Der Kreis schließt sich

Kronstädter Honterusgemeinde sucht mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein nach Lösungen hinsichtlich der Nutzung restituierter Immobilien

Die 1913 erbaute und 1944 enteignete Honterusschule auf einer historischen Fotopostkarte

Die 1896 erbaute und 1948 enteignete Blumenauer Volksschule auf einer historischen Fotografie

Seit Winter dieses Jahres wurde in der Landespresse mehrfach über laufende Verhandlungen, die zwischen der Evangelischen Kirche A. B. in Kronstadt und dem Kronstädter Kreisrat über die Nutzung restituierter Immobilien geführt werden, berichtet. Da der Vorgang bereits in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt wurde, soll hiermit zu einem ausgeglichenen Bild beigetragen werden.

Zwischen September 2007 und Juni 2012 sind der Evangelischen Kirche A. B. in Kronstadt schrittweise drei im Kronstädter Stadtzentrum gelegene, umfassende Gebäudekomplexe restituiert worden, in denen bereits seit der Zeit vor der Wende Institutionen untergebracht waren, die sich in der Trägerschaft des Kreises Kronstadt befinden. Es handelt sich dabei um die ehemalige Honterusschule, in der die Geburtenklinik „Dr. Ioan Aurel Sbârcea“ angesiedelt ist; zudem das Gebäude des örtlichen Gewerbevereins, in dem heute zwei staatliche Museumsanstalten, das Kunst- und das Ethnografische Museum untergebracht sind; und schließlich die drei zu der ehemaligen Blumenauer Volksschule gehörenden Immobilien, die heute einen privaten Kindergarten, die Kreisagentur für nachhaltige Entwicklung und das Jugendamt beherbergen.

Im Zuge der erfolgten Rückerstattungen ergriff die Kirchengemeinde jeweils umgehend Initiative zur Regelung des Verhältnisses zwischen Besitzer und Nutzer. Im Falle der Geburtenklinik wurde dem Kreisrat nach der Restitution des Gebäudes am 10. November 2008 der Verkauf der ehemaligen Honterusschule angeboten. Im Mai 2009 unterzeichneten Kreisrat, Klinikleitung und Kirchengemeinde ein Abkommen, mit dem die Veräußerung der Immobilie an den Kreisrat vereinbart wurde, sodass Investitionen der öffentlichen Hand in die Sanierung der Einrichtung noch vor dem tatsächlichen Besitzerwechsel ermöglicht wurden. Inhalt der Vereinbarung war zudem, dass der Verkaufspreis durch ein unabhängiges Gutachten ermittelt werden sollte.

Auf die Worte folgten allerdings keine Taten: Der Kreisrat lehnte die Unterzeichnung eines Kaufvertrages mit dem Hinweis auf das Fehlen entsprechender Finanzmittel ab, bot allerdings auch keine alternative Lösung an. Dem Vorschlag der Kirchengemeinde, statt des Kauf- nun einen Mietvertrag für das Gebäude abzuschließen, wurde auf einer Sitzung des Kreisrates im November 2012 stattgegeben – dennoch wurde auch dieser niemals umgesetzt. Trotz wiederholter Verhandlungsangebote seitens der Kirchengemeinde wurden Gebäude und Grund von einer Institution des Kreisrates ohne Rechtstitel und ohne Entrichtung eines Mietzinses genutzt.

Für die Nutzung der ehemaligen Blumenauer Volksschule durch die Generaldirektion für Sozialleistungen und Kinderschutz existiert ebenfalls keinerlei Regelung. Wie schon im Falle der Geburtenklinik hat der Kronstädter Kreisrat dem Abschluss eines Mietverhältnisses seit längerer Zeit grundsätzlich zugestimmt. Zwischenzeitlich hat die Kirchengemeinde, bedingt durch die Freigabe eines Teils der genutzten Räume und mit Blick auf die Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, ihre Mietforderungen drastisch reduziert. Dennoch scheiterte der Abschluss eines Mietvertrages an der konsequenten Weigerung der staatlichen Verantwortungsträger, sodass sie auch in diesem Fall eine Immobilie seit Jahren ohne jede juristische Grundlage und ohne die Entrichtung eines Mietzinses nutzen.

Ungeklärt ist die Situation auch hinsichtlich des Gebäudes, in dem heute das Kunstmuseum und das Ethnografische Museum beherbergt sind. Jener Teil, in dem das Kunstmuseum untergebracht ist, wurde bereits im Jahre 2008, die andere Hälfte, in der sich das Ethnografische Museum befindet, dann 2012 endgültig rückerstattet. Obschon auch in diesem Fall zahlreiche Gespräche zwischen der Kirchengemeinde und dem Kreisratsvorsitzenden zum Zwecke einer Einigung geführt wurden, hatten sie lange Zeit keine praktischen Folgen: Keines der Angebote der Kirchengemeinde wurde berücksichtigt, sodass auch diese beiden Institutionen die Immobilien weiterhin ohne Rechtsgrundlage besetzen und die Nutzung derselben nicht vergüten.

Die oben skizzierte Entwicklung setzte die Kronstädter Kirchengemeinde vor eine denkbar schwierige Entscheidung. Der Gesetzgeber sieht für Mieter bzw. Nutzer, die zum Zeitpunkt der Rückerstattung einer Immobilie in derselben untergebracht sind, ein Bleiberecht für den Zeitraum von höchstens fünf Jahren nach erfolgtem Restitutionsbeschluss vor. Zudem legt er das Verfahren zur Berechnung der Miethöhe für diesen Zeitraum fest und gewährleistet damit gemeinhin, dass sich der Mietzins in entsprechenden Fällen am unteren Rand oder unterhalb des geltenden Mietspiegels bewegt. Die fünfjährige Frist ist für die Immobilien, in denen die Geburtenklinik, die Blumenauer Volksschule und das Kunstmuseum residieren, bereits verstrichen, sodass die Kirchengemeinde, vom gesetzlichen Standpunkt aus betrachtet, über die Gebäude frei verfügen und sich nach zuverlässigen Mietern oder Käufern umschauen könnte.

Zudem ist der Eigentümer entsprechender Immobilien, in diesem Fall die Kirchengemeinde, gesetzlich berechtigt, ausstehende Nutzungsgebühren rückwirkend einzufordern. Ohne die Einnahme eines Nutzungsentgeltes sind die erheblichen Kosten, die sich aus den gesetzlichen Steuer- und Instandhaltungspflichten ergeben, ganz ohne finanziellen Ausgleich und stellen damit eine schwere Belastung für die Eigentümerin dar. Aus diesem Grund haben die Mieteinnahmen schlichtweg eine existenzielle Bedeutung. Da für bestehende Mietforderungen eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt, sah sich die Kirchengemeinde für den Fall der Blumenauer Schule bereits gezwungen, ihre Forderungen vor Gericht geltend zu machen. Das Verfahren befindet sich zur Zeit in der Schwebe. Der Kreisrat bestreitet gegenwärtig die eigene, vor wenigen Jahren erstellte Wertschätzung einer der drei Immobilien. Dadurch wird das Verfahren verschleppt, sodass ein nächster Gerichtstermin erst im September ansteht.

Um dem Beschreiten desselben, für alle Seiten unangenehmen Weges für den Fall der anderen beiden Immobilien vorzubeugen, hat die Kirchengemeinde am 20. Dezember vergangenen Jahres ein Schreiben an den Kreisrat gerichtet, mit dem sie ihre Forderungen ein weiteres Mal formuliert und entsprechende Verhandlungsangebote unterbreitet. Dazu gehören Vorschläge zur gestaffelten Entrichtung des Kaufpreises für die Immobilie der Geburtenklinik und der ausstehenden Mietforderungen. Gleichzeitig hat sie ihr Angebot zur Verhandlung von Mietverträgen für die zukünftige Nutzung der Immobilien erneut bekräftigt. Obschon die Gesamthöhe der ausstehenden Mietzahlungen aufgrund der langjährigen Säumnisse der momentanen Nutzer signifikant ist, richtet sich die Höhe des jeweiligen Mietzinses selbstverständlich nach den gesetzlichen Vorgaben und bewegt sich damit am unteren Limit des aktuellen Mietspiegels.

Ein Antwortschreiben des Kreisrates auf das Schreiben der Kirchengemeinde vom 20. Dezember blieb zunächst aus. Statt dessen wandte er sich an die Presse, die den Hergang der Verhandlungen selektiv und tendenziös vermittelte: Die geforderten Kauf- und Mietsummen seien „exorbitant“ und „immens“. Der Wahrheit entspricht aber, dass die Höhe der geforderten Miete für die Geburtenklinik mit 2 Lei pro Quadratmeter gesetzlich vorgeschrieben ist; jene für die Blumenauer Schule entspricht der unteren Marktmiete, und die für das Gebäude der beiden Museen liegt deutlich unterhalb des aktuellen Mietspiegels.

Im Zuge der gleichen Kampagne reagierten die beiden Museumsinstitutionen mit einer Pressekonferenz, in deren Rahmen der Vizepräsident des Kreisrates die Initiativen der Kirchengemeinde zur Klärung der Situation mit wenig glücklichen Worten attackierte und ihr Vorgehen geradewegs als unmoralisch bezeichnete. Die Führungen des Kunstmuseums und des Ethnografischen Museums behaupteten, entsprechende Mietzahlungen nicht entrichten zu können. Sie äußerten sich weder zu den Prioritäten der eigenen Haushaltspolitik noch zu denen des Kreisrates, hatten jedoch eine Meinung zu den Ansprüchen der Kirchengemeinde: Sie seien zwar juristisch korrekt, liefen aber den Interessen der Gesellschaft zuwider. Da die Kirchengemeinde seit vielen Jahren Projekte des Kunstmuseums freigiebig unterstützt, war dieses Urteil nicht leicht zu verstehen.

Als Lösung schlugen die Repräsentanten der beiden Museen schließlich eine symbolische Miete in geringer Höhe vor, wie sie zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. in Hermannstadt und dem Brukenthalmuseum vereinbart worden sei. Hier zeigten die Führungskräfte der Kronstädter Museen eine vollständige Unkenntnis des Hermannstädter Verwaltungsmodells. Die Hermannstädter Kirchengemeinde hat der dem rumänischen Kulturministerium unterstellten Museumsinstitution das Brukenthalpalais am Großen Ring vor allem deshalb kostenlos zur Nutzung überlassen können, weil sich das zuständige Ministerium zu angemessenen Gegenleistungen bereit erklärt hat. Zu diesen gehört das Mitbestimmungsrecht der Kirche im Verwaltungsrat des Museums ebenso wie die Verpflichtung der staatlichen Museumsinstitution, auch die restituierten Museumsgüter der Kirchengemeinde, das Palaisgebäude und bedeutende Sammlungsbestände, weiterhin zu pflegen, zu vermitteln und zu erhalten. An den genannten Kronstädter Museen hat die dortige Kronstädter Kirchengemeinde aber bislang weder ein Mitverwaltungsrecht, noch befinden sich Objekte in deren Pflege, die bislang rückerstattet worden wären.

Fraglos haben die öffentlichen Beschuldigungen und Vorwürfe die laufenden Verhandlungen zur Regelung des Nutzungsverhältnisses gestört und teilweise wohl auch kompromittiert. Dennoch hat die Evangelische Kirche A. B. Kronstadt am 20. März dieses Jahres einen erneuten Vorstoß zur Wiederaufnahme der Verhandlungen unternommen und eine Stellungnahme zu den geschilderten Ereignissen an den Kreisrat gerichtet. Darin stellte sie richtig, dass sie trotz der jüngsten Schritte des Kreisrates weiterhin für klare Verhandlungen offen sei und ein gerechtes Ergebnis erhoffe, das klare juristische Verhältnisse schafft.
Bis Anfang Juni konnte in weiteren Verhandlungen zumindest für die Honterusschule ein Ergebnis erzielt werden: Am 17. Juni wurde ein Kaufvertrag abgeschlossen, durch den sich der Kreisrat verpflichtet, die vollständige Kaufsumme beginnend mit dem Jahr 2014 in neun Jahresraten zu entrichten. Gleichzeitig verzichtet die Kirchengemeinde auf Auszahlung der Mietrückstände.  
Über die Nutzung der restlichen Immobilien werden die Verhandlungen zur Zeit fortgeführt. Für den Fall des von den Museen genutzten Gebäudes unterbreitet die Kirchengemeinde mit dem Entwurf einer Partnerschaft einen konstruktiven Lösungsversuch.

Angestrebt wird die Fortführung und der Ausbau der bisherigen Zusammenarbeit mit den Museen auf kultureller Ebene bei weitgehendem Verzicht auf eine angemessene Miete. Die Durchführung gemeinsamer Projekte im Bereich der Kulturvermittlung, des Kulturguterhaltes und der Provenienzforschung dürfte dem beidseitigen Interesse an einer aktiven Gestaltung des kulturellen Lebens und an der Würdigung des eigenen wie des gemeinsamen Denkmalerbes entsprechen. Für dieses setzt sich die Kirchengemeinde, wie bekannt sein dürfte, seit je her in hohem Maße ein. Mit ihren kulturellen Initiativen, die sowohl die berühmten Orgelkonzerte in der Schwarzen Kirche als auch international gewürdigte Projekte im Bereich der Denkmalpflege umfassen, trägt sie in prägender Weise zum Kulturleben der Region bei und legt Zeugnis von einem mehr als nachdrücklichen Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft ab.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die politischen Entscheidungsträger bewusst machen, welchen Gewinn eine Institution mit einem derartigen, über jede Selbstverständlichkeit hinausgehenden Engagement für die gesamte Zivilgesellschaft darstellt.