Der grüne Kampf um unser Land

Pioniere der rumänischen Umweltbewegung ziehen an einem Strang

Langsam erwachen sie auch hier zum Leben, die Umweltpioniere und grünen Guerillas, die für das nationale Naturerbe dieses wunderschönen Landes kämpfen. Schlachtfelder gibt es an allen Ecken und Enden, ständig werden neue Fronten eröffnet.

Auch wenn ihr Kampfgeschrei bisher nur bedingtes Medienecho auslöst, der Gehörgang der Durchschnittsbevölkerung immer noch weitgehend verschlossen ist und von Siegesgeheul nur gelegentlich die Rede sein kann, ist den Mitgliedern von „Coaliţie pentru Mediu“ dennoch klar: Steter Tropfen höhlt den Stein. Vor diesem Hintergrund ist es beeindruckend, was die Koalition, die 2009 nach einem nationalen Treffen rumänischer Umweltschutzorganisationen spontan ins Leben gerufen wurde und ohne Fremdfinanzierung, ohne formelles rechtliches Statut und ohne bürokratische Organisation seither einvernehmlich funktioniert, bereits auf die Beine gestellt hat. Es geht also auch anders in Rumänien!

„Ja, wir haben konkrete Erfolge”

Die blonde junge Frau in der schlichten, schwarzweißen Bluse lächelt sanft. „Ja, wir haben konkrete Erfolge“, erklärt Oana Neneciu, Koordinatorin der Aktivitäten von „Coali]ia pentru Mediu“, stolz. Der jüngste Sieg: der Austausch von Staatssekretär Vasile Gherasim (PDL) als Vorsitzender des Umweltausschusses der Abgeordnetenkammer. Denn obwohl die Sitzungen des Ausschusses öffentlich sein sollten, hatte man den Zugang für die Mitglieder der Umweltkoalition regelmäßig blockiert. Sei es durch verschlossene Türen, sei es durch gezielte Fehlinformation.

Die Debatte um das neue Gesetz über die Grünflächen in Bukarest ist nur ein Beispiel. „Da wollten wir unbedingt dabei sein“, entrüstet sich Oana Neneciu, denn eine der Hauptaufgaben der grünen Koalition ist die Prüfung der Gesetze auf ihre Umweltrelevanz, die Überwachung der Einhaltung und das Aufzeigen von Missständen. Im vorliegenden Fall besteht das Problem darin, dass zwar die Bebauung der spärlichen Grünflächen der Großstadt per Gesetz verboten ist, diese jedoch bis jetzt weder eindeutig definiert noch im Kataster als solche eingetragen sind. „Wenn dies nicht bis Ende 2012 geschieht, bleibt das Gesetz praktisch wirkungslos“, erklärt Neneciu.

„Ohnehin werden wir bald große Probleme in Bukarest haben“, schaltet sich nun auch Liviu Mihaiu, Leiter der NGO „Asocia]ie Salvaţi Dunărea şi Delta“ (www.salvatidelta.ro), ein. Er bezieht sich auf die Schadstoffmessungen, deren Entwicklung regelmäßig beobachtet wird. Ein weiterer Erfolg, der auf das Konto der „Coali]ie pentru Mediu“ geht, ist ein Gesetz zur Einschränkung der Bauwut im Donaudelta. Doch viele Baustellen sind noch offen, die Probleme überwiegen die Erfolge bei Weitem.

Die insgesamt 69 Mitglieder, die landesweit in verschiedensten Bereichen aktiv sind, schließen auch prominente Mitglieder wie Greenpeace, die Ökotourismus-Organisation AER (Asociaţia de Ecoturism din România) oder InfoOMG, das Informationszentrum in Klausenburg/Cluj-Napoca, das über die Auswirkungen genmanipulierter Pflanzen berichtet, ein. Ihre Aktivitäten reichen von Recycling- und Müllentsorgungsproblemen über Protestaktionen gegen die Zerstörung von Roşia Montană durch den dort geplanten Goldabbau bis zu Aktionen zum Schutz der Urwälder – eine vollständige Liste der Mitglieder mit Links zu ihren Webseiten findet sich bei www.coalitiademediu.ro (unter „Membrii coaliţiei“).

