Das Liebäugeln mit V4

Im Fall der beiden Chefs der Regierungskoalition, Liviu Dragnea und Călin Popescu Tăriceanu, muss man von manischer Blindheit sprechen, ausgelöst durch ihre Angst vor einem Zugriff der Justiz. Beide haben Dreck am Stecken, beide könnten jederzeit vor Gericht gestellt werden. Ihr Glück: Die heutige rumänische Justiz hat an der Spitze einen feigen und kriecherischen Minister, dem Verfassungsgericht steht ein kompetenzloser, aber der PSD bis zum Aufgeben der Selbstachtung ergebener Vorsitzender Dorneanu vor und es gibt Staatsanwälte und Richter, die auf höheren Befehl als den der Göttin Justitia zu hören bereit sind. Karriere geht vor alles – kein Wunder bei den Löhnen und Renten, mit denen die ehrlich Malochenden den Untertanengeist in der Justiz mit ihren Steuergeldern füttern.
Dragnea und Tăriceanu suchen in ihrer Wutblindheit wegen der Justiz dauernd nach Auswegen, nicht nur intern, mittels Unterjochung der Justiz durch die Parteien, was gegenwärtig im Gange ist. Ebenfalls im Gange scheint ein außenpolitischer Schwenk zur sich radikalisierenden Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei – V4). Seit Orbán-Ungarn und Kaczýnski-Polen auf die rechtsradikale nationalistische Spur umsprangen und seit sich die innenpolitische Lage Rumäniens durch die angepeilte Justizreform des Justizministers Tudorel Toader zuspitzt, verdichten sich die Gerüchte, dass Rumänien sich der nach rechts driftenden V4 annähert.

Außenminister Teodor Mele{canu, ein Wendehals und glitschiger Konformist, erklärte, dass „die Information, dergemäß Rumänien ein Beitritt zu dieser Gruppe angeboten wurde, unkorrekt“ sei. Kann sein. Verneint wird damit aber nicht der Inhalt des Schwenks, den die beiden Straffälligen an der Parlamentsspitze anpeilen. Denn es interessiert die Öffentlichkeit kaum, ob V4 Rumänien einen solchen Vorschlag unterbreitete, hingegen, ob Rumänien wirklich Schritte in Richtung Schaffung von V5 gemacht hat. Stimmt dieses Gerücht, dann sind wir Zeugen einer außenpolitischen Diebespirsch durch Regierung und Regierungsmehrheit – eindeutig gegen den Willen und die Absichten des Präsidialamtes, dem eine Art Souveränität über die Außenpolitik zufällt. Der Vorgang erinnert an Juni 2012. Ob auch das Präsident Johannis Stimmen und Sympathien, also eine Festigung seiner lange Zeit fragilen Position einbringt, kann erhofft werden, muss sich aber auf Dauer bewahrheiten. Präsidialwahlen haben wir 2019.

Der Vorgang, geheim (vor allem von Dragnea) vorangetrieben, schwächt die Bindung an Nato- und Westpartnerschaften Rumäniens, untergräbt die privilegierte Partnerschaft mit den USA und schafft Verwundbarkeit des Landes gegenüber Russland. Alles zum Preis der politischen Untergrabung der Justiz und der Erdrosselung des Antikorruptionskampfes, also zum Nutzen einer kleinen Führungsgruppe in den Parteien der Regierungskoalition.

V4, die mitteleuropäische Staatengruppe, tritt oft koordiniert auf. Neuerdings ist Viktor Orbán eine Art Koordinator, mit Duldung Polens. Orbán, dessen Ruf in Brüssel angeschlagen ist, wurde als rechter Nationalist ein Ideal für Dragnea und T²riceanu, mit Europaskeptizismus, Illiberalität, immer betonteren Neigungen zur Autokratie, Unterordnung der Justiz. Der Senatsvorsitzende T²riceanu behauptete im Sommer, dass „seit Römerzeit“ alle „außenpolitischen Garantien vergänglich“ seien – also auch jene seitens Nato und EU... Hingegen müsse man mehr auf „nationale Souveränität“ setzen, klar: in Opposition zu Nato und EU. Reinste Orbán-Denke.

V4, das Spielzeug Orbáns, festigt dessen Position in Europa, trotz der Konfrontationsängste Brüssels. Er wird zum Idol der durch Justizprobleme blinden Dragnea und Tăriceanu. Eine Annäherung an Orbán heißt implizite eine an Putin, also die Unterminierung der EU-Interessen Rumäniens. Wer sich Zar Putin nähert, entfernt sich von Polen.

Wer kalkuliert das Risiko?