Der Metropolit auf Sendung

Lebendige orthodoxe Medienlandschaft / Kirche mit eigenem TV-Sender

Chefredakteur Răzvan Bucuroiu Foto: Jürgen Henkel

Der ehrwürdige orthodoxe Erzbischof und Metropolit Andrei von Klausenburg/Cluj-Napoca nimmt Platz. Aber nicht auf dem Bischofsthron in seiner gewaltigen Kathedrale oder im Bürosessel seines Amtszimmers, sondern auf einem schmalen Stapelstuhl ohne Armlehnen in einem engen Aufnahmestudio von nur wenigen Quadratmetern Fläche. Ihm gegenüber sitzt die Radioredakteurin Simona Vlasa und stellt Fragen zu Glauben und Spiritualität. Vor sich hat der 69-jährige Bischof ein Mikrofon. Das Aufnahmegerät läuft und registriert seine Aussagen so aufmerksam wie sonst die Gläubigen in Kirchen und Klöstern seine Predigten.

Was auf den ersten Blick nach einem Interview zu einem besonderen Anlass aussieht, ist in Klausenburg seit Gründung des Bistumssenders „Renasterea“ (Wiedergeburt) 1999 schon längst etwas Alltägliches, und nicht nur dort. Im siebenbürgischen Erzbistum Vad, Feleac und Cluj gibt es wie in vier weiteren Bistümern der Rumänischen Orthodoxen Kirche kircheneigene Radiosender.

Erzbischöfe wie Metropolit Andrei von Klausenburg gehen regelmäßig auf Sendung, um den Hörern den orthodoxen Glauben zu vermitteln und christliche Lebenshilfe zu bieten. „Für uns ist das auch eine missionarische Gelegenheit in einer Zeit, in der das Christentum sich neu behaupten muss“, sagt Metropolit Andrei dazu.

Die orthodoxen Kirchenoberen haben nach der Wende von 1989 schnell erkannt, dass Rundfunk und Fernsehen neben dem gepredigten und gedruckten Wort immer mehr an Bedeutung gewinnen. So wurden nicht nur zahlreiche kirchliche Printmedien nach jahrzehntelangem Verbot während der Zeit des Kommunismus wieder neu aufgelegt – oder sogar neugegründet wie die Tageszeitung „Lumina“ (Das Licht) des Bukarester Patriarchats.

„Die orthodoxen Radiosender sind sehr beliebt. Es gibt hier keinen Skandal- und Sensationsjournalismus, sondern ernsthafte Informationen zu wichtigen religiösen und kulturellen Themen, dazu auch Gesundheits- und Glaubensratgeber. Unsere Hörerschaft ist sehr unterschiedlich, alle Altersstufen und viele Intellektuelle hören die kirchlichen Sender als echte Alternative vor allem zu den sonstigen privaten Programmen“, hält die Radiojournalistin Vlasa fest und kritisiert damit gleichzeitig die weit verbreitete Boulevardisierung der rumänischen Medien bis hinein in die politische Berichterstattung.

Zehn Redakteure und weitere Korrespondenten kümmern sich um das Programm. Es wird 24 Stunden gesendet, nachts laufen Wiederholungen. Religiöse Themen und Informationen über kirchliche Aktivitäten von der Pfarrei bis zum Patriarchat spielen beim orthodoxen Kirchenfunk naturgemäß eine große Rolle. Aber auch Nachrichten- und Folkloresendungen laufen regelmäßig über den Äther. An Sonn- und Feiertagen wie an Werktagen wird stets die mindestens zwei Stunden dauernde Messe sowie die Abendandacht live übertragen. Besonders wichtig ist Simona Vlasa das „ABC des Glaubens“, eine Sendung, die Verkündigung und Glaubensbildung verbindet.

Eigener TV-Sender des Patriarchats

In Rumänien hat sich in den knapp 30 Jahren seit der Wende von 1989 eine lebendige und äußerst bunte orthodoxe Medienlandschaft etabliert. Der seit September 2007 amtierende Patriarch Daniel hat nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt das orthodoxe Medienzentrum „Basilica“ ins Leben gerufen. Dazu gehören eine Presseagentur, die Tageszeitung „Lumina“ (Das Licht), der landesweit ausstrahlende TV- und Radiosender „Trinitas“, der ein ähnliches Profil aufweist wie die Radiosender der Bistümer. Viele praktizierende orthodoxe Christen zählen zum Stammpublikum.

„Die Rumänische Orthodoxe Kirche ist die einzige orthodoxe Kirche mit einem eigenen TV-Sender“, sagt Vasile Bănescu. Er ist Pressesprecher des Patriarchats und gestaltet auch selbst TV-Sendungen. Die Kirche lässt sich das eigene Medienzentrum einiges kosten. Rund 80 Redakteure, Kameraleute und Techniker arbeiten nach seinen Worten allein bei dem orthodoxen Fernsehsender, der vom Patriarchat und allen Bistümern finanziert wird. Neben der Nachrichtenredaktion gibt es die Ressorts Religion, Kultur und Soziales sowie eine eigene Onlineredaktion.

