„Der Rothbacher Kirchturm muss wiederaufgebaut werden“

ADZ-Gespräch mit Sorin Taus, Bürgermeister der Gemeinde Marienburg

Dipl.-Ing. Sorin Taus (50) ist seit 2008 Bürgermeister der Gemeinde Marienburg/Feldioara zu der noch Rothbach/Rotbav und die ehemalige Arbeiterkolonie Reconstruc]ia gehören. Er ist Mitglied der Nationalliberalen Partei, die im Gemeinderat zehn der 15 Ratsmitglieder stellt. Die übrigen fünf kommen von der Sozialdemokratischen Partei (drei) sowie von der Partei der Volksbewegung (zwei). Mit dem Marienburger Bürgermeister sprach ADZ-Journalist Ralf Sudrigian beim Bürgermeisteramt in Marienburg.

Welches sind die vom Bürgermeisteramt erarbeiteten Entwicklungsstrategien für Marienburg?

Wir verfolgen dabei zwei Hauptziele: Einerseits ist es sehr wichtig, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, sodass wir einige wichtige Investitionen in unserer Gemeinde ansiedeln wollen. Das ist uns auch gelungen: Zwei bekannte deutsche Firmen haben bei uns Niederlassungen eröffnet – die eine ist „Miele“, einer der bekanntesten Hersteller von Elektro-Haushaltsgeräten, die andere ist „Reinert“, einer der größten Fleischwarenproduzenten in Deutschland. Hinzugekommen ist ein holländischer Investor, der eine Nerz-Farm errichtet hat. Und nicht zu vergessen, auf dem Gemeindegebiet funktioniert auch „Uzina R“, ein Werk, das Uranerz verarbeitet. Unser zweites Ziel ist die Entwicklung des Tourismus, denn wir verfügen über einige bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten: die Marienburg, die evangelische und die orthodoxe Kirche, das Studentendenkmal, das an die Schlacht von 1612 erinnert, ein Denkmal bei der Ausfahrt in Richtung Schäßburg, das den russischen, ungarischen und deutsche Kriegsgefangenen aus dem Zweiten Weltkrieg gewidmet ist, die Seen bei Rothbach.
Mit finanzieller Unterstützung des Kreisrates wird die Marienburg wiederhergestellt. Der ursprünglich für September des Vorjahres vorgesehene Abschlusstermin wurde aufgeschoben, weil es Schwierigkeiten in der Sicherung der notwendigen Geldmittel gab und weil auch das Wetter nicht immer mitgespielt hat.

Wir hoffen nun auf zusätzliche Touristen, die die Marienburg in unsere Gemeinde bringen kann. Durch EU-Mittel konnten wir auch ein touristisches Informationszentrum einrichten. Damit verbunden ist auch unser Bestreben, Ritterfestspiele anlässlich der „Marienburger Tage“ im September zu veranstalten, unter dem Titel „Die Rückkehr der deutschen Ritter“, sowie lokale Bräuche wiederzubeleben. So gibt es das Maifest mit dem Aufstellen der Maibäume und, zu Weihnachten, das Folklorefestival „Winterstimmung“ („Spiritul iernii“). Wir beabsichtigen des Weiteren, in eine Partnerschaft mit Malbork in Polen zu treten, wo sich bekanntlich die Deutschritter niedergelassen haben, nachdem sie das Burzenland verlassen mussten, und wo eine der größten und schönsten mittelalterlichen Burgen Europas steht, die zum Weltkulturerbe gehört. Das Rathaus, ein altes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, wollen wir in ein Museum Marienburgs umwandeln. Dort können wir so manches ausstellen, das in Verbindung mit unserer Geschichte steht. Wir hatten die Ehre, auch Herrn Dr. Bruno Platter, Hochmeister des Deutschen Ordens in Österreich, zu Gast zu haben. Er war gut über unsere Marienburg im Bilde und könnte uns einige Urkunden und Unterlagen für dieses Museum zur Verfügung stellen. Das Rathaus wird in einen Neubau umziehen, der neben dem Museum errichtet wird.

Es gibt auch kritische Äußerungen über die Art und Weise, wie die Marienburg nun aussieht. Wurden bei diesen Arbeiten die Denkmalschutzvorgaben eingehalten?

Das Projekt wurde vom Kreisrat in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeisteramt Marienburg einer Klausenburger Firma in Auftrag gegeben, die solche Arbeiten bereits durchgeführt hat. Zu viel Beton wurde dabei nicht verwendet. Man hat aus Italien eingeführten Sonderkalk verwendet. Ich meine, man hat gut gearbeitet – die Bauleiterin war auch ziemlich anspruchsvoll. Kritiken wird es immer geben. Was erhalten bleiben konnte, wurde beibehalten. Man wusste aber nicht überall genau, wie der Originalbau aussah. Manches musste aus Holz gebaut werden. Die archäologischen Sicherungsarbeiten hat Frau Daniela Marcu Istrate beaufsichtigt.

Was kann das Bürgermeisteramt für den zusammengestürzten Turm der Kirchenburg Rothbach tun?

