Dein Telefon blubbert!

Symbolfoto: Pixabay

Ach, wie schön waren die Zeiten, als man wenigstens am Feierabend noch zu Hause ungestört ein Buch lesen oder mit dem Ehegatten diskutieren konnte. Seit ich per Smartphone vernetzt bin, weil unsere heißgeliebte Althandysammlung - vier gleiche Exemplare als gegenteilige Ersatzteillager - nach dem allerletzten Ausschlachtungsversuch geschlossen in die ewigen Jagdgründe einging, ist es Essig damit. Weg mit dem grobschlächtigen „Knochen“, mit dem man einfach nur telefonierte und sonst gar nichts - her mit dem superflachen Allroundperformer, mit dem man E-Mails schreiben, fotografieren, spielen, scannen, Musik hören, fernsehen, Interviews aufnehmen, Metalle detektieren, das Wetter vorhersagen, Mauern ausloten und was weiß ich was noch alles kann. Wäsche waschen oder ein Dreigängemenü kochen wäre praktisch. Ach ja, und telefonieren.

„Dein Telefon blubbert!“, unterbricht mein Göttergatte unsere heißen Diskussionen um Mitternacht, ob die Daker nun schriftkundig waren und was sich Brâncu{i bei den runden Elementen am Tor des Kusses gedacht haben mag. Vergeblich tat ich so, als hätte ich das wässrige Plätschern - das diskreteste zur Auswahl stehende Signalgeräusch - einfach nicht gehört. Und murrte:„Ist das jetzt wichtig?“ Für mich hat der Mensch, dem ich gegenüber sitze, eindeutig Priorität! Doch George sieht mich strafend an. Die Handy-Nettiquette hat solch antiquierte Regeln wohl längst über den Haufen geworfen. „Es könnte ja wichtig sein!“, meint er. Um Mitternacht? Bin ich Feuerwehrmann, Notarzt oder Rettungssanitäter? Will irgendjemand ganz schnell einen journalistischen Blitzeinsatz, etwa einen Brandartikel über eine hochaktuelle Buchvorstellung oder ein Notfallfoto vom neuen Kunstwerk vor dem Pressehaus?

Heutzutage muss man jede Sekunde lokalisierbar, ansprechbar und antwortbereit sein. Und zwar für die ganze Welt. Für meinen Vater in Spanien, der sich in seinem Orangenhain langweilt und mit mir auf Whatsapp quatschen will. Und besorgt ist, wenn ich nicht gleich antworte. Oder für Facebook, das meldet: Bruno Brösel hat sein Profilfoto geändert und Knut Knorpel ein Bild seiner Katze gepostet. Von Hilde Haumichblau gab’s ein Like für irgendwas, was sie halt jetzt, um Mitternacht, gerade so liked. Hochaktuelle Dinge, die man in Echtzeit zur Kenntnis nehmen muss! Alles andere kann ja warten.
Trotzdem gibt es Momente, wo man den Message-Blubb oder die meditativen Sphärenklänge, die einen sanft, aber insistent zur Gesprächsbereitschaft mahnen, in der Tiefe der Tasche überhört, weil die U-Bahn kreischt oder der Bus dröhnt. „Ich hab dich angerufen!“, tönt es dann vorwurfsvoll keine fünf Minuten später. Soll heißen: Schau halt mal alle naslang auf den Bildschirm, wenn du schon nicht hörst!
Es wundert mich, dass bei soviel Bedürfnis nach sofortiger Kommunikation die Handybrille noch nicht erfunden wurde, in der die eingehende Message am Rand der Linse aufblinkt.

Oder man erklärt gleich ein Glas zum Bildschirm - genügt doch, wenn man mit dem anderen Auge Durchblick hat. Den modernen, an Multitasking gewöhnten Menschen, stört dies auch beim Autofahren nicht. Besser sofortige Gewissheit als die ewig nagende Unruhe: Was war das jetzt für ein Blubb?
Noch zweckmäßiger aber wäre ein Mikrochip im Gehirn, der das Öffnen der Nachricht erübrigt, weil sie sich gleich direkt in die Hirnströme einklinkt. Etwa so, wie in dem Witz mit den drei Herren in der Sauna: der Japaner, der zum Telefonieren in seine Handfläche spricht, der Amerikaner, der nur noch denken muss, und der Bayer, dem ein hörbarer Wind entfleucht - genau wie der Sound, den ein i-Phone macht, wenn die SMS gerade rausgeht - und ruft: „Schnell, Papier her, ich bekomme ein Fax!“
Der Vorteil des Message-Blubbs liegt auf der Hand: Endlich kann man auch vom OP-Tisch herunter, aus dem Whirlpool oder von der Eiger-Nordwand hängend in Echtzeit Knuts soeben gepostete Katze liken.