Das „Bucovina“-Institut in Radautz feiert 25 Jahre seines Bestehens

Die Bedeutung der Bukowina-Institute in Deutschland, der Ukraine und Rumänien

Dr. Ortfried Kotzian entfaltete von 1988 bis 2002 seine Tätigkeit in leitender Position im Bukowina-Institut in Augsburg.
Foto: Christine Chiriac

Das „Bucovina“-Institut in Radautz/Rădăuţi wurde vor 25 Jahren gegründet. Das Jubiläum des zur Rumänischen Akademie gehörenden Instituts wurde auf der 25. Internationalen Wissenschaftlichen Jahrestagung der Einrichtung, die am 29. und 30. Oktober in Radautz und Czernowitz stattfand, begangen. Aus diesem Anlass hielt Dr. Ortfried Kotzian eine Festansprache, in der er die Bedeutung der drei Bukowina-Institute in Deutschland, der Ukraine und Rumänien hervorhob. Im Anschluss drucken wir diese Rede ab.

Bevor wir uns Gedanken über die Bedeutung der Bukowina-Institute in Augsburg, Czernowitz und Radautz machen, lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den Gründungsideen und der Entwicklung der Institute äußern. Ich tue dies als einer der maßgeblichen Mitbegründer des Bukowina-Instituts in Augsburg und in meiner Eigenschaft als ehemaliger Direktor der Einrichtung bis zum Jahre 2002. Das Bukowina-Institut war lange Zeit über meine berufliche Tätigkeit von 1988 bis 2002 hinaus Teil meines Lebens, meiner wissenschaftlichen Forschungen, aber auch meiner Kontakte und Begegnungen mit Menschen in der ganzen Welt, die irgendetwas mit der Bukowina zu tun haben oder hatten. Ich habe in dieser Zeit die europäische Region Bukowina mit ihrer Kultur, ihren Menschen und ihren historischen Entwicklungen schätzen gelernt.

Nach 25 und teilweise auch mehr Jahren darf der Versuch unternommen werden, Bilanz zu ziehen. War die Gründung der Bukowina-Institute in den drei europäischen Ländern Deutschland, Ukraine, Rumänien notwendig? Was sollte mit der Errichtung der Institute bezweckt oder erreicht werden? Welche Visionen oder Zielsetzungen existierten bei der Gründung und welche entwickelten sich im Laufe der 25 Jahre? Wie rechtfertigen die Institute ihre Daseinsberechtigung?

Beginnen wir mit der Beantwortung der Fragen bei der Erstgründung:

1. Das Bukowina-Institut in Augsburg

Für Institute, die eine ost- oder südosteuropäische Region repräsentieren, in welcher vor dem Zweiten Weltkrieg Angehörige des deutschen Volkes lebten, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland einen gesetzlichen Rahmen. Dieser wurde im Jahre 1953 mit dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG) begründet. Er diente dazu, das kulturelle Erbe der deutschen Volksteile und Minderheiten aus dem Osten und Südosten Europas, die gegenwärtig auf deutschem Staatsgebiet leben, zu sichern und weiterzuentwickeln. Die bekanntesten sind die Schlesier, Pommern, Ost- und Westpreußen, die Sudetendeutschen, die Donauschwaben usw., die während des Krieges umgesiedelt wurden, gegen Ende des Krieges flohen oder nach dem Krieg vertrieben wurden. Auch die deutschen Minderheitengruppen aus Rumänien unterliegen dem Vertriebenengesetz, also auch die Deutschen der Bukowina.

Da der Bezirk Schwaben im Freistaat Bayern seit 1955 eine Patenschaft über die Buchenland- oder Bukowinadeutschen übernommen hatte, forderte Bezirkstagspräsident Dr. Georg Simnacher 30 Jahre später beim Pfingsttreffen der Bukowinadeutschen 1985 in der Augsburger Kongresshalle die Errichtung eines Bukowina-Instituts.

