Das Rathaus als Familiengeschäft

Verurteilte Ex-Bürgermeister schieben zwecks „Kontinuität“ Verwandte vor

Rund ein Viertel der 80 Bürgermeister des Banater Berglands sind in der gerade ablaufenden Legislaturperiode straffällig geworden und gerichtlich verurteilt. Nicht in allen Fällen zu Freiheitsentzug, sondern auch zu Gefängnisstrafen auf Bewährung – in allen Fällen aber ist ihnen für mehrere Jahre die Ausübung öffentlicher Ämter gerichtlich untersagt worden und sie können bei den Wahlen vom 5. Juni nicht mehr kandidieren.

Falsch verstandene Solidarität

Damit, sollte man meinen, sind die Korrupten gesellschaftlich beiseite geschoben, obwohl die Wahlrealität Rumäniens bewiesen hat, dass das Wahlverhalten der Bürger nur unerheblich beeinflusst wird von der Vergangenheit der Kandidaten und von ihrem Verhalten dem Gesetz gegenüber: In nahezu allen Fällen werden sie, unbeeinflusst von ihren Strafregistern, wiedergewählt. Es gilt das „altbewährte“ Prinzip: Der hat bereits gestohlen, der dürfte jetzt endlich satt sein und also künftig weniger stehlen...
In der Praxis sieht es im Banater Bergland mit den notorisch Korrupten – die allbekannt sind, wie Volksmusik- und Manelesänger oder viel Haut zeigende Popstarletts – so aus, dass sie, wenn ihnen die Justiz die Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt hat, sofort ihre Frauen oder neuerdings ihre Söhne vorschieben. Damit wird Kommunalpolitik zum Familiengeschäft, genauer: zur politischen Melkkuh einzelner Familien. Und die Wählerschaft zieht an diesem Strang bedenkenfrei mit. Was mit vielen Gründen, in erster Linie mit der Mentalität, zu tun hat. Einmal zum heiß ersehnten Übervater geworden, strahlt die in der Gesellschaft akzeptierte Rolle auch auf Frau und Sprößlinge aus.

Bürgermeisterstuhl als Erbstück

So erfolgt eine Art „Besitzübergabe“ des Bürgermeisterstuhls, fußend auch auf der Tatsache, dass es in den ländlichen Gemeinschaften eine tiefverankerte Solidarität gibt mit jedem, der von der den Staat verkörpernden Justiz verurteilt wurde, der „bestimmt irgendwie schuldig, aber wahrscheinlich auch immer ein bisschen unschuldig“ ist (weil der Macht aus-übende Staat über die Jahrhunderte hinweg vom kleinen Mann meist als ungerecht handelnd empfunden wurde). Der Verurteilte „verdient“ also das Mitleid des Wählers. Anders gilt die allgemeine Meinung im Dorf, sie schafft eine ganz anders geartete Meinungssolidarität, die in der Gemeinschaft genau so wirksam wie ein Gerichtsurteil ist, nur ist sie unangefochtener. Wer da hineingerät, den wäscht niemand mehr rein.

In zwei benachbarten Gemeinden am Ufer des Do-naustausees vom Eisernen Tor I, Socol und Pojejena, gibt es zwei gute Beispiele für dieses Verhalten. Valentin Ghiţă, der ehemalige Bürgermeister von Socol/Socolarac, war im „APIA-Skandal“ rund um den abgesetzten Chef der EU-Zahlstelle APIA, Romică Anculia, als einer der sechs darin verwickelten Bürgermeister verurteilt worden, die zusammen mit Ancolia Arbeiten auf Zehntausenden von Hektar brachliegenden Gemeindebesitzes durch Tricks und Mauscheleien zu ihrem Privatnutzen bei APIA als „gepflegtes Weideland“ um harte Euro verrechnet haben. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Prompt wählte daraufhin die Gemeinde Socol dessen Frau, Olghiţa Ghiţă, zu ihrer Bürgermeisterin, obwohl die Hausfrau nie in irgendwelchen Gemeindeangelegenheiten aufgefallen ist.

