt er, „es ist ganz klar, dass man da  einen Nagel gerade in die Wand bekommen muss.“ Zuletzt habe er ein Kinderbett in Form einer Ritterburg mit Turm für seinen Sohn gebaut. „Emil sieht immer die Turmbläser am Marktplatz und singt sogar manchmal ‚Siebenbürgen, Land des Segens’ mit. Es ist für ihn ein Stück Heimat geworden.“