Deutsche Literatur außerhalb des deutschen Sprachraums

Neue Anthologie zur „fünften deutschsprachigen Literatur“ erschienen

Das neue Buch des Medienvereins FunkForum „Die 5. deutschsprachige Literatur, heute. Deutsche Gegenwartsliteratur in Rumänien und Ungarn“ stellt 13 Autoren und Autorinnen aus den beiden osteuropäischen Ländern vor. Zum Buch gibt es auch eine DVD mit Aufnahmen der Schriftsteller.

Deutschsprachige Literatur reicht weit über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinaus. Das wusste auch der inzwischen verstorbene Ingmar Brantsch. Der Literaturkritiker schwärmte Zeit seines Lebens unentwegt von der sogenannten „fünften deutschsprachigen Literatur“. Er verwies immer wieder auf den Literaturkreis „Stafette“ aus Temeswar, aber auch auf die Schriftsteller seiner ehemaligen Heimat Siebenbürgen.

Die deutschen Minderheiten aus Mittel- und Osteuropa, die sich entlang der Donau vor mehr als 250 Jahren ansiedelten und im Karpatenbogen vor 850, brachten entlang der Jahrhunderte namhafte Schriftsteller hervor. Gegenwartsautoren wie Herta Müller und Eginald Schlattner haben das deutsche Osteuropa in den Westen gebracht. Beide Schriftsteller erzählen vom Leidensweg einer Minderheit, die aufgrund des Kalten Krieges isoliert wurde. Ihre Romane handeln von der Deportation nach Russland, von der Verfolgung durch die rumänische Geheimpolizei sowie von Enteignung und Vertreibung. Sie handeln vom Überlebenskampf einer Bevölkerungsgruppe, die letztendlich Opfer der Geschichte wurde. Vom Aufbruch deutscher Bauern in einen Wilden Osten, wo sie Tod und Not erfuhren, ehe sie es schafften, eine Zivilisation aufzubauen, bis zum Massenexodus ihrer Nachkommen, die von einem totalitären Regime in die Knie gezwungen wurden. Aber niemals gänzlich.

Wenn Geschichte etwas gezeigt hat – sei es durch die Aufzeichnungen von Historikern oder eben durch fiktionale Werke von Autoren wie Müller und Schlattner – dann das, dass die Deutschen aus Mittel- und Osteuropa ein zähes Volk sind.

Selbst nach zwei Weltkriegen und sozialistischen Diktaturen gibt es noch Rumänien- und Ungarndeutsche. Zwar in stetig schrumpfender Zahl und nur noch zu einem Bruchteil der ursprünglichen Bevölkerung, aber sie bleiben und – was Ingmar Brantsch und viele Literaturforscher so faszinierte – sie schreiben.

Das 70 Seiten starke Buch des Medienvereins FunkForum mit dem Titel „Die 5. deutschsprachige Literatur, heute. Deutsche Gegenwartsliteratur in Rumänien und Ungarn“ ist ein Zeugnis dafür. Darin finden sich literarische Texte von 13 Autoren aus dem Banat, Siebenbürgen sowie aus Ungarn. Im Buch werden Benjamin Józsa, Eginald Schlattner, Joachim Wittstock und Christel Ungar-Ţopescu vorgestellt. Vertreten sind ebenso die jungen Autoren und Autorinnen Bianca Barbu, Petra Curescu, Alexandrina Paul, Henrike und Lorette Br²diceanu-Persem sowie Lucian Vărşăndan. Und nicht zu vergessen die Ungarndeutschen Christine Arnold, Robert Becker und Stefan Valentin.

Die Geschichten ihrer Herkunft sowie Zugehörigkeit zum Deutschtum ist so bunt, wie die Literatur, die sie machen. Das, was sie verbindet, ist die deutsche Sprache.
Im August wurde das neue Buch des FunkForums zur deutschsprachigen Literatur Osteuropas in Temeswar/Timişoara im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus (AMG-Haus) vorgestellt. Nach zehn Jahren strebte der grenzüberschreitende Medienverein eine erneute Zusammenarbeit mit dem Literaturkreis „Stafette“ sowie mit dem Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) an. 2003 produzierte das FunkForum eine Hör-CD. Jetzt wurde als Begleitung zum Buch eine DVD gemacht. Darauf sind nicht nur Audio- sondern auch Videoaufnahmen der Schriftsteller vorhanden.

Im AMG-Haus kamen acht Autoren aus Ungarn und Temeswar zusammen. Es war das zweite Treffen innerhalb eines Jahres in dieser Konstellation, um für die Neuerscheinung zu werben.
Die Botschaft sowohl des FunkForums als auch der Partnerorganisationen ist klar: Wir sind noch da und wir sind aktiv. Mit der Auswanderung der meisten Ex-Mitglieder der Aktionsgruppe Banat sowie Herta Müllers und anderer Vertreter des Literaturkreises Adam-Müller-Guttenbrunn ist die deutschsprachige Literatur in Rumänien nicht ausgestorben. Und das gilt auch für Siebenbürgen und das Nachbarland Ungarn.

Der Medienverein weiß, wie wichtig der Kampf um Fortbestand ist. Schließlich zählen zu seinen Mitgliedern deutschsprachige Journalisten aus Rumänien, Ungarn und Serbien. Auch sie müssen tagtäglich darum ringen, dass ihre Redaktionen nicht aufgelöst und ihre Zeitungen, Fernseh- sowie Radiosendungen ihren Platz in den Nachwende-Gesellschaften finden.
Und auch der Literaturbetrieb hat es nicht einfach. Das trifft auf den allgemeinen und darum dann besonders auch auf den der Minderheiten zu. Darum ist Präsenz besonders wichtig.

Die neue Anthologie beweist auf 70 Seiten und einer DVD, wieso man von einer fünften deutschsprachigen Literatur sprechen sollte. Eben weil eine Gruppe von Literaten jenseits des deutschen, österreichischen und schweizerischen Buchmarktes Texte schreiben und veröffentlichen. Zwar nicht jeder auf dem Niveau einer Literaturnobelpreisträgerin, aber die Plattform wurde geschaffen und somit sind auch die Voraussetzungen gegeben, dass in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren deutschsprachige Weltliteratur auch in Osteuropa ihren Ursprung hat.