Dr. Simnacher nahm den Text der Patenschaftsurkunde über die Buchenlanddeutschen ernst, in dem es heißt: „…zur Wahrung und Förderung des buchenländischen Erbes.“ Er wollte eine „gelebte Patenschaft mit europäischer Ausstrahlung“. So erklärte er beim fünfjährigen Bestehen des Instituts den Sinn der Einrichtung: „Der Bezirk Schwaben und das Bukowina-Institut wollten mit diesen Begegnungen einen Beitrag für die Weiterentwicklung im politischen und wirtschaftlichen Bereich sowohl in der Ukraine als auch in Rumänien leisten. Bekanntlich liegt die Bukowina grenzüberschreitend in diesen Ländern.“ Und in der Partnerschaftsurkunde von 1997 heißt es: „Wir wollen gemeinsam unsere Kräfte einsetzen, um diesem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen und beispielhaft für den Entwicklungsprozess in Europa wirken.“

Es gab also nicht nur einen gesetzlichen, sondern auch einen politischen Auftrag für das Bukowina-Institut. Dazu gehörten die gesamteuropäische Zielsetzung, die Zusammenarbeit mit den Menschen in der Bukowina in Rumänien und der Ukraine sowie die Erforschung der Region Bukowina und die Erklärung ihres Schicksals und das ihrer Bewohner in den Jahrhunderten der Neuzeit. Das deutsche Bukowina-Institut hatte somit einen politischen, stark europäisch geprägten Auftrag, einen kulturellen, der sich mit den interethnischen Formen des Zusammenlebens befasste und einen wissenschaftlichen, welcher die Ursachen für die verschiedenen Entwicklungsphänomene ergründen sollte. Was waren somit die Ziele und Grundsätze des deutschen Bukowina-Instituts?

1. Das Bukowina-Institut Augsburg verstand sich in seiner Entstehungsphase immer als kulturelle und wissenschaftliche Einrichtung.
2. Das Bukowina-Institut Augsburg verfügte seit 1988 über eine eigene, selbst zu verantwortende Finanzausstattung mit Förderungen durch die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern und den Bezirk Schwaben, zeitweise noch durch die Stadt Augsburg und öffentlich-rechtliche Stiftungen.
3. Das Bukowina-Institut Augsburg ist rechtlich ein „eingetragener Verein“ (e. V.) und hatte eigene Personalhoheit.
4. Das Bukowina-Institut Augsburg versuchte das Wissen über die Bukowina in Mitteleuropa nicht nur auf wissenschaftlicher Basis, sondern auch in öffentlichkeitswirksamer Form zu vergrößern. Dazu dienten eigene Forschungsprojekte, Publikationen, Studientagungen, Studenten- und Dozenten-Austausch, Kooperationen mit den Partnerinstituten in Czernowitz und Radautz und vieles andere mehr.
5. Das Bukowina-Institut Augsburg orientierte seine wissenschaftliche und kulturelle Arbeit an den Besonderheiten in den historischen Entwicklungslinien des Phänomens Bukowina, z. B. der Vielsprachigkeit, dem kulturellen Austausch zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, den zahlreichen Migrationsprozessen, den Einflüssen totalitärer Ideologien etc.
6. Das Bukowina-Institut Augsburg versuchte bei seinen Studientagungen das Prinzip der Mehrsprachigkeit (Deutsch, Rumänisch, Ukrainisch) grundsätzlich durchzuhalten. Die Tagungen sollten jährlich im Wechsel in Augsburg, Czernowitz und Radautz stattfinden und von allen drei Bukowina-Instituten gemeinsam durchgeführt werden. Zwischen 1993 und 2002 war dies der Fall.
Mit der Angliederung des Bukowina-Instituts an die Universität Augsburg im Jahre 2003 änderte sich manches. Das Augsburger Institut veranstaltete keine Studientagungen mehr. Die Vierteljahresschrift „Kaindl-Archiv“ wurde eingestellt. Publikationstätigkeiten wurden auf ein Minimum zurückgefahren. Die umfassenden volkskundlichen Sammlungen verschwanden in Schränken und Depots. Personalabbau und die Konzentration der Finanzierung auf den Bezirk Schwaben setzten ein.

Weitergeführt wurden die Studienreisen in die Bukowina und Austauschprogramme aller Art. Internationale Ausstellungsprojekte, vor allem die „Umsiedlung der Deutschen aus der Bukowina 1940“, die 2001 erstmals in Suczawa und Radautz gezeigt worden war, wanderte nun durch die Ukraine, Polen, Deutschland und Ungarn.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Instituts verlagerte sich auf Studienangebote an der Universität Augsburg. Im Bereich der Forschung fehlt die Personalausstattung. Mit der neuen Leiterin Prof. Dr. Maren Röger soll an frühere Aktivitäten angeknüpft werden.

2. Das Bukowina-Zentrum an der Universität Czernowitz

Was in Augsburg in den letzten 10 Jahren intensiv betrieben wurde, die Integration des Bukowina-Instituts in die Universität Augsburg, war in Czernowitz von Anfang an vorhanden. Bereits 1990 hatte Prof. Dr. Taras Kijak von der Czernowitzer Universität Augsburg besucht und mit den Verantwortlichen des Bukowina-Instituts in Augsburg, Prof. Dr. Johannes Hampel und meiner Person, Kontakt aufgenommen. 1991 entstand an der Universität Czernowitz unter der Leitung der Professoren Taras Kijak und Oleg Pantschuk ein Bukowina-Zentrum. Hier sollte das Gebiet Czernowitz seine Identität als Region Bukowina zurückerhalten, was während der Sowjetzeit höchstens noch auf folkloristischer Ebene geduldet wurde.

Das Bukowina-Zentrum Czernowitz entwickelte zunächst eine durchaus erfolgreiche Tätigkeit, vor allem auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung unter den Studenten, dem Wecken von Interesse für Bukowiner Themen, der Übersetzungstätigkeit historischer deutscher Quellen ins Ukrainische und der Bearbeitung der im Westen berühmt gewordenen Bukowiner Schriftsteller vor allem durch Prof. Dr. Peter Rychlo.

Allerdings machten sich schon in der Frühphase zahlreiche erfolgversprechende Wissenschaftler auf den Weg zu anderen Universitäten oder in die Regierungshauptstadt nach Kiew auf, wo sie in politischen Ämtern oder im diplomatischen Dienst tätig wurden. Mit diesen persönlichen Entscheidungen gingen sie der Bukowina-Forschung und dem Bukowina-Zentrum verloren. Dieser Aderlass stellte einen Verlust für alle drei Bukowina-Institute in Europa dar. In Czernowitz selbst verblieb der Historiker Dr. Sergij Osatschuk, der aktiv im Bukowina-Zentrum wirkte und wohl der beste Kenner der Czernowitzer Geschichte der Stadt ist, insbesondere der österreichischen Epoche von 1775 bis 1918. Seine Ernennung zum Honorarkonsul der Republik Österreich in Czernowitz war eine logische Konsequenz. Einer, der von der Pädagogischen Universität Tarnopol nach Czernowitz zurückkehrte, ist Serhij Lukanjuk, der die Dienststelle für internationale Beziehungen „Gedankendach“ der Jurij-Fedkowicz-Universität, die sich im Laufe der letzten 25 Jahre auch „National“-Universität nennt, leitet.

Immer wieder – so meine Beobachtung – geriet das Bukowina-Zentrum in die Mühlen der ukrainischen Innenpolitik. Die Entwicklung in diesem jungen Staat zwischen der Einflusssphäre Russlands und der Europäischen Union war in den vergangenen 25 Jahren äußerst turbulent. Ich habe darüber in der Zeitschrift „Europäisches Journal für Minderheitenfragen“ ausführlich berichtet. Jedenfalls geriet das Bukowina-Zentrum zwischen die politischen Auseinandersetzungen und stellte im Jahre 2010 praktisch seine Tätigkeit ein. Die kolportierte Begründung lautete: Das Zentrum befasse sich zu sehr mit der österreichischen Zeit in der Bukowina und zu wenig mit der ukrainischen Nationalbewegung und dem damit verbundenen Staatswerdungsprozess sowie der Bukowina in der rumänischen Zwischenkriegszeit.