Die Dachorganisation in Bukarest befasst sich vor allem mit der Sammlung von Informationen, dem Studium von umweltrelevanten Gesetzen, der Beobachtung von Schadstoffwerten, mit Umfragen, Datensammlung und Lobbying, unter anderem durch Einbindung von Politikern, Abgeordneten, Stars oder Journalisten. Zum Beispiel Dacian Cioloş, Europakommissar für Landwirtschaft und rurale Entwicklung und Ehrenmitglied der „Coaliţia pentru Mediu“.

Leider sei die Presse in Bezug auf Umweltthemen noch zu wenig sensibel, meint Liviu Mihaiu, ehemaliger Mitbegründer des Spottmagazins „Academia Caţavencu“, heute bei Radio Guerilla. Der erklärte Umweltrebell hat selbst über 20 Jahre Journalismuserfahrung auf dem Buckel und hat zwei Fernsehsender veranlasst, ein Jahr lang fast täglich einen Zweiminutenspot zu senden, der zum Umweltschutz sensibilisiert.

David gegen Goliath – ein Gänsehautkampf

Mihaiu ist es auch, der auf den Film „David gegen Monsanto“ hinweist, die wahre Geschichte des kanadischen Bauern Percy Schmeiser, der sechs Jahre lang gegen den Chemie- und Saatguthersteller Monsanto vor Gericht kämpfte, bis er endlich – wenn auch nur teilweise – recht bekam. „Stellen Sie sich vor, ein Sturm weht über ihren Garten und ohne Ihr Wissen und Ihre Zustimmung sind nun fremde, genmanipulierte Samen in Ihrem jahrelang gepflegten Gemüsebeet“, so beginnt die Synopsis des Films. „Ein paar Tage später kommen Vertreter eines Multikonzerns zu Ihnen nach Hause, fordern Ihr Gemüse und erstatten gleichzeitig Strafanzeige in Höhe von 20.000 Euro wegen widerrechtlicher Nutzung patentierter, genmanipulierter Samen. Und: Das Gericht gibt dem Konzern  recht!“

Gegen Monsanto klagen weltweit 270.000 Institutionen, denn der Konzern schreckt vor nichts zurück, um die Vorherrschaft vom Acker bis zum Teller zu erlangen, wie weitere im Film namentlich benannte Bauern am eigenen Leib erfahren mussten. Auch in Rumänien gibt es bereits Kulturen von genmanipuliertem Mais und Soja. Landwirtschaftsminister Stelian Fuia, ehemaliger Verkaufsmanager des Monsanto Konzerns, hat unlängst erklärt, die auf genmanipulierten Pflanzen beruhende Landwirtschaft weiter fördern zu wollen (zu Risiken und Gefahren berichtete die ADZ am 16. 2. 2012 in „Die Büchse der Pandora“). Liviu Mihaiu wiegt bedenklich den Kopf: „Es wird ein harter Kampf, dies zu verhindern.“ Percy Schmeiser hat für seinen Einsatz den alternativen Nobelpreis gewonnen. Seine Geschichte macht letztlich Mut. „Mut all denjenigen, die fürchten, man hätte als Einzelner keine Macht gegen die Politik, die Großkonzerne oder die Wirtschaft“, so der Filmtrailer.

Tausche vier Berge gegen einen Giftsee

Ein weiteres Projekt, das der Umweltkoalition schwer am Herzen liegt, ist Roşia Montană. Nicht nur, dass ein beeindruckendes System an antiken römischen Galerien die Aufnahme ins Weltkulturerbe der UNESCO verdienen würde, das Kulturministerium sich als Zuständiger jedoch weigert, überhaupt einen entsprechenden Antrag zu stellen...