Bereits vor diesem tragischen Zwischenfall hatte ich mehrere Treffen mit Vertretern des evangelischen Kirchenbezirks Kronstadt. Das Bürgermeisteramt möchte nämlich auch ein Gebäude in Marienburg (das Lyzeum im Ortszentrum) und eines in Rothbach (die ehemalige Schule) von der evangelischen Kirche kaufen. Ein Angebot für ein Gutachten liegt bereits vor. Nur ist die Rückgabe an die Kirchenbehörden in den Akten noch nicht vollzogen und deshalb sind wir in dieser Angelegenheit in einen Stillstand geraten. In Rothbach ist dieses Gebäude in einem bedrohlichen Zustand. Es liegt genau gegenüber vom ehemaligen Turm und ihm droht nun dasselbe Schicksal. Unser Vorschlag lautete, die beiden Kirchen in Verwaltung (nicht in Besitz) des Bürgermeisteramtes zu übernehmen. Wir könnten nämlich EU-Fonds beantragen. In meinen bisherigen Mandaten als Bürgermeister konnte ich bereits neun EU-Projekte beantragen und umsetzen. Für unsere Tourismus-Strategie sind diese Baudenkmäler sehr wichtig. Sie müssen saniert und genutzt, das heißt besichtigt werden. Mit dem daraus erhaltenen Erlös können sie dann instandgehalten werden.

Was den Kirchenturm in Rothbach betrifft, so wurden, nach dem Besuch des damaligen Vizepremiers Dâncu, Geldmittel zugewendet für Entfernung des Schutts und eine Notsicherung. Wir müssen da mit den zuständigen Kirchenbehörden zusammenarbeiten, denn der Turm muss wiederaufgebaut werden und die beiden Kirchen müssen auch touristisch verwertet werden. An den seit sechs Jahren begangenen Marienburger Gemeindetagen steht die evangelische Kirche offen und empfängt Hunderte von Besuchern. Es ist eine wunderbare Kirche, aber ich glaube, sie steht noch, nur weil da keine stark befahrene Straße vorbeiführt. Ich wiederhole: Das Bürgermeisteramt erhebt keinen Anspruch auf Besitz. Wir wollen lediglich einen passenden gesetzlichen Rahmen für eine Zusammenarbeit mit den Kirchenbehörden finden. Mir liegt das wirklich am Herzen! Ich bin gebürtiger Marienburger und habe meine Kindheit mit den Sachsen verbracht. Brunhilde Schoppel Groza, die Marienburger HOG-Vorsitzende, wohnte auf der gegenüberliegenden Straßenseite von meinem Elternhaus. Bei Treffen mit den ausgewanderten Marienburger Sachsen hatten diese sich einverstanden erklärt mit unserer Absicht, die Verwaltungskosten zu tragen. Ihnen liegt auch sehr am Herzen, dass der Friedhof, wo ihre Ahnen begraben sind, entsprechend gepflegt wird. Wir als Bürgermeisteramt dürfen aber keine Geldmittel aufbringen für Objekte, die wir in keiner Art und Weise mitverwalten können.

Der Standort des modernen Klärwerks in der Nachbarschaft der Burg ist von vielen beanstandet worden…

Das Projekt stammt noch aus der Zeit meines Vorgängers. Soviel ich weiß, wurde für den Bau des Klärwerks eine deutsche Firma verpflichtet. Es handelt sich um hochmoderne Technologie mit chemischer, mechanischer und biologischer Abwasser-Behandlung. Da dürfte es keine Probleme mit unangenehmen Gerüchen geben. Wir legen großen Wert auf Umweltschutz. Auch Marienburg braucht ein Kanalisationssystem für die Abwässer. Nur hätte ich einen anderen Standort fürs Klärwerk vorgezogen – etwas weiter von der Ortschaft, ebenfalls auf der Marienburger Hutweide.

In Sachen Umweltschutz werden immer wieder auch Probleme in Zusammenhang mit „Uzina R“ angesprochen. Wie ernst ist die Lage?

Die Zukunft dieses Werkes ist unsicher. So viel ich weiß, wird dort nur eine Mindestproduktion gesichert. Von den Umweltschutzbehörden heißt es, alles bewege sich, laut Unterlagen, innerhalb der zugelassenen Normen. Ich weiß nicht, ob eventuelle Strahlungen nur im Schutzgebiet, acht Kilometer von Marienburg, zu verzeichnen sind. Die Nachricht über den Ausbau des Werkes war eine Falschmeldung. Es ging lediglich um neue technologische Ausrüstung bei einer Werkabteilung. Eine Schließung des Werkes ist wahrscheinlich mit höheren Kosten verbunden als dessen Beibehaltung.

Was wünschen Sie Ihren ehemaligen Marienburger Landsleuten in Deutschland?

Wir erwarten sie bei der Eröffnung der wiederhergestellten Marienburg. Beim Kreisrat wurde die Abnahme der Arbeiten für den 30. Juni dieses Jahres festgelegt. Wir wollen die Wiedereinweihung festlich begehen. Es ist ja nicht alltäglich, eine Burg zu eröffnen. Mit dabei sein sollten auch unsere Marienburger Sachsen aus Deutschland. Für sie wäre die Urlaubszeit, also der August, der günstigste Zeitpunkt. Wir planen also diese Feier für August ein. Bis dann wollen wir die Zufahrt von der Kirche zur Burg ausbessern – aber nicht mit Asphaltbelag sondern mit Pflastersteinen. Hinzu kommen noch ein Eintrittsbereich mit Souvenirladen, Schalter, Toiletten – und dann wird auch die Aussicht aufs Klärwerk etwas verdeckt.

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch!