„Die Deportierten. Eine schwere Vergangenheit“

Vorstellung von Cristian Amzas drittem Film einer Serie zum Thema Deportation

Deportierte Frauen im Donbass

Das Schillerhaus Bukarest organisiert nun schon seit 30 Jahren Gedenkveranstaltungen zum Anlass der Deportation der deutschen Minderheit im Januar 1945. Am 29. Januar wurde im bekannten Altbau in der Bukarester Innenstadt der Dokumentarfilm von Cristian Amza zum Thema der Deportation vorgeführt. „Die Deportierten. Eine schwere Vergangenheit“ ist der dritte Teil einer Serie, die 2016 als Projekt von TVR 2 begonnen hat und inzwischen von TVR 3 finanziert wird.

Bischofsvikar und Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli sprach vor der Vorführung einleitende Worte und erwähnte die Hilfestellung, die die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien vor allem den zurückgebliebenen Kindern der Deportierten ab ’45 bis zum Jahre ’48 geleistet hat, als dies verboten wurde. Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement der Regierung für interethnische Beziehungen, deutete darauf hin, dass vor allem Frauen von dem tragischen Moment der Geschichte betroffen wurden, da viele Männer von der Front noch nicht zurückgekehrt waren.

Projektleiterin Aurora Fabritius erwähnte die große Büchersammlung, die das Schiller-Haus zum Thema der Deportation besitzt. Die Bewahrung der Erinnerung an das Ereignis sei von größter Wichtigkeit, um Ähnliches in der Gegenwart und Zukunft zu vermeiden, so Fabritius. Dr. Klaus Fabritius, Forumsvorsitzender des Regionalforum Altreich und begeisterter Fotograf, war auch anwesend.

Nach einer kurzen musikalischen Einlage von Ana Bădică und Marius Boldea (beide Klavier) wurde der Film abgespielt. Der 45-minütige Dokumentarfilm von Cristian Amza beginnt mit Bildern eines Zuges, der durch einen Tunnel fährt, Stacheldrahtzaun und alten Fotos von Deportierten in Russland, schweift dann aber über zu idyllischen Luftaufnahmen von Kirchenburgen und Siebenbürger Landschaften, begleitet von einer originellen Version des Liedes „Die Gedanken sind frei“ – ein Bild, das sich wie ein Leitfaden in der Mitte und dem Ende des Filmes wiederholen wird.

Dr. Daniel Zikeli ist der erste, der im Film zu Wort kommt, er erzählt von den Abenden des 10. und 11. Januar, als die Angehörigen der deutschen Minderheit in Bukarest und außerhalb der Karpaten von zuhause abgeholt wurden, und dem 15. Januar 1945, als die Deportation in Siebenbürgen begann.

Vlada Frieda, die erste der drei Deportierten, die im Film von der Erfahrung berichten, erzählt ihre Geschichte mit ihren 94 Jahren mit einer faszinierenden Detailgenauigkeit in perfekter rumänischer Sprache, von der Abfahrt Richtung Donbass bis zur Ankunft, als sie nach tagelanger Fahrt in Viehwaggons kein Essen bekommen haben, dass sie täglich fünf Kilometer durch Eis und Schnee zu Fuß zurücklegen musste, um zur Kohlenmine zu gelangen, wo sie die nächsten vier langen Jahre 800 Meter unter der Erde arbeiten sollte. Angemessene Kleidung gab es kaum, den Strafgefangenen wurden alte, meist viel zu große Jacken und Galoschen gegeben, sie hatten jedoch keine Strümpfe oder zumindest Fetzen, um die Füße vor Schnee und Eis zu bewahren, so musste man auf dem Hin- und Rückweg alle paar Minuten anhalten, um ganze Schneebälle aus den Galoschen herauszuholen. Oft bangten die Strafgefangenen darum, ihre Gliedmaßen zu verlieren, da diese meist vor Kälte schwarz angelaufen waren. Frieda erlitt nach ihrer Rückkehr drei Querschnittslähmungen deswegen, die jeweils einige Monate andauerten. „Wir haben erst geglaubt, dass wir wieder nach Hause gelangen, als wir den Prut überquert haben. Als mich meine Mutter bei der Rückkehr sah, hat sie sich erschrocken. Das Wiedersehen war eine große Freude“. Nur konnte sie leider nichts anfassen, ihre Hände waren von der Arbeit gelb, die Haut rau und verhärtet, erst nach einem Jahr fühlte sie sich wieder normal an.

