Der Schraubenzieher als kommunalpolitisches Instrument

Über die Mängel der Banater Lokalverwaltung / Drei Monate vor den Wahlen ist die Bilanz der Kommunalpolitiker eher dürftig

Symbolfoto: freeimages.com

In Begleitung jubelnder Lokaljournalisten und mit einem Schraubenzieher ausgerüstet, ist der Arader Bürgermeister Gheorghe Falcă vor Kurzem gegen den nagelneuen Bahnhof seiner Stadt vorgegangen: Ein Dorn in seinem Auge musste beseitigt werden. Die Rumänische Eisenbahngesellschaft hatte neue Sitzbänke aufgestellt, auf denen in weißen Buchstaben auf rotem Grund das geflügelte Rad der CFR zu sehen und die Worte Regionala CFR Timişoara zu lesen waren. Dieses Timişoara störte Falca sehr, es bestünde nämlich eine Verwechslungsgefahr, die Bahnreisenden könnten meinen, in Temeswar angekommen zu sein und nicht in Arad.
Die Verantwortlichen der Bahn, die den Bürgermeister bei der Polizei hätten anzeigen müssen, damit gegen ihn wegen versuchter Sachbeschädigung ermittelt wird, zeigten sich versöhnlich, und versprachen, die Schilder selbst abzumontieren, was sie auch getan haben. Und das obwohl der Arader Bahnhof zur Eisenbahndirektion Temeswar gehört.

Genauso wie auch das Arader Finanzamt dem Regionalen Finanzamt in Temeswar unterstellt ist und die Postämter nördlich der Marosch von der Temeswarer Postzentrale aus geleitet werden. Die einschlägigen Schilder beim Eingang in Arader Finanz- und Postämtern sind noch da, aber wer weiß, wie lange noch. In der Aktentasche des Bürgermeisters findet sich bestimmt noch ein brauchbarer Schraubenzieher. War das bloß ein PR-Gag? Was verspricht sich Bürgermeister Falcă von solchen Gesten? Ist der Schraubenzieher-Auftritt ein Symptom seines Realitätsverlustes? Oder ist der Mann einfach nur dumm? Eigentlich spielt die Antwort auf diese Fragen keine große Rolle, so oder so leiden an einem solchen Verhalten bloß die Wähler. Allein deshalb schon könnte man sich für die einfachste Antwort auf die einfachste dieser Fragen entscheiden: Besonders klug ist der Mann nicht und von der sittlichen Vernunft des Politikers müsste er etwas bei Helmut Schmidt nachlesen. In rumänischer Übersetzung gibt es die Bücher des deutschen Ex-Kanzlers aber noch nicht.

Beispiele kommunalpolitischen Versagens

Wie kann man den Bürgermeister, die Stadtratsmitglieder, den Kreisratsvorsitzenden und die Mitglieder des Kreisrates in Arad bezeichnen, ihre Amtskollegen in Temeswar und dieselben lokalen Würdenträger in Reschitza, aber auch in anderen Landkreisen und Kreisstädten Rumäniens, wenn man sich die Bilanz ihrer Kommunal- und Regionalpolitik anschaut?

Das erste Beispiel, ein kreisübergreifendes: Acht Jahre sind vergangen, seit der blasse Constantin Ostaficiuc, Kreisratsvorsitzender von Temesch, die 40 Kilometer lange Kreisstraße 691 von Temeswar über Dumbrăviţa und Jahrmarkt/Giarmata in Richtung Lippa/Lipova neu asphaltieren ließ. Und dabei genau wusste, dass in zwei - drei Jahren bei Jahrmarkt vorbei die Autobahn Arad - Temeswar führen wird und der Verkehr in der bereits damals boomenden Gemeinde Dumbrăviţa zum Erliegen kommen wird. An den vierspurigen Ausbau des Abschnitts zwischen Temeswar und Jahrmarkt konnte Ostaficiuc nicht denken, sein Nachfolger Titu Bojin brauchte eine ganze Amtszeit, vier lange Jahre, bis ihm das einleuchtete. Geschehen ist natürlich noch nichts. Hinter Aliosch beginnt der Kreis Arad und die Temescher Kreisstraße 691 wird als Arader Kreisstraße 682 (Arad - Lippa) weitergeführt. Sie stellt natürlicherweise die kürzeste Verbindung dar zwischen Temeswar und dem Marosch-Tal, dem Arader Weinbaugebiet und dem Kloster von Maria Radna. Dem Arader Kreisrat war das alles unwichtig. Acht Jahre lang wurden diese 20 Kilometer zwischen Aliosch und Lippa nur dürftig geflickt, eine Neu-Asphaltierung kam nie in Frage. Für die Banater Einwohner des Kreises Arad der blanke Alptraum.

Das zweite Beispiel, eben-falls kreisübergreifend: Seit mindestens 15 Jahren wird über die Sanierung der Kreisstraßen zwischen Lippa im Kreis Arad, Busiasch/Buziaş im Kreis Temesch und Berzovia im Kreis Karasch-Severin gesprochen. Diese Straße würde in erster Linie die Städte Bokschan/Bocşa und Reschitza näher an die Autobahn Temeswar - Lugosch bringen und in zweiter Linie den ärmlicheren Nordosten des Kreises Temesch besser an die Hauptverkehrsachse der Region anschließen. Es wurde viel gesprochen und nichts getan. Das Projekt ist tot und längst begraben.

Auch Anderes gäbe es zu erzählen über die Kommunal- und Regionalpolitik in Westrumänien. So ließ man eine Umgehungsstraße für den dem Verfall auf immer und ewig preisgegebenen Kurort Busiasch bauen, obwohl der Schwerlastverkehr zwischen Temeswar und Lugosch früher die Nationalstraße 6 wählte und nun die Autobahn. Die Straße zum Temeswarer Flughafen will der Kreisratsvorsitzende Bojin seit Jahren vierspurig ausbauen, obwohl das keine absolut notwendige Priorität ist, zumindest im Vergleich zu den schweren Verkehrsproblemen im erwähnten Dumbrăviţa. Die angeblich wohlhabendste Gemeinde Rumäniens hat nun eine Trolleybuslinie bekommen, die sie so nicht braucht. Beispiele gibt es noch und noch: Das unfertige Banater Museum, die fehlende Unterstützung der nachhaltigen Landwirtschaft, die fehlenden Konzepte zur Entwicklung des Tourismus in der gesamten Region, die vollkommene Vernachlässigung der Beziehungen zum Ausland, vor allem zum ungarischen Nachbar und vieles mehr.

Zwingende Verwaltungsreformen auf die lange Bank geschoben

Überhaupt müsste aber über Vororte wie Dumbrăviţa gesprochen werden, oder wie Girok und Ghiroda. Würde man in Rumänien etwas von Regionalentwicklung, Städtebau und Kommunalverwaltung verstehen, so würde es heute diese Orte nicht mehr geben, sie wären längst aufgelöst und nach Temeswar eingemeindet sein, genauso wie Glogowatz/Vladimirescu bei Arad, Floreşti bei Klausenburg/Cluj, Schellenberg/Şelimbăr bei Hermannstadt oder die Stadt Voluntari bei Bukarest. Vorgemacht hat man das in Deutschland, Ende der 1960er Jahre, Anfang der 1970er, als eine Reihe von Verwaltungsreformen die Voraussetzungen für eine langfristig planbare, realitätsgebundene und entwicklungsfördernde Kommunalpolitik geschaffen wurden, indem unzählige Klein- und Kleinstorte sowie wachsende Vororte von Großstädten aufgelöst wurden.

Ohne viel Wenn und Aber. Hierzulande geht das nicht, denn es gibt Politiker, wie den ehemaligen Bürgermeister von Dumbrăviţa, Geza Szilagyi, der sich 20 Jahre lang geweigert hat, mit der Stadt Temeswar überhaupt über etwas zu reden. Offiziell - und aberwitzig - hieß es, es gehe um den Erhalt der teilweise ungarischsprachigen Gemeinde, um den Erhalt der Eigenständigkeit, der Lokalautonomie. Es ging um den Erhalt von Szilagyis Gehalt als Bürgermeister, um die Diäten der Kommunalräte, um eine aufgeblähte Beamtenschar, die das riesige Wachstum des Ortes nicht vorhergesehen hat und dann, als es vor ihren Augen geschah, nicht mehr in richtige Bahnen lenken konnte und wollte.

In Reschitza/Reşiţa und im Banater Bergland hat man solche Probleme nicht, dort hat die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft zugeschlagen, ihre Arbeit ist wohl noch lange nicht zu Ende. Währenddessen veröden ganze Landstriche, Kleinstädte wie Orawitza oder Steierdorf/Anina sind ein Schatten ihrer selbst, und dasselbe gilt auch für die ehemals 120.000 Einwohner große Stadt Reschitza, die es heute vielleicht auf 65.000 Seelen bringt. Nur wer nicht abwandern wollte, ist noch da. Gegangen sind die meisten, die klugen, tüchtigen und arbeitswilligen zuallererst. Geblieben sind die Politiker, die jetzt der Reihe nach ins Gefängnis wandern.

Fazit: Einiges ist getan worden, europäische und lokale Haushaltsgelder sind in die eine oder andere Straße geflossen, in das eine oder andere Entwicklungsprojekt. Es fehlen aber Konzepte, es fehlt die Steuerung, es fehlen die klugen Strategien. Und es fehlt an Zusammenarbeit unter den Kommunalpolitikern, an Kooperationswillen. Es fehlt die Antwort auf die wichtigsten Fragen: Wo befindet man sich heute und was will man, was muss man in fünf, zehn, fünfzehn Jahren erreichen? Welche Potenziale gibt es, welche sind ausbaufähig? Was können, zum Beispiel, Temeswar und Arad gemeinsam bewirken? Wie können sie zum nach Bukarest wirtschaftlich stärksten Großraum des Landes zusammenwachsen? Wie kann den Menschen im Banater Bergland, im Zarander Gebirge oder im halbleeren Nordosten des Kreises Temesch eine Perspektive gegeben werden? Wie kann der Bevölkerungsschwund aufgehalten werden?

Antworten auf solche Fragen findet man jedoch mit dem Schraubenzieher in der Hand und den Journalisten hinter sich wohl kaum. Man findet sie bloß mit dem Buch in der einen Hand, dem Heft in der anderen und dem Bleistift hinter dem Ohr. Dass sich ein Schraubenzieher leichter benutzen lässt als Buch und Bleistift, steht eindeutig fest. An dieser Tatsache leiden allein die Wähler. Nur wissen sie es gar nicht und werden es auch nicht wissen, weder heute, noch am Wahltag in drei Monaten.