In diesem Jahr ist das Bukowina-Zentrum an der Universität Czernowitz wohl „reanimiert“ worden und Prof. Alexander Dobrzhansky, der Dekan der Fakultät für Geschichte, soll die Leitung übernommen haben. Von den Versuchen, das Zentrum wiederzubeleben, berichtete am 3. Mai 2017 auch Serhij Lukanjuk bei der Feier „20 Jahre Partnerschaft Schwaben – Bukowina“ in Augsburg.

3. Das Bucovina-Institut der Rumänischen Akademie in Radautz

Die wohl konstanteste Entwicklung der drei Bukowina-Institute in Europa machte unser Jubilar durch, dem an dieser Stelle ausdrücklich zum 25-jährigen Bestehen zu gratulieren ist. Es war zeitlich das 1992 zuletzt gegründete der drei Bukowina-Institute. Eine Angliederung an die Universität Suceava kam nicht in Frage, da deren Haupt-Ausrichtung durch naturwissenschaftliche Fakultäten bestimmt wurde. So musste die höchste wissenschaftliche Institution Rumäniens, die Rumänische Akademie, die Trägerschaft der Einrichtung übernehmen und hat diese bis zum heutigen Tage inne. Diese Gründungsentscheidung sorgte für eine hinreichende Stabilität des Bucovina-Instituts in Radautz.

Obwohl das Radautzer Institut keine eigene Haushaltshoheit besitzt, war es von der Personalausstattung her das größte aller drei Institute. Alle hauptamtlichen Mitarbeiter hatten sich der wissenschaftlichen Qualifikation des Doktorates zu stellen. Die ehrenwerten Repräsentanten und Akademiemitglieder des hiesigen Institutes Prof. Dr. Dimitrie Vatamaniuc, Prof. Dr. Radu Grigorowics oder Prof. Dr. Mihai Iacobescu schirmten den wissenschaftlichen Betrieb vor allen politischen Einflussnahmen der recht unsteten rumänischen politischen Klasse ab. Das Radautzer Institut sollte sich auf wissenschaftliche Publikationen über die Bukowina, und zwar in allen Wissenschaftsbereichen, konzentrieren: von der Geologie bis zur Soziologie. Mit der Halbjahresschrift „Analele Bucovinei“ gelingt dies in hervorragender Weise. Keine andere Institution, die sich mit der Bukowina befasst, hat so lückenlos seine Dokumentationsaufgabe erfüllt. Dies betrifft das Beschreiben der Persönlichkeiten der Bukowina ebenso wie die Rezensionen über die Neuerscheinungen zum Thema. Man kann dem Bukowina-Institut in Radautz nur einen langen Atem wünschen und hoffen, dass es auch die nächsten 25 Jahre so erfolgreich weiterforschen wird.

4. Die Bedeutung der Institute

Die Bedeutung der Bukowina-Institute für die Zukunft hängt weitgehend von der Bedeutung der Bukowina als Region in Europa ab. Die Bukowina war in den historischen Zeiträumen meist eine Grenzregion. Sie ist dies bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt geblieben. Die Untersuchung der Grenzsituation für die Zukunft des Raumes, der Länder Rumänien und Ukraine sowie Europas könnte eine wichtige Aufgabe für die Bukowina-Institute sein.

Die Menschen der Bukowina leben mehrheitlich in ihrer Heimat und haben sich mit Migration und Integration auseinanderzusetzen. Welche historischen Erfahrungen können solche Prozesse erleichtern? In dieser europäischen Schicksalsfrage müssen die Bukowina-Institute neue Wege gehen, um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Viele Bukowiner haben im 20. Jahrhundert ihre Heimat verlassen (müssen) und neue Erfahrungen mit neuen Heimaten gemacht. Die Bukowina-Institute aller drei Länder müssen dokumentieren und analysieren – immer mit dem Blick auf die Menschen der Bukowina. Sie haben diese Forschungsziele verdient.