Bilder vom heutigen Schäßburg leiten zu den Worten von Stadtpfarrer Hans-Bruno Fröhlich über, der von den 464 Personen erzählt, die aus Schäßburg deportiert worden sind – die meisten hielten eine Rückkehr für ausgeschlossen. Auch seine Großmutter wurde deportiert. „Es ist ein schwarzes Kapitel in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen, aber auch in der Geschichte des Landes generell. (…) Die Altersgrenzen der Zwangsarbeiter wurden nicht berücksichtigt, oft wurden ältere und jüngere Menschen mitgenommen, als es der Befehl vorschrieb“. Viele alte Leute und Kinder wurden zurückgelassen, wie der Schäßburger weiter berichtet.

Auch die Schäßburgerin Wilhelmina Tornea (94) hat noch viele Erinnerungen an die drei Jahre und sieben Monate im Donbass, wo sie täglich mit durchnässten Kleidern, im Winter durch eisigen Wind bei minus 40 Grad nach langen Stunden im Kohlenschacht zurück ins Lager gehen musste. Viele von den Zwangsarbeitern, vor allem die Männer, wurden auch nach ihrem Beruf eingeteilt – so haben Handwerker, Schuhmacher oder Schneider oft im jeweiligen Bereich arbeiten können.
Unter Tränen erzählt Frau Tornea von ihrer Rückkehr, vom Wiedersehen mit ihren Eltern und der großen Freude unter allen Nachbarn, als sie endlich wieder zu Hause war.

Die 98-jährige Maria Heinrich erzählt ihrer Enkelin auf Siebenbürgisch-Sächsisch ihre traurige Geschichte. Bei ihrer Deportation ins Ural-Gebirge musste sie drei kleine Kinder zurücklassen. Im Lager wurden die Deportierten von der Lagerwache, die meist aus Russlanddeutschen bestand, ausschließlich mit Ordnungszahlen angesprochen. Maria musste immer im Tagebau arbeiten, wo alles vereist und die Arbeit am schwierigsten war. Bei ihrer Rückkehr erkannte sie ihr kleinster Sohn nicht mehr, fünf Jahre waren vergangen, auch ihre Mutter war inzwischen eine alte Frau.

Die Porträts der „Darsteller“ werden im Verlauf des Filmes immer wieder durch Fotos aus der Deportationszeit ergänzt, Zeichnungen und Holzschnitte von Viktor Stürmer geben dem Ambiente eine sehr ernste, doch authentische Note.

Die Politologin Dr. Annelie Ute Gabanyi (Berlin) spricht im Schlussteil über das kollektive Drama und Trauma der Deportation und deren Auswirkungen, die bis zum heutigen Tag anhalten. Wenn man zwei Personen nennen sollte, die dem gesamten deutschen Volk Schaden zugefügt haben, würden die beiden Hitler und Stalin heißen, sagt Dr. Gabanyi zum Abschluss.

Cristian Amza ist Absolvent des Institutes für Theater und Film Bukarest, ist seit 2009 Filmemacher bei TVR 2 und war im Laufe seiner Karriere unter anderem als Redakteur, Regisseur und TV-Produzent tätig. Außerdem hat er eine stolze Reihe an Dokumentarfilmen und -serien produziert, wie „Siebenbürgische Wege“ (1992-2004), „Stefan Hell, ein außerordentlicher Wissenschaftler“ (2015) und viele mehr.

Amzas aktueller Film ist auf Youtube zu finden und sehr zu empfehlen. Zu oft vergisst man heutzutage, wie gut man es eigentlich hat. Es ist für uns schwer vorstellbar, was viele unserer Vorfahren durchleben mussten, wir sollten uns glücklich schätzen, dass diese Dinge der Vergangenheit angehören, die Erinnerung daran aber trotzdem bewahren.