Das Programm der 100 Täuschungen

„Da Strukturreformen fehlen und keinerlei fiskalische Konsolidierung auszumachen ist, riskiert das solide Wirtschaftswachstum Rumäniens auf eine Bruchlandung zuzusteuern.“ So die Befürchtung Brüsseler Experten. Brüssel: Gerade in Zeiten des Wirtschaftswachstums nimmt jede gescheite Staatsführung eine wirtschaftliche Restrukturierung vor und richtet sich auf Zeiten weniger triumphalen Wachstums ein – Puffer zum Abfedern des Schocks. Laut Wirtschaftsgesetzen folgen auf Aufschwungs- Regressionsphasen, wird das Wachstum gebremst oder gar von echter Rezession gefolgt. Haben die PSD-Wirtschaftsdilettanten vom Schlag eines Darius Vâlcov, von dem die „Ideen“ des PSD-Wirtschaftsprogramms stammen, keine Ahnung davon?

Die Folge: Man liest bei Bloomberg wiederholt, dass gerade Rumänien, das EU-Land mit dem größten Wirtschaftswachstum, zeitgleich eine der höchsten Armutsraten Europas aufweist und dass gut ein Fünftel aller Bürger das Land bereits verlassen hat – vergleichbar mit dem Bürgerkriegsland Syrien. Die Ratingagentur Standard&Poors ließ das Rating Rumäniens unverändert, kritisiert aber steigende Defizite, die prozyklische Politik der Regierungskoalition PSD/ALDE samt Ungarnverband (kluge Regierungen agieren antizyklisch), konstatiert besorgt „das graduelle Anwachsen der öffentlichen Verschuldung“. Die Inflation ist schon da!

Vor diesem Hintergrund kommt die Premierministerin (und Zweite in der PSD) Viorica Dăncilă mit einer Neuigkeit auf dem Huldigungsparteitag für Dragnea: Sie tauscht stillschweigend das ominöse Regierungsprogramm, über das schon zwei Premierminister gestolpert sind, mit einem schwammigeren 100-Punkte-Programm aus, das sich über Zeiträume erstreckt, die kaum jemand im Saal erleben wird. Zum Beispiel: 2040 wird Rumänien „regionaler Leader in der Industrie der Informationstechnologie“. Daddy Dragnea erlebt es sicher nicht (in seiner heutigen Position, auch wenn er am Xi-Jinping-Syndrom, des Superbosses auf Lebenszeit, leidet). Viorica hat die Heilige Kuh der PSD, das Regierungsprogramm, zum 100-Punkte-Programm ausgedünnt. Sie hat den PSD-Wirtschaftspopulismus verwässert. Was die Hoffnung aufkommen lässt, dass einige der gefährdeten makroökonomischen Faktoren vielleicht noch gerettet werden können – auch wenn es keine erklärte Absicht der PSD ist. Und: Was nicht verwässert wurde, wird bis zur Unwirksamkeit für die Gegenwart hinausgeschoben. Das ist Absicht.

Vioricas 100-Punkte-Programm ist eine Mixtur von mittel- und langfristigen Prioritäten, leeren Versprechungen und Realisierbarem, Straßenasphaltierungen in Dörfern und Rentenerhöhungen, Lohnsteigerungen und Steuersenkungen. Sie schlug auf dem Parteitag so viel Schaum, dass künftig nur noch wenige Wirtschafts- und Sozialfachleute verfolgen können, was von den Plänen dieser Koalition umgesetzt wird. Es sei denn, die Folgen einzelner Programmpunkte sind so schmerzhaft, dass jeder Bürger mit der Nase draufgestoßen wird – wie Kätzchen in die kuhwarme Milch.

Immerhin gibt es sechs Entwicklungshauptrichtungen: Infrastruktur, Landwirtschaft, Energie und natürliche Ressourcen, Erziehung, Gesundheitswesen, Technologie der Informatik – allesamt nebelig präsentiert. Beispiel Infrastruktur: „Es wird eine riesige Kapitalinfusion geben“, prophezeit Frau Viorica. Von wo, konkret, das viele Geld? Beim Rumknuddeln der Regierenden bezüglich der zu gründenden Entwicklungsbank Rumäniens zeigt es sich, dass da nicht viel dahintersteckt...

Schleierhaft die „Anwendung des deutschen Modells“ bei öffentlichen Ankäufen, die Viorica verkündet. Zutreffend die Fragilität des Gesetzes für öffentliche Ankäufe. Hier liegt sie mit der Antikorruptionsbehörde DNA gleichauf!
Wir haben also 100 Programmpunkte, sechs Prioritätsrichtungen und zahllose Warnungen und Bedenken der internationalen Finanzinstitutionen und Beobachter. So was nennt man Wirtschaftsdenken Marke PSD.