Der Kronstädter Arbeiter-Revolte gedacht

Vor 30 Jahren wurde erstmalig der Rücktritt des Diktators gefordert

Ehrenbezeugung beim Mahnmal für den Arbeiteraufstand der Kronstädter Lastkraftwagenbauer vom 15. November 1987
Foto:

Es sind 30 Jahre her, seit zum ersten Mal im Land in den Jahren der Diktatur auf den Straßen von Kronstadt/Braşov laut geschrien wurde und auf Transparenten zu lesen war: „Jos comunismul“ (Nieder mit dem Kommunismus), „Jos Ceauşescu“ (Nieder mit Ceauşescu). Es war der größte Arbeiteraufstand in den Jahren der Diktatur und er hat maßgeblich zum Fall des Tyrannen und des Kommunismus im Dezember 1989 beigetragen. Obwohl strengste Sperre gegen das Durchsickern von Informationen ins In- und Ausland verhängt wurde, berichtete schon am 23. November 1987 die „Frankfurter Allgemeine“: „Westliche Augenzeugen berichten übereinstimmend, dass die Arbeiterunruhen in Kronstadt vom 15. November, dem Wahlsonntag für Kommunalwahlen, von etwa neun Uhr vormittags bis drei Uhr nachmittags dauerten und dass sich zwischen 10.000 bis 20.000 Arbeiter daran beteiligten.

Das Regime habe nicht nur Polizei eingesetzt, sondern auch Armee-Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen bereitgestellt. Die Polizisten hätten Tränengas eingesetzt und in die Luft geschossen.“ Die Berichte in den ausländischen Medien überhäuften sich. Im Inland erschien erst nach mehreren Tagen eine kurze Information der rumänischen Presseagentur Agerpres. Als ich mit meinem Dacia-Wagen von einer Fahrt im Burzenland am Nachmittag in der Stadt eintraf, konnte ich aus der Ferne nur die bewaffneten Polizeistreifen sehen, die das Umfeld der Kreis- und Stadtleitungen abgesperrt hatten und jeden Näherungsversuch untersagten.

Allgemeine Unzufriedenheiten

Ausgelöst worden war die Unzufriedenheit der Arbeiter schon in der Nachtschicht vom 14. auf den 15. November, als sie die Abzüge auf ihren Lohnzetteln feststellten. Die Arbeiter der Morgenschicht schlossen sich ihren Kollegen an, weigerten sich, an ihre Arbeitsplätze zu gehen, schrien ihre Unzufriedenheit im Betriebshof hinaus.

Etwa 4000 Leute schlossen sich zusammen, die Betriebsleitung ging der Masse aus dem Weg. Das Werktor wurde unter dem Druck der Menschen geöffnet, die sich auf die Straße begaben und schließlich den Weg zum Stadtzentrum einschlugen. Diesen schlossen sich auch Kollegen vom Hidromecanica-Unternehmen und dem Traktorenwerk und zahlreiche Stadtbewohner an. Als sich die Masse auf dem damaligen Lenin-Boulevard (Brunnengasse) fortbewegte, wurden die ersten Rufe gegen das Regime und den Diktator laut. Als sich vor dem Kreiskomitee der RKP und dem der Stadt niemand von deren Leitungen fand, um Klärung bezüglich der Unzufriedenheiten der Masse geben zu können, stürmte diese das Gebäude der Kreisleitung und dann das des Bürgermeisteramtes.

Bilder des Diktators, Büroeinrichtungen, Akten, Lebensmittel aus den Kantinen für die Parteifunktionäre flogen auf die Straße. Es folgte der brutale Einsatz der Sondereinheiten der Securitate und Miliz. Über 300 Personen wurden verhaftet und verhört. Anfangs wurde vor den Verhören von der Todesstrafe gesprochen. Auch unter dem internationalen Druck wurde davon abgesehen. In einem Scheinprozess, der im Unternehmen abgehalten wurde, sind 61 Arbeiter aus Kronstadt in andere Landesteile deportiert worden, anderen 27 wurden die Arbeitsplätze verlegt.

