Der Gernegroß als Großmufti

Wir haben einen Hampelmann zum Justizminister. Sein Wunschtraum: als Rechtsgenie und Justizreformator in die Geschichte einzugehen. Selbstzweifel an seiner Genialität und an der Unfehlbarkeit seiner Rechtsdeutungen? Ausgeschlossen! Am Wadenbeißer der Regierungskoalition hält man fest, weil er macht, was von ihm erwartet wird: Er untergräbt den fragilen Rechtsstaat Rumänien und (er)findet Argumente zum Feuern aller unbequemen Spitzenjuristen.

In seiner kurzen Amtsführung hat der Justizkenner einerseits das Rechtssystem Rumäniens durch Gesetze und Personalmaßnahmen in den Schlüsselinstitutionen des Systems erschüttert, andrerseits sich alle progressiven Kräfte von Staat und Gesellschaft zum Gegner gemacht. Durch Widersprüchlichkeiten seines Tuns, denn einmal stellt er sich hinter die „Reform des Justizwesens Rumäniens“, ein anderes Mal lässt er die Regierung am Tag des Inkrafttretens von Gesetzen der „Justizreform” zeitgleich eine Eilverordnung (OUG 92) im Amtsblatt veröffentlichen, die diese „Reformgesetze“ in Teilen zurücknimmt oder aushebelt. Alles im Kontext, wo die Venedig-Kommission ein vernichtendes Urteil zur „Justizreform” in Rumänien bekannt machte und, ebenso wie die EU-Parlamentarier, die Zurücknahme und „reelle demokratische Debatte“ über die „Reformgesetze des rumänischen Justizwesens” fordert.

Vor der erwarteten Regierungsumbildung (und im Kontext, wo sich „Daddy” Dragnea urplötzlich erinnert hat, dass das Justizressort in der PSD/ALDE-Koalition „eigentlich“ seiner PSD zusteht...) hatte die Marionette mit Selbstbewusstsein T. Toader nicht nur den Großteil der Staatsanwälte Rumäniens gegen sich aufgebracht, den Obersten Magistraturrat CSM, die Venedig-Kommission, die Zivilgesellschaft und Präsident Johannis (der schon zweimal seinen Rücktritt gefordert hat). Er hat sogar mehrere „schwere Jungs“ der PSD gegen sich positioniert (die Bande der Justiz-„Reformer“ um Iordache und [erban Nicolae) und den allmächtigen PSD-Chef Liviu N. Dragnea, dem er eine Eilverordnung über eine Generalamnestie und Begnadigungen verweigerte. Neugegner Toaders sind jetzt Teile des PSD-hörigen Verfassungsgerichts CCR (Novellen des Strafgesetzbuchs wurden als verfassungswidrig erkannt, seine OUG 92 wird wohl zur Gänze vom Tisch gefegt). Cristina Tarcea, die Chefin des Obersten Gerichtshofs ÎCCJ, nimmt Justizminister Tudorel Toader bloß noch auf die Schippe.

Unterstützt wird er nur von Senatschef Tăriceanu, der ihn zum Minister Knetmasse machte, und der ihn als Druckmittel im immer angespannteren Verhältnis zum Koalitionspartner PSD/Dragnea benutzt. Schleierhaft, was der in seiner Boshaftigkeit hochintelligente Călin Popescu-Tăriceanu mittels dem „Wechselgeld“ Tudorel für sich herausschlagen möchte! Tudorel Toader wurde zum Standardbeispiel byzantinischer Schlauheit und Hinterlist, aber auch von aggressiver Simplizität, voller hochtrabender, geschickt kaschierter politischer Anbiederung und pompös-vordergründig manifester, unmöglich ihm abzukaufender professioneller „Verantwortlichkeit“.

Der Mann kann Komplexe und Minderwertigkeitsgefühle nicht verbergen und dürfte sich bewusst sein, dass er seine Karriere gänzlich dem ALDE-Chef verdankt (und einigen Liberalenführern aus Jassy). Menschlich, moralisch, intellektuell und kulturell bescheiden, muss es ihm persönlich große Genugtuung verschaffen, Spitzenjuristen ganz anderen Kalibers – Kövesi, Lazăr, wahrscheinlich Tarcea – zu feuern (oder Präsident Johannis über Facebook zu „warnen”), nicht ohne im Vorfeld seine eigenen „Verdienste” herauszustreichen. Größenwahn hochgespülter Günstlinge ist psychologisch kein Ausnahmefall (durch OUG 92 setzt sich Toader über das Parlament hinweg, durch seine Personalrochaden ignoriert er den Willen des Präsidenten).

Der Gernegroß aus Jassy spielt Fatwageber, Großmufti.