Der Weg aus dem Sumpf

Klaus Johannis und Laura Codruța Kövesi Archivfoto: Agerpres

Das Schreiben des Präsidenten der Venedig-Kommission, Gianni Buquicchio, und die Ankündigung der Vorbereitungen für seine einstweilige Amtsenthebung (beides: 7. Juli 2018) zwangen Präsident Johannis, die Entlassung der Vorzeigedame des rumänischen Antikorruptionskampfes, Laura Codruța Kövesi, zu unterzeichnen. Der Antikorruptionskampf wurde geköpft.

Dass er die Nachricht nicht selbst den Medien mitteilte und erklärte, zunächst die Erklärung des Verfassungsgerichts zur Formel „definitiv und verpflichtend“ einzufordern, warf ein schlechtes Licht auf ihn, untergrub seine Glaubhaftigkeit. „Endgültig und verpflichtend“ verwendet auch Gianni Buquicchio, unterstreicht aber jedermanns Recht, Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu kritisieren, nur: „Inhaber öffentlicher Funktionen müssen sich mit ihren Kritiken zurückhalten“. Ansonsten gelte Redefreiheit als Grundrecht.

Aus den Vorgängen der vergangenen Woche sind (mindestens) zwei Schlussfolgerungen zu ziehen: a) Der Status und die Rolle des Verfassungsgerichts CCR als Grundorgan zur Verteidigung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz müssen neu durchdacht und seine Zusammensetzung politisch unabhängiger werden. b) Wenn sich die Dinge in Rumänien weiterhin in dieselbe Richtung entwickeln, stehen Richter und Staatsanwälte bald wehrlos im Angriffshagel straffälliger Politiker, die sich Gesetze nach eigenem Gutdünken zurechtschneidern.

Hinsichtlich der Angebote an Kövesi, in die Politik zu wechseln, wäre es möglich, dass sie die Beispiele dreier prominenter europäischer Vorkämpfer im Antikorruptionskampf kennt: des Italieners Antonio di Pietro, der Französin Eva Joly, und des Spaniers Baltazár Garzón. Di Pietro hatte 1992-94 die Affäre „Mani Pulite“ untersucht, die das Parteiensystem der Ersten Italienischen Republik zunichte machte. Er wurde 1994 unter politischem Druck gestoppt, musste abdanken, wurde ein Politiker unter vielen, wechselte ins EU-Parlament und wurde Minister unter Romano Prodi. Weiter nichts. Derjenige jedoch, der im Zentrum seiner Untersuchungen stand, Silvio Berlusconi, wurde mehrmals Premierminister und hebt schon wieder den Kopf aus dem Sumpf.

Ähnlich erging es Eva Joly. Sie brachte den allmächtigen Boss von Olympique Marseille, Bernard Tapie, zu Fall, der auch als Politiker aktiv war (Fälle Crédit Lyonnais, Elf Aquitaine, Phocéa), sowie 2003 den Ex-Außenminister Roland Dumas (einschließlich in seiner Rolle als Vorsitzender des Verfassungsausschusses Frankreichs). Auch sie wurde politisch gestoppt. In der Politik hat sie es immerhin zur grünen EU-Abgeordneten gebracht (2009, 2014). Am schlimmsten traf es den spanischen Korruptionsjäger Garzón: Er wurde auf politischen Druck aus der Magistratur ausgeschlossen.

In den drei Fällen tat sich nach der Beseitigung der Antikorruptionskämpfer eine Kluft auf (bis zu einem Jahrzehnt – in Italien mehr). Die Justiz war wehrloser dem Druck korrupter Politiker ausgesetzt (in Frankreich, meinen einige, hat erst der Sieg Emmanuel Macrons 2017 dem wirklich ein Ende gesetzt). Der Antikorruptionskampf nahm eine Auszeit.

Nachdem der Druck auf Präsident Johannis nun nachlassen müsste, hat er, bei allen Gesichtsverlusten, einen größeren taktischen Freiraum. Auch seine politisch-verfassungsmäßigen Angriffs- und Abwehrmöglichkeiten sind größer, meinen Kommentatoren. Jetzt braucht er wirklich gescheite, hervorragend juristisch gebildete und mit den rumänischen Sumpftaktiken gut vertraute Berater. Es gilt, aus dem unter Verlusten gewonnenen taktischen Vorteil gegenüber Hauptwidersacher Liviu Dragnea einen strategischen zu machen.