Die Eltern der Wälder der Zukunft

Großangelegte Baumpflanzaktion mit Kindern soll Umweltbewusstsein frühzeitig fördern

Die Zwillinge Alex und Andrei sind mit Feuereifer bei der Sache.

Meda Dobocan organisiert die Aufforstungsaktionen.

Eine Umweltaktion als fröhliches Familienerlebnis

Familie Niţulescu als Umweltvorbild: Für die vierjährige Tea ist Mülltrennung selbstverständlich.

Liebevoll werden die Bäumchen nach dem Einpflanzen getauft und mit Namensschildern versehen.
Fotos: George Dumitriu

Meda Dobocan strahlt mit der Frühlingsonne um die Wette. Die junge Frau mit dem wippenden dunklen Pferdeschwanz fühlt sich in ihrem Element. Rings um sie greifen kleine und größere Hände zum Spaten. Liebevoll werden Setzlinge mit den Wurzeln in die weiche Erde gedrückt. Ohne Scheu ziehen die Kleinen die an olivgrüner Kleidung erkennbaren Förster am Ärmel, die für solche Aktionen gerne ihren freien Sonntag opfern. Irgendjemand muss schließlich vormachen, wie man Wäldern neues Leben schenkt. Ein Junge bestaunt die Baumreihen, die im vorigen Jahr auch mit seiner Hilfe entstanden sind: Am Fuß der zarten Stämmchen strecken Buschwindröschen, Hahnentritt und Veilchen ihre bunten Köpfe aus dem trockenen Laub. „Ich kann mich gar nicht erinnern, dass wir auch Blümchen gepflanzt haben!“, ruft der Knirps verwundert aus.

„Bäumchen, geliebt von Matei Terecoasa, Colegiul National ‚Elena Cuza‘“, lese ich auf einem der Schilder, die von den frischgepflanzten Setzlingen baumeln. Eine Million Bäumchen zu pflanzen hat sich Meda Dobocan mit der Organisation der jährlichen Aktion „Kinder begrünen Rumänien“ vorgenommen. Hunderte Kindergärten und Schulen aus Bukarest und Ilfov beteiligten sich seither jeden Frühling und Herbst bei fast jedem Wetter. Die im Internet veröffentlichte Erfolgsliste beeindruckt. Herbst 2011: 3000 Vorschulkinder pflanzten gemeinsam mit Erzieherinnen und Eltern über 5000 Bäumchen, Buchen und Eichen - immerhin ein Hektar Wald. Frühling 2012: 8000 Kindergartenkinder und Schüler begrünten zwei Hektar mit 10.000 Akazienbäumchen; in der Aktion vom Herbst sind es dann schon drei Hektar, diesmal Eschen, und jedes