Vasile Vieru, einer der 61 Deportierten, starb 1988 in Bârlad. Die anderen kehrten nach der Wende von 1989 nach Kronstadt zurück. Seither sind mehrere von ihnen gestorben, darunter auch Werner Sommerauer, der sich den Aufständischen angeschlossen hatte, obwohl er als Installateur im Sanitätslyzeum tätig war. Er wurde nach Tulcea deportiert. Beim 20. Jubiläum der Revolte erklärte er: „Es müssten Wiedergutmachungen für alle, die sich am Aufstand beteiligt haben, vorgenommen werden. Sie haben uns die Gesundheit zermürbt. Ich kann die Hand ins Feuer legen, denn ich spüre es nicht. Sie haben mir sämtliche Nerven zerstört.“ Werner Sommerauer ist auch Autor des Buches „Der Tag, den man nicht vergisst“, in dem er das Leiden in der Deportation schildert.

Ihre Solidarität haben auch drei Kronstädter Studenten gezeigt – Cătălin Bia, Lucian Silaghi, Horia Şerban, die bei der Studentenmensa in der Memorandului-Straße am 22. November 1987 ein Transparent ausrollten, auf dem gefordert wurde „Die verhafteten Arbeiter dürfen nicht sterben“. Auch diese wurden verhaftet und deportiert.

Verein 15. November 1987

Am 2. Januar 1990 wurde in Kronstadt/Braşov der Verein „15 Noiembrie 1987“ gegründet, der sich mit vielen Stellungnahmen als Teil der Zivilgesellschaft für die Umgestaltung des Landes eingesetzt hat. Anlässlich der folgenden Gedenkveranstaltungen wurden verschiedene Symposien und Tagungen organisiert, an denen sich auch Widerstandskämpfer aus dem Ausland beteiligten, ehemalige politische Häftlinge aus Rumänien. Der antisowjetische Kämpfer Wladimir Bukowski betonte beim internationalen Symposium 2002 in Kronstadt, dass die Revolte vom 15. November 1987 „das Zeichen für den Sturz des Eisernen Vorhangs und des kommunistischen Lagers war“.

Mehrmals zeigten die Mitglieder des Vereins auch ihre Unzufriedenheit darüber, dass verschiedene Autoren versuchten, ihre Tat zu minimalisieren, dass aus Unkenntnis Dokumentationen zu dem Aufstand nicht wahrheitsgetreu seien. Tatsache ist auch, dass bis heute in Erinnerung an die Revolte von 1987 in Kronstadt kein Denkmal errichtet wurde und nur ein Marterl vor dem Kreiskrankenhaus daran erinnert.

Einige Jahre nach der Wende wurden Teilnehmer an dem Aufstand zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt, erfreuen sich aber bei Weitem nicht der Zugeständnisse, die den „Revolutionären“ vom Dezember 1989 erteilt wurden. Noch manches ist auch diesbezüglich nachzuholen.

Die Veranstaltungen, die nun am Stichtag, Mittwoch, den 15. November 2017, stattgefunden haben, wurden mit einer geistlichen Zeremonie und Kranzniederlegungen beim Denkmal vor dem Kronstädter Kreiskrankenhaus eingeleitet. Es folgte die Eröffnung zweier Ausstellungen im Geschichtsmuseum im alten Rathaus, die Buchvorstellung des Bandes „Ziua care nu se uită“ (Der Tag, der nicht vergessen wird), eine ausführliche Dokumentation des Historikers Marius Oprea. Abends, bei der Gala in der Redoute, fand die Uraufführung des Werkes „Die innere Leiter“ von Octavian Nemescu durch das Orchester Camerata Kronstadt unter der Leitung von Cristian Oroşanu statt. Abgeschlossen wurde der Abend mit der Vorführung des Dokumentarfilms „Braşov 1987 – Doi ani prea devreme“ (Kronstadt 1987 - Zwei Jahre zu früh) von Liviu Tofan. Die in den Medien angekündigte Teilnahme von Staatspräsident Klaus Johannis an den Gedenkveranstaltungen ist ausgeblieben.