Der Parallelstaat der Täter

Nach der Parteitagskarikatur (etwas zwischen Ceaușescu-Hurrakongress und „Wollt ihr den totalen Krieg!?!“-Hysterie) der PSD, wo der treueste Vertraute von Daddy Dragnea, Călin Popescu-Tăriceanu, aussagte, was der Diktator denkt: „Johannis muss weg!“, kann man sich wieder den realen Problemen dieses Landes zuwenden. Nicht bevor man bemerkt, was das vergangene Wochenende klarmachte: PSD-Chef Dragnea ist abgehoben. Er nimmt nicht mehr die Wirklichkeit dieses Landes wahr (dazu hat er die 4000 Parteitagsteilnehmer handverlesen lassen – ganz nach Ceaușescu-Vorlagen). Der Parteitag ließ eine rudimentäre Kommunikationstechnik aufleben: Wenn du unsicher bist oder keine Ahnung hast, überfalle das Publikum mit Details (z. B.: 100-Punkte-Plan der Vasilica)! Du beeindruckst alle, vor allem wenn sie nichts kapiert haben! Alles muss ausreichend kompliziert sein und möglichst technisch.

Viel interessanter als die RKP-Parteitagskopie ist der Spiegel, den die DNA-Bilanz der Gesellschaft dieses Landes vorhielt – der „Parallelstaat“ sind die Täter. Als wunden Punkt aller politischen Regierungen identifizierte die Antikorruptions-Frontfrau Laura Kövesi die öffentlichen Ankäufe, wo „verallgemeinerte Korruption herrscht“. Das erkläre die schon 30 Jahre dauernde Stagnation Rumäniens, die Misere im Gesundheitswesen, den Jammer in der Infrastruktur (2017 hat Rumänien 12 Kilometer weniger Autobahn „realisiert“, als 2016 insgesamt vorhanden), das Desinteresse an EU-Subventionen. „Es entstanden Muster, die den Straffälligen bekannt sind und ausgebaut werden“, um öffentliche Gelder zu stehlen, sagte Kövesi. Kein Wunder, dass von den rund 1000 Personen, die DNA 2017 vor Gericht brachte, ein Drittel in Leitungsfunktionen standen. Es gäbe eine „überparteiliche Clique korrupter Politiker“, die nur ihren eigenen Wohlstand und dessen Mehrung durch Diebstahl öffentlichen Guts im Auge hat. Die vielzitierten „Straffälligen“.

Eine Überzeugung: Es muss eine Stillhalteorder geben, die den Fiskus daran hindert, die gut eine Milliarde Euro, die von den verurteilten Dieben durch Konfiszierung zurück ins Staatssäckel überführt werden müsste, nicht anzurühren. Staatspolitik? An dieser Stelle wurde wiederholt bemerkt, wie extrem „rentabel“ es ist, für einen Diebstahl von Millionen Euro ein paar Jährchen ins Gefängnis zu gehen und die Millionen zu behalten. Nie würde jemand in derselben Zeit hierzulande sauber so viel verdienen wie in der Zeit, wo er auf Staatskosten im Gefängnis sitzt und sein Diebesgut in Sicherheit weiß! Daher die überparteiliche Komplizenschaft der Politiker im Krieg gegen die Antikorruptionsbehörde.

Präsident Klaus Johannis entpuppte sich einmal mehr als Sympathisant und Stütze der Rechtschaffenen, als er auf der DNA-Tagung äußerte: „Ein paar Angeklagte und ein paar für Straftaten Verurteilte haben sich, nachdem sie beim Gesetzesübertreten erwischt wurden, zusammengetan und diskreditieren diejenigen, die die Strafuntersuchungen gegen sie geführt haben“. Es seien „Manipulationsversuche“ mit dem Zweck, die Glaubwürdigkeit der DNA zu erschüttern bei dem von der PSD-Leitung unternommenen „Versuch, die Justiz der Politik unterzuordnen“.
Beeindruckend sachlich der Auftritt der Präsidentin des Obersten Gerichts- und Kassationshofs, Cristina Tarcea. Die Frau ist skeptisch bezüglich der Fähigkeit der rumänischen Demokratie, den Angriff der „Straffälligen“ gegen die Justiz erfolgreich abzuwehren: „Ganz Rumänien macht einen Intensivkurs Jura mit. Vortragende sind Personen, die ihre eigenen Justizprobleme lösen wollen und nie eine Rechtsfakultät von innen sahen.“ Hauptaussage von Tarcea: „Recht heißt in erster Linie Moral.“ Die straffällig Gewordenen hätten „ein widersprüchliches Verhältnis zur Moral“. Kein Rechtsvertreter dürfe wegschauen, wenn die Rechtsprechung gefährdet wird.
Rumäniens Krise des Rechts ist eine Krise der Moral. Der gesamten Gesellschaft.