Cristinas Keramik-Kunstwerke

In ihrem Atelier modelliert die Künstlerin Unikate aus Porzellan und Ton

Cristina Ciobanu fertigt vieles aus Keramik: von Bechern und Tassen, über Schmuck bis hin zu großen und kleinen Figuren. Ihrer Kreativität lässt sie dabei freien Lauf.

Man weiß nie, wie welche Farbe nach dem Brennen wirken wird – deswegen ist jedes Stück ein Unikat.

Die Künstlerin bei der Arbeit: Durch vorsichtiges Pusten werden Luftbläschen aus dem flüssigen Porzellan entfernt.
Fotos: Elisa Werner

In ihrem Atelier nahe der Bukarester Altstadt arbeitet die Keramik-Künstlerin Cristina Ciobanu. Dort formt, graviert, bemalt und glasiert sie große und kleine Stücke aus Ton oder Porzellan. Mit viel Kreativität, Detailverliebtheit und einer ruhigen Hand entstehen in ihrem Atelier echte Unikate.

Um zum Atelier von Cristina Ciobanu zu gelangen, läuft man die Strada Mavrogheni unweit der Bukarester Altstadt entlang. Trotz der zentralen Lage ist die Straße unasphaltiert, sie ist eher ein Sandweg. Anwohner sitzen vor den Hauseingängen und beobachten ungeniert jeden, der an ihnen vorbei läuft. In der Mitte dieser Straße befindet sich ein weißes Haus mit der organgefarbenen Aufschrift „Atelierul de Print“. Das Gebäude beherbergt eine Mischung aus Druckerei, Ausstellungsräumen und Ateliers. Über 35 nationale wie internationale Künstler lassen hier ihre Werke auf Leinwände oder Spezialpapier drucken. Betritt man das kleine Haus fallen einem sofort die zwei riesigen, an der Wand befestigten Hightech-Drucker auf. Erst nach und nach nimmt man die vielen bunten Bilder an den Wänden wahr. Mit bloßem Auge erkennt man kaum, dass es sich bei ihnen nicht um Zeichnungen oder Malereien, sondern um Drucke handelt.

Eine schmale Wendeltreppe führt hinauf in das Atelier von Cristina Ciobanu. Es ist ein Raum, der als Werkstatt, Atelier und Büro zugleich dient. Überall stehen fertige wie unfertige Stücke herum: Noch nicht bemalte Teetassen und Vasen aus Porzellan, kleine, ungebrannte Keramik-schlüssel und irdene Schmuckstücke, bunte Rahmen und Figuren, die bereits glasiert wurden.

Seit fünf Jahren stellt Cristina nun schon kleine und große Kunstwerke aus Keramik her. Auf diesen ungewöhnlichen Berufswunsch kam die studierte Künstlerin durch ein Sommercamp, welches sie noch während ihrer Schulzeit besuchte. „Wir arbeiteten dort mit einem Keramik-Künstler, der auch an der Universität in Bukarest lehrte. Die Arbeit hat mich damals sehr fasziniert und mir viel Spaß gemacht“, erinnert sich Cristina. Seitdem arbeitete sie regelmäßig mit Keramik.

Exotische Techniken gehören zur Arbeit

Vorsichtig legt sie einen Rahmen auf ihren Schreibtisch, welcher ihr oft als Arbeitsfläche dient. Die raue Oberfläche des Rahmens schimmert grünlich im Licht des Ateliers. „Er wurde mit einer speziellen Technik aus Japan namens ‚Raku’ gebrannt“, erklärt die Künstlerin und streicht mit ihrer Hand über die beim Brennen entstandenen Risse, die dem Rahmen eine ungewöhnliche Struktur verleihen. Experimente mit Materialien und Brenn-Methoden gehören für zu ihrer Arbeit.

Ihr Talent und ihre Kreativität bewies die Cristina schon während des Kunststudiums. Die Abschlussarbeit „Schachbrett“ brachte ihr einen nationalen Preis und viel Anerkennung. Jede der elf Figuren, die sich auf dem Schachbrett befinden, formte sie aufwendig in mehreren Modulen per Hand. „Es war eine sehr komplexe Idee – das Schachbrett stellt für mich zwei Welten dar, die sich gegenseitig bekämpfen“, erklärt Cristina. Seitdem modelliert sie immer wieder Figuren und kleine Statuen. Ihre letzte Kollektion von Tonköpfen mit verschiedenen Gesichtsausdrücken verkaufte sich bis auf einen Kopf, der jetzt ihr Atelier ziert.

