„Das Dorf lebt wieder“

Über aktuelle Erfolgsgeschichten des Mihai Eminescu Trust

Die Kirchenburg Almen und das Dorf strahlen eine besondere Atmosphäre aus.

Staatspräsident Klaus Johannis, Caroline Fernolend und im Vordergrund der zweimillionste Baum, der in Kronstadt gepflanzt wurde.

Arbeiten an der Kirchenburg Almen
Fotos: Cristian Radu/MET

Nicht Deutsch-Weißkirch/Viscri, sondern Almen/Alma Vii ist laut Caroline Fernolend „das schönste Dorf“, in dem sie bisher tätig war. Das mag überraschen, aber die Direktorin der Stiftung „Mihai Eminescu Trust“ (MET) schätzt dort die Ursprünglichkeit und die „besondere Harmonie zwischen Kirchenburg und Dorf“. Zudem bezeichnet sie Almen als „Visitenkarte“ des MET. Die Öffentlichkeit kann sich in diesem Sommer im Rahmen eines „Brunch“ (9. August) und auf dem Heimattreffen der Almener Sachsen (13. August) davon überzeugen.

Als 2008 erstmals eine Anfrage des Bürgermeisters von Almen, Eugen Roba, bei der Stiftung eintraf, war der Vergleich mit Deutsch-Weißkirch noch undenkbar. Von den 390 Einwohnern lebten die meisten von Sozialhilfe oder hatten Jobs im Ausland und waren somit nur selten zu Hause. Doch das Team des MET hat Erfahrung mit Dörfern, denen sonst kaum jemand eine Chance gibt. Eine Regel der Stiftung ist es, nur in Ortschaften zu arbeiten, in denen die Dorfbewohner Eigeninitiative zeigen. So wurde auch in Almen als erstes eine Dorfversammlung abgehalten, bei der eine „Wunschliste“ erstellt wurde – eine Auflistung von Ideen und Vorschlägen der Menschen, ergänzt von einer Bestandsaufnahme des „dörflichen Know-hows“ und der noch aktiven Handwerker.

Seit dieser ersten Versammlung konnten unter Mitwirkung der Gemeinde die Brücken über den Dorfgraben erneuert, eine Straße gepflastert und mehrere Häuserfassaden restauriert werden. Zudem hat die Stiftung einen Bebauungsplan anfertigen lassen. Die Restaurierung der Kirchenburg war jedoch zunächst unwahrscheinlich, da der letzte Siebenbürger Sachse aus Almen Mitte der neunziger Jahre ausgewandert war und sich die neueren Almener zunächst mit dem sächsischen Wehrbau nicht identifizierten. Caroline Fernolend war überrascht, als die Dorfbewohner doch mit dem Vorschlag kamen, die Kirchenburg instand zu setzen. „Wieso das?“, fragte sie neugierig. Die Antwort lautete: „Weil die Kirchenburg schon immer im Dorf war!“ Es dauerte weitere fünf Jahre, bis das Team der Stiftung unter Mitwirkung von Fachleuten entsprechende Pläne erstellen ließ und einen Finanzierungsantrag vorbereitete. Dieser wurde bei den sogenannten „Norwegischen Grants“ eingereicht, einem Fonds der von Norwegen, Liechtenstein und Island gemeinsam getragen wird. Von 173 Anträgen wurden nur sechs in die letzte Runde eingeladen, und Almen gelangte schließlich auf Platz eins. Nicht nur die Almener selbst waren über den Erfolg überrascht – die Mitarbeiter des rumänischen Kulturministeriums, die für die Abwicklung des Projekts zuständig waren, äußerten regelrechte Skepsis. Außerdem war die einheimische Bürokratie eine Herausforderung, und das „obwohl wir schon etliche Male gezeigt haben, dass unser Modell funktioniert“, wie Caroline Fernolend hervorhebt.

Seither hat sich in der Kirchenburg viel getan: auf Wunsch der Dorfbewohner wurde dort ein Backofen errichtet, in dem Brot und ein traditioneller Krautkuchen gebacken werden. Außerdem gibt es jetzt drei Schlafräume für Touristen, einen großen Essraum, ein Badezimmer und einen Gemeinschaftsraum, in dem die Kinder aus dem Dorf basteln und Volkstänze erlernen.
 

Gemeinschaft steht im Mittelpunkt

„Neben der Restaurierung der Mauern und Türme war die Gemeinschaft das Herzstück unserer Arbeit“, sagt Caroline Fernolend. Das Team der Stiftung bat jede Familie, eine Leihgabe für die Kirchenburg zur Verfügung zu stellen, einen symbolischen Gegenstand, der mit der Geschichte verbunden ist und einen Bezug der Rumänen und Roma zur Kirchenburg herstellen sollte. „Der eine hat uns ein Weinfass gegeben, die andere ein paar alte Bücher, der nächste wiederum ein Grammophon“, so die Stiftungsleiterin. „Da-raus ist nicht ein Museum erwachsen, sondern eine Kollektion, mittels der die verschiedenen Gruppen ihr Kulturerbe vorstellen. Interessanterweise erzählt jede Gruppe die Geschichte über Almen vollkommen anders.“

Um diese Projekte überhaupt in Angriff nehmen zu können, hatte der MET einen Partnerschaftsvertrag mit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien – dem Eigentümer der Kirchenburg – abgeschlossen, und die Almener zur Gründung eines Vereins animiert. Der inzwischen etablierte Verein heißt „Alma Viitor“ – ein Wortspiel, das sowohl den rumänischen Namen der Ortschaft, Alma Vii, beinhaltet, als auch das Wort „Zukunft“. „Das Dorf lebt wieder“, bringt es die MET-Direktorin auf den Punkt. „Wir sind froh, dass im August gleich zwei öffentliche Veranstaltungen stattfinden werden, bei denen Almen im Fokus steht.“