Nicht nur, dass vier Berge in einem einzigartigen Naturparadies einem Zyankalisee geopfert werden sollen, als Folge einer Goldabbaumethode, die im übrigen Europa längst nicht mehr praktiziert wird... Nein, nun soll auch noch eine neue Gesetzesvariante die schnelle und unbürokratische Enteignung der lokalen Bevölkerung durch den wirtschaftlichen Interessenten, also die Goldschürferfirma, erlauben. Bis jetzt durfte dies nur der Staat. „Als wäre das Gesetz speziell für diesen Fall gemacht worden“, entrüstet sich Oana Neneciu. Präsident Băsescu erklärte sich einverstanden, auch seine Berater gaben grünes Licht.

Doch die Umweltschützer, die seit 10 Jahren für die Rettung von Roşia Montană kämpfen – mit Demonstrationen zuletzt am Universitätsplatz und vor dem Büro des Umweltministers in Bukarest – wollen noch lange nicht klein beigeben. Es wird weitere, heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit geben, kündigen sie an. Die Bevölkerung wird diese großflächigen, irreversiblen Zerstörungen des nationalen Naturerbes nicht so einfach hinnehmen.

Jeder kann ein Held sein

Nicht nur, dass sich Umweltbewusstsein in Rumänien weitgehend auf Großstädter und Menschen mit höherer Bildung beschränkt, die Zugang zu Informationen haben, und die Landbevölkerung schwer zu erreichen ist, wie Oana Neneciu bekennt. Hinzu kommt, dass viele sich fragen: Was kann ich schon tun? Bin ich nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Die langjährige Tradition an Aktionen mit Freiwilligen der „Asociaţie Salvaţi Dunărea şi Delta“ beweist das Gegenteil.

Interessenten können konkrete Aktionen auf deren Webseite verfolgen oder sich für die vielen Freiwilligenprojekte, Seminare, Ateliers und Kurse melden. „Es ist wunderbar, dass ihr einer großen Anzahl von Jugendlichen beibringt, verantwortungsvoll mit eurer Umwelt umzugehen“, kommentiert dort der ehemalige Chef der EU-Vertretung in Rumänien, seine Exzellenz Donato Chiriani. „Das was ihr hier tut, am Ende dieses großen europäischen Flusses, müsste ein Beispiel für alle Länder sein, durch welche die Donau fließt“. Die rumänische Jugend als Beispiel für Europa!

„Nehmt teil an unseren Aktionen, geht mit uns auf die Straße“, regt Oana Neneciu an. Aufrufe zu grünen Demonstrationen gibt es auf der Webseite der Koalition oder bei Facebook. „Leider gibt es immer noch viel zu wenig junge Leute, die ihre Rechte kennen und davon Gebrauch machen“, fügt sie hinzu. So mancher befürchtet wohl Nachteile, wenn sein Gesicht im Fernsehen erscheint.

Auch Schulen könnten einen wertvollen Beitrag zum Umdenken leisten, meint Mihaiu. Leider ist Umweltschutz kein fester Bestandteil des Lehrplans, auch wenn das Unterrichtsfach „Bürgererziehung“ Raum dafür böte. Hinzu kommt aber auch, dass die Handbücher wegen ihrer schweren, hölzerne Sprache abschreckend sind, gibt Mihaiu zu bedenken. Seine NGO erstellte und verteilte im Delta 200 moderne Schulbücher.

Ist Umweltschutz Luxus?

In einem von sozialen und wirtschaftlichen Problemen gebeutelten Land wird Umweltschutz oft als Luxus betrachtet. Doch Naturkatastrophen zeigen immer wieder, dass wir uns diesen „Luxus“ leisten müssen. „Seit dem Fall des Kommunismus wurden 26 Prozent der Wälder zerstört“, warnt Mihaiu. „Als Folge davon gab es in den letzten Jahren drei schwere Überschwemmungen, und auch der diesjährige Winter hat gezeigt, wie die Wälder als Schutz- und Pufferzonen benötigt werden.“ Endlich beginnen nun auch die Medien, sich zaghaft für Umweltschutz zu interessieren. Wie viele Katastrophen braucht es noch, bis wir endlich alle aufwachen und Verantwortung für unsere Umwelt übernehmen? Alle  – das heißt, jeder Einzelne von uns.