Noch immer besucht sie die Universität in Bukarest regelmäßig: Größere Stücke brennt sie dort in den modernen Öfen im Innenhof. Cristina benutzt diese auch, wenn spezielle Brennmethoden – wie bei dem Rahmen, der gerade vor ihr liegt – angewandt werden sollen.

Beim japanischen „Raku“ wird die Töpferware in speziellen Öfen solange erhitzt, bis die Glasur, geschmolzen ist. Anschließend werden die glühenden Stücke in einen Behälter mit leicht brennbaren Materialien, wie Holzspäne oder Heu, gelegt. Der Ruß färbt die nicht glasierten Stellen schwarz und die Raku-typischen Risse entstehen. „Diese Methode können wir nur auf dem Universitätsgelände durchführen. Nachts ist es besonders spektakulär, es gibt jedes Mal viele Zuschauer“, erläutert Cristina.

Einzigartige Rahmen aus Bukarest

Für einen Rahmen von etwa 30 mal 30 Zentimetern braucht sie etwa zwei Wochen. „Zuerst gebe ich das flüssige Porzellan in die Formen“, beschreibt die Künstlerin und zeigt auf die vier Gips-Quader, die neben dem Schreibtisch liegen. Diese hat sie eigenhändig gestaltet und durch detailreiche Gravierungen ein Blumenmuster eingearbeitet. „Wenn das Porzellan getrocknet ist, wird es aus der Form genommen und gebrannt. Danach wird es bemalt und glasiert. Zum Schluss werden die vier Rahmenteile noch zusammengeklebt.“ Die Glasur, die Cristina dabei verwendet, besteht aus geschmolzenem Glas.

Bei der Verzierung lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf. In ihrem Atelier findet man von schlichten, einfarbigen Rahmen über filigran gemusterte bis hin zu kunterbunt oder romantisch verzierten Rahmen alles. Je nach Größe arbeitet Cristina manchmal bis zu eineinhalb Monate an einem Stück.

Da sie die einzige Künstlerin in Bukarest ist, die große Keramik-Rahmen für Spiegel oder Bilder herstellt, bekommt sie oft Aufträge für diese. Auch Statuen und Figuren werden bei ihr bestellt. Dabei ist es nicht immer einfach, den Auftraggebern gerecht zu werden, da die meisten sich mit dem Material und der Herstellungsweise nicht auskennen.

„Leider wollen viele Leute, dass ich eine genaue Kopie von etwas herstelle, was sie irgendwo einmal gesehen haben“, erzählt Cristina. „Aber das funktioniert so nicht, da man nie genau weiß, wie welche Farben nach dem Brennen wirken! Das ist ja genau das Spannende an der Sache!“

So ist jedes von Cristina hergestellte  Stück ein Unikat. Selbst bei gleicher Form und Farbe – nach dem Brennen gleicht kein Stück mehr dem anderen. Andere wiederum erwarten von der Künstlerin umfangreiche Werke in sehr kurzer Zeit. Schon oft musste Cristina daher Aufträge ablehnen, da sie schlicht unmöglich waren. „Manche Bestellungen sind schon sehr absurd!“, stellt die Künstlerin ernüchtert fest.

Kunst allein reicht nicht zum Leben

Von den Aufträgen allein kann sie jedoch nicht leben, zu gering ist der Verdienst, trotz regelmäßiger Bestellungen. Daher gibt sie zusätzlich noch Kunstunterricht in einem staatlichen Kindergarten, in dem sie mit drei- bis vierjährigen Kindern den Umgang mit den verschiedensten Materialen übt. Wertvolles Porzellan kommt dabei jedoch nicht zum Einsatz – modelliert wird meist nur mit Ton.

„Mir macht diese Arbeit wirklich sehr viel Spaß, aber manchmal ist es echt anstrengend, mit Kindern zu arbeiten. Oft bin ich nach dem Unterricht sehr müde!“, lacht die Künstlerin, die nun schon seit drei Jahren montags bis freitags die Kindergartenkinder unterrichtet.

Außerdem gibt sie regelmäßig Kurse zur Porzellanmalerei in Teestuben, wie beispielsweise dem „PrioriTea“ in der Strada Romulus 41, wo auch einige ihrer Stücke zum Verkauf stehen. „Vom Verkauf meiner Kunst allein kann ich leider nicht leben“, gesteht Cristina, deren Keramik-stücke auch in anderen Läden in Bukarest erhältlich sind.
In ihrem Atelier wühlt sie in einer kleinen Kiste und bringt nach und nach Porzellankunst in Miniaturformat zum Vorschein: kleine Teetassen, Schlüssel, Ringe und sogar eine Facebook-Hand mit nach oben gestrecktem Daumen – alles aus Porzellan und jedes Stück individuell.

„Porzellan ist gar nicht so einfach herzustellen“, erklärt Cristina. „Die Chinesen haben das Rezept dafür entwickelt und nichts kommt an dessen Qualität heran – auch nicht das Meißener Porzellan aus Deutschland.“ Die Zusammensetzung des chinesischen Porzellans konnte bis heute nicht vollständig entschlüsselt werden und diente damals dem europäischen Porzellan bei dessen Entwicklung als Vorbild.

Cristina Ciobanu kauft das Porzellan-Pulver immer selbst und schafft dann durch die Ergänzung einiger weiterer Zutaten ihre ganz eigene Mixtur des „weißen Goldes“. So kann sie, je nachdem ob sie an einer Figur oder einer feinen Teetasse arbeitet, die Beschaffenheit des Porzellans ständig nach ihren Wünschen variieren. Auch Experimente sind erlaubt: So stellte Cristina zuletzt eine Schale aus einer Mischung von Porzellan und einem Spezialton her, welche nach dem Brennen eine eigenartige, durch Bläschen zustande gekommene Oberfläche aufweist.

Vom flüssigen Porzellan zum bunten Becher

Zuletzt arbeitete sie an einer Kollektion kleiner Glocken, die auf verschiedenen Weihnachtsmärkten in Bukarest verkauft wurden. Vor dem Glasieren bemalte sie jede einzelne mit detailreichen Mustern oder Zeichnungen: Mal waren es weihnachtliche Motive, andere wurden mit russischen Zwiebeltürmen im Schnee verziert.

„Auf manchen habe ich sogar Blattgold verwendet“, sagt sie stolz und präsentiert ein handflächengroßes, rot-golden glänzendes Glöckchen. Etwa 24 Stunden arbeitete Cristina an einer einzigen Glocke, was sich, neben den teilweise kostbaren Materialien, im Preis niederschlug: Ein Glöckchen kostete zwischen 50 und 200 Euro. Etwa 80 Glocken fertigte sie bis zur Eröffnung der Weihnachtsmärkte an und natürlich glich dabei keine der anderen. Es war ein großes Projekt für die junge Künstlerin.

Schließlich demonstriert Cristina noch ihre Arbeitsschritte zur Herstellung eines kleinen Porzellanbechers, wie er später im Verkauf erhältlich sein wird. „Zunächst gießt man das flüssige Porzellan in die Gipsform und lässt es dann trocknen“, erklärt sie. Die Künstlerin klopft die bis zum Rand gefüllt Form ab und pustet sanft, um Luftbläschen zu entfernen. Sie lässt das Porzellan in der handgemachten Form etwas antrocknen und gießt dann in einem Schwung die restliche Masse wieder in ihren ursprünglichen Behälter zurück, sodass ein nur wenige Millimeter dünner Porzellanrand an den Wänden der Gipsform kleben bleibt.

„Das muss jetzt erst mal ein paar Minuten überkopf stehen bleiben und trocknen“, erläutert die Künstlerin. Währenddessen saugt der Gips die Feuchtigkeit aus dem Porzellan, wie man an dem sich ausbreitenden dunklen Rand der weißen Form erkennen kann.

Nach 20 Minuten entfernt sie den  Porzellanbecher schließlich durch sanftes Klopfen aus der Form – jetzt kann er gebrannt, bemalt und glasiert werden. „Mal schauen, was ich daraus noch mache“, sagt Cristina und stellt den Becher beiseite. Doch egal, wie er letztendlich aussehen wird – ein Unikat wird er sicher.