Der Vogel Strauß und das Symbol der Antikorruption

Verfassungen wurden im 18. Jahrhundert erfunden, um Diktaturen von Mehrheiten entgegenzuwirken, Verfassungsgerichte wachen über die Einhaltung der Verfassung und deuten Zweideutiges. Ihre Entscheidungen sind unumstößlich. Montagmittag verkündete die Sprecherin des Präsidialamtes die Entscheidung von Präsident Johannis („Vogel-Strauß-Politik“ nannten die Kommentatoren die Geste des Präsidenten, nicht selber vor die Medien zu treten), die Chefin der Antikorruptionsbehörde DNA zu entlassen, so wie es in der Entscheidung des Verfassungsgerichts – ohne Angabe eines Termins – bestimmt wurde.

Entscheidungen des Verfassungsgerichts (VG) kann man kommentieren, muss sie aber durchführen. So ist das rumänische Rechtssystem aufgebaut. Wieso hat Präsident Johannis einen Monat gebraucht, um das VG-Dokument und seine Argumentation zu „studieren“? Das Entlassungsschreiben der Chefin der Antikorruptionsbehörde hätte der Präsident auch ein paar Tage nach der VG-Entscheidung unterzeichnen können, nicht unbedingt nach Wochen und am Tag, als die Regierungskoalition drohte, ihn zu suspendieren. Dass seine Suspendierung nur eine Drohgeste Daddy Dragneas war und wahrscheinlich nichts passiert wäre, darauf weist die Tatsache, dass an diesem Tag einer von Johannis´ schärfsten Gegnern, sein verfassungsmäßiger Stellvertreter, Senatspräsident Popescu-Tăriceanu, in Urlaub ging.

Einfache wie professionelle Beobachter der Politikszene Rumäniens blieben mit dem Eindruck einer Geste der Übervorsichtigkeit des Präsidenten, ins Schlimme mutiert durch die Vermeidung der Direktkonfrontation mit der öffentlichen Meinung. Gerade in diesem Fall der Entlassung der Chefstaatsanwältin aufgrund einer wackligen Entscheidung des Verfassungsgerichts und den simplen Argumentationen des Justizministers, hätte Johannis noch einige Mittel zur Hand gehabt (etwa beim VG anfragen, welches denn der Termin der Durchführung des Urteils ist), zumindest einen glaubhaften Unterschreibungszwang der Entlassung öffentlich zu machen und PERSÖNLICH vor der Öffentlichkeit zu argumentieren, nicht neutral und Vogel-Strauß-mäßig von der Pressesprecherin verkünden zu lassen. Ich glaube außerdem auch, dass eine der juristischen Chefberaterinnen des Präsidialamtes vor zwei Wochen nicht zufällig zurückgetreten ist...

Sich selbst hat Präsident Johannis mit dieser nach einem Scheinwiderstand getroffenen Entscheidung den schlimmsten Bärendienst geleistet, den man sich leisten kann. Seine Taktik des endlosen Abwartens und der vornehmen Zurückhaltung hat am Montag ihre schlimmsten Folgen gezeigt: Er verlor seine Glaubwürdigkeit.

Der Präsident spielte (nicht nur in der Causa Kövesi) seine Rolle – so eingeengt sie mit ihren verfassungsmäßigen Schranken auch ist – passiv und übervorsichtig. Ob das der Absicht von Klaus Werner Johannis, sich einer Wiederwahl zu stellen, entgegenkommt? In diesem Land ist ein braver Bürger – Johannis war zur Unterschrift gezwungen durch ein endgültiges und unangreifbares Urteil des Verfassungsgerichts – nicht unbedingt ein Sympathieträger.

Jetzt muss der Justizminister einen Nachfolger für Laura Codruța Kövesi bestimmen, den der Präsident nur noch bestätigen kann nach den Gesetzesnovellierungen der letzten Monate zur systematischen Entmachtung des Präsidenten. Laura Codruța Kövesi hatte einen stolzen und würdigen Abgang. Sie reagierte gesetzt und zurückhaltend, aber bestimmt, dankte ihren Kollegen, den Staatsanwälten (die sie mit Applaus verabschiedeten) und forderte die Bürger auf, den Antikorruptionskampf weiter zu unterstützen. Und sie ließ ein paar Fragezeichen im Raum zurück: bezüglich des Vorgehens des Justizministers, des Verfassungsgerichts, auch des Präsidenten.

„Gebt nicht auf!“, waren ihre Abschiedsworte auf den Treppen der Antikorruptionsbehörde DNA.