Das nächste Vorhaben in Almen ist nun die Sanierung der Kirche. Diese war im ersten Projekt nicht einbegriffen, da insgesamt nur eine Laufzeit von elf Monaten vorgesehen war, und die Kapazitäten für umfassendere Arbeiten (noch) nicht gegeben waren. Nun aber wird mit Bauingenieuren, Statikern, Topographen und Biologen beraten und am technischen Projekt gebastelt, um die nächste Ausschreibung nicht zu verpassen. „Die bisherige Investition trägt sich schon“, versichert die Stiftungsleiterin, „und die Touristen lassen nicht auf sich warten.“
 

Die Werte der Dörfer schützen

In Deutsch-Weißkirch ist man inzwischen fast so weit, dass man sich angesichts der nicht nachlassenden Touristenströme auf die Ursprünglichkeit rückbesinnen muss. Allein im vergangenen Jahr kamen 34.000 Besucher ins Dorf, was die Weißkircher natürlich nicht ohne Stolz registrierten. Allerdings besteht laut Caroline Fernolend auch die Gefahr, dass die Authentizität des Ortes verloren geht. Viele Besucher fahren zu schnell, wirbeln den Staub der unasphaltierten Straßen auf und parken vor den Dorftränken, sodass die Tiere nicht immer trinken können. Deshalb wurde letztes Jahr im Rahmen mehrerer Besprechungen mit der Dorfgemeinschaft und mithilfe von Fachleuten des Europarats eine Art „Sozialvertrag“ erarbeitet, in dem die Werte der Weißkircher festgehalten werden. Gültig sind diese jedoch für jede Dorfgemeinschaft, die authentisch bleiben möchte, denn das Dokument befasst sich mit allgemeinen Fragen rund um das Bewahren der lokalen Authentizität und der traditionellen Lebensart. In Weißkirch wurde vor Kurzem als Maßnahme gegen den vielen Staub gemeinschaftlich beschlossen, die Straße mit Flusssteinen auszulegen; zudem soll am Dorfrand ein Parkplatz entstehen, damit die Besucher während der Saison nicht mehr mit ihren Autos bis zur Kirchenburg fahren.

Jedenfalls restauriert die Stiftung in Deutsch-Weißkirch keine Fassaden mehr – „das machen die Dorfbewohner längst alles selber!“, freut sich Caroline Fernolend. Vielmehr widmet sich das fünfköpfige MET-Team zurzeit gemeinschaftsbildenden Maßnahmen, unter anderem Fortbildungen für lokale Verantwortliche in den Dörfern. Zudem werden Entwicklungspläne für Deutsch-Weißkirch, Arkeden/Archita, Almen und Malmkrog/Mălâncrav erarbeitet.
 

Engagement für die Umwelt

Im Rahmen eines weiteren großen Projekts, das die Stiftung bereits seit acht Jahren vorantreibt, engagieren sich Schüler für die Umwelt indem sie Bäume pflanzen. Das Vorhaben heißt „Plant for the Planet“ und wird von einer bekannten Hotelkette finanziert. Indem Hotelgäste ermutigt werden, ihre Handtücher mehrmals zu benutzen, entstehen Ersparnisse, die in die Aufforstung fließen. 2008 gewann der MET die Ausschreibung für Rumänien. Seither gelang es den 8100 teilnehmenden Schülern von 104 Schulen und den 1500 Freiwilligen rund 440 Hektar in den Kreisen Bihor, Bistritz, Kronstadt/Braşov, Covasna, Harghita, Muresch, Sathmar/Satu Mare und Hermannstadt/Sibiu aufzuforsten. Nachdem der einmillionste Baum im Mai 2013 in Arkeden von Prinz Charles persönlich gepflanzt wurde, erfuhr das Projekt in diesem Jahr eine weitere Würdigung in der rumänischen Öffentlichkeit. In feierlichem Rahmen pflanzte Staatspräsident Klaus Johannis am 22. Mai vor der Kronstädter Forsthochschule den zweimillionsten Baum. „Wir sind natürlich sehr glücklich, dass der Präsident diese Initiative, die aus der Zivilgesellschaft kommt, schätzt und unterstützt“, sagt Caroline Fernolend. Bis 2021 sollen zehn Millionen Bäume gepflanzt werden.

Doch auch in diesem Fall steht nicht „nur“ die Natur im Mittelpunkt des Projekts. Primär geht es der Stiftung um die Sensibilisierung der Jüngsten für Nachhaltigkeit und Engagement für die Umwelt. Um ein Bewusstsein zu schaffen, organisiert der MET nicht allein Workshops mit Fachleuten, sondern setzt sich dafür ein, dass die traditionellen Obstgärten der dörflichen Schulen wieder ins Leben gerufen werden. „Früher hatte jede Schule auf dem Land einen Obstgarten“, so die MET-Direktorin. „Dort konnten die Kinder lernen, welche Apfelsorten es gibt, wie man Bäume schneidet, wie man pfropft.“ Fünf Obstgärten sind in Siebenbürgen bereits wieder in Betrieb, und der Schlüssel wird jeweils von der siebten Klasse bewahrt und weitergegeben.

Die Bilanz des MET zu seinem zwanzigsten Gründungsjubiläum im kommenden Jahr ist mehr als beeindruckend. Bisher war die Stiftung bereits in mehr als einhundert Dörfern und fünf Städten tätig und hat mehr als 1200 Projekte abgewickelt, die nicht nur dem siebenbürgischen Kulturerbe, den Handwerkstraditionen und dem nachhaltigen Tourismus zugutekamen, sondern vor allem den Menschen, für die neue Lebensgrundlagen geschaffen werden.