Das naturgemäß kirchennahe Programm bietet viele Interviews mit bekannten Geistlichen oder Intellektuellen. Besonders interessant ist das „Jurnal Trinitas“, das täglich aus allen Bistümern der Kirche berichtet und von der Einweihung neuer Kirchen und Klöster über den Auf- und Ausbau orthodoxer Sozialeinrichtungen bis zu großen theologischen Konferenzen der Bistümer und orthodoxen Fakultäten das breite Spektrum des kirchlichen Lebens aufgreift. „TV Trinitas“ produziert 85 Prozent seiner Sendungen laut Bănescu selbst.

Die Amtskirche und ihre Bischöfe wie auch Laien sind beim Aufbau der orthodoxen Medienlandschaft gleichermaßen initiativ geworden, was in der hierarchiebetonten orthodoxen Kirche keineswegs selbstverständlich ist. „Die Kirche hat uns geholfen, indem sie unsere Arbeit nicht behindert hat“, hält dazu schmunzelnd Răzvan Bucuroiu aus Bukarest fest. Er ist Chefredakteur mehrerer Laienzeitschriften, die er selbst ins Leben gerufen hat und die sich heute höchst erfolgreich als Nischenprodukte auf dem Markt behaupten. Dazu zählen „Lumina Credinței“ (Das Licht des Glaubens) und „Lumea Monahilor“ (Die Welt des Mönchtums).

Auf 80 höchst professionell gestalteten Hochglanzseiten berichten die beiden Zeitschriften in handlichem Format monatlich von christlichen Themen aus Rumänien und aller Welt. Fünf Redakteure sind hier tätig, allesamt Laienchristen. Es zählt kein Priester oder Theologe dazu. Nicht ohne Stolz berichtet Bucuroiu, dass ausgerechnet sein monatlich erscheinendes Glaubensmagazin das Herrenmagazin „Playboy“ an verkaufter Auflage in Rumänien regelmäßig übertrifft. Das Heft hat eine Auflage von 10.000 Exemplaren und rund 1000 Abonnenten. Seine Magazine werden im Zeitschriftenhandel, in Klöstern und christlichen Buchhandlungen und sogar an Tankstellen verkauft.

Der 1963 geborene Bucuroiu kam über Umwege zum Journalismus, nachdem er Geografie und Französisch studiert hatte. Nach der Wende hat er gelegentlich Beiträge in der Tageszeitung „România liberă“ veröffentlicht. „Bukarest ist keine Stadt, die eine religiös sehr attraktive Landschaft bietet. Christlicher Journalismus ist hier unbequem, aber nach über 40 Jahren Kommunismus war es wichtig, dass auch wieder eine lebendige christliche Laienpresse entsteht“, sagt der gebürtige Bukarester, der selbst die christliche Publizistik in Rumänien nach der Wende mit neu erfunden hat.

2008 hat Bucuroiu die „Vereinigung der christlichen Journalisten und Publizisten Rumäniens“ (AZEC) gegründet, deren Vorsitzender er bis heute ist und die rund 100 Mitglieder hat. „Die offiziell-kirchliche Presse und die von engagierten Laien gemachten Zeitschriften ergänzen sich gut und sind wirklich komplementär“, hält Bucuroiu fest, der mittlerweile zu den bekanntesten christlichen Intellektuellen des Landes zählt. Vor allem Mönchtum und Spiritualität stehen im Mittelpunkt der beliebten Journale aus seinem Verlag. Reportagen und Bilderserien von Klöstern und charismatischen Mönchsvätern und Nonnen aus Rumänien, Griechenland, Georgien und Ägypten, aber auch Israel, und die Rubrik über die in der orthodoxen Frömmigkeit beliebten Kirchenväter sind echte Renner bei den Lesern.

Die beiden Zeitschriften treffen den Nerv der orthodoxen Gläubigen in Rumänien. 87 Prozent der Staatsbürger gehören der Orthodoxen Kirche an. Kloster- wie Gemeindegottesdienste sind in der Regel überfüllt. Das Vertrauen in die Kirchen ist immer noch groß, trotz des bei Kirchenkritikern umstrittenen Baus der riesigen neuen Patriarchatskathedrale in Bukarest und mancher Skandale der letzten Jahre. Auf diese gehen die Kirchensender und -zeitungen nicht groß ein. Auf diesem medialen Schlachtfeld echter und erfundener Skandale ist vor allem die Pressestelle des Patriarchats am Zuge.