Der Kaiser ließ die Kaiserin regieren

Von größerem Format war Omer Radovankovic, genannt „Kaiser des Donaudurchbruchs“, ein umtriebiger Serbe und Bürgermeister der Serbenortschaft Pojejena, reich geworden durch illegalen Fischfang (mittels der in Rumänien auf dem Donau-stausee verbotenen Echolotung) und Fischhandel, Tourismusgeschäfte, Ziegenherden, Weinberge und Fischteiche aus ehemaligem Staatsbesitz – und durch nie handfest nachgewiesene, aber allen bekannte Schmuggelgeschäfte mit Serbien. Radovankovic war ein Vertrauensmann der PDL, ein Begünstigter bei über den Kreisrat laufenden Finanzierungen und nicht selten geschickter Zeremonienmeister von PDL-Bonzengelagen in seinen Restaurants und Pensionen am Donauufer.

Er stolperte letztendlich über Schmuggelgeschäfte mit Zigaretten durch die DutyFree-Läden im Hafen von Neumoldowa/Moldova Nouă, die von ihm kontrolliert wurden, und sitzt für mindestens sechs Jahre im Gefängnis – wenn das Straftaten milde duldende rumänische Parlament nicht weiter an den Gesetzen „feilt“, bis auch er früher frei wird. Zuhause in Pojejena ist aber das Herrscherregime der Radovankovic gerettet: Omer Radovankovics Frau Mira hat keine zwei Monate nach Antreten des Vollzugs ihres Mannes die Wahl zur Bürgermeisterin für sich entschieden. Ohne Gegenkandidaten. Kontinuität des Clans gesichert! Zumal sich die Familie in der Ortschaft eines starken und gut gefestigten Unterstützerkerns (der auch ein Begünstigtenkern ist) erfreut, der jederzeit Mehrheiten sichert.

Prozesse kein Hindernis

In dieser Zeitung wurde auch schon über das „Reich der Caneas“ in der Almăj-Tal-Gemeinde Lăpuşnicel berichtet, wo Ilie Canea über zwölf Jahre lang Bürgermeister war und dabei am Rand der Gemeinde eine Art Geheimtreff für allerhand Stars und Sternchen der Manele-Szene Rumäniens baute – die Schwäche seines Sohnes Iliuţă Canea, von dem es in der Gemeinde heißt, dass er bei seinen Gelagen mit Hundert-Euro-Scheinen um sich zu schmeißen pflegt. Ilie Canea wurde nach langwährenden Prozessen wegen Fälschungen und Amtsübergriffen verurteilt und von der Präfektur abgesetzt. Nun kandidiert am 5. Juni sein Sohn Iliuţă Canea für den Bürgermeisterstuhl. Mit besten Chancen. Pikant am Rande: Er kandidiert für die von Ex-Präsident Traian Băsescu unterstützte Partei, die PMP... . Übrigens liefen auch gegen Iliuţă Canea strafrechtliche Untersuchungen wegen Steuerbetrug und er muss sich nun vor Gericht dafür verantworten, weshalb die Medien des Banater Berglands gern behaupten, Iliuţă hätte in den vergangenen anderthalb Jahren mehr Zeit in den Gerichtssälen verbracht als Zuhause oder mit seinen heißgeliebten Manelesängern und teuren Liebschaften.

„Etwas wird schon dran sein“

Im Nordwesten des Banater Berglands, in Zorlenţu Mare, ist Bürgermeister Viorel Işfan abgesetzt und zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt und damit gerichtlich aus dem Verkehr gezogen worden. Der Vorwurf gegen ihn: anhaltender Interessenkonflikt. Bei den Wahlen am 5. Juni kandidiert nun sein Sohn, Marius Işfan. Ihn hat die PNL als ihren Kandidaten vorgeschoben. Angeblich mit besten Chancen, bald den Stuhl zu drücken, von dem sein Vater weggefegt wurde. Nicht zuletzt der Fall der Familie Lechici in der reichen Großgemeinde Răcăşdia südlich von Orawitza. Mirko Lechici, der charismatische Bürgermeister, ist in Rente gegangen. Mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist er nie, obwohl er seit dem Umsturz in Rumänien im Amt ist. Aber auch er sorgte für das „Familienerbe Rathaus“: Sein gleichnamiger Sohn entschied die Kommunalwahl 2012 für sich und tritt nun zum zweiten Mal an. In allen Fällen scheint ein im Banater Bergland verbreitetes ländliches Bonmot zu gelten: „O fi şeva, şeva, da´ niş chiar aşa!“ (in etwa: „Etwas, etwas könnte schon dran sein, aber nicht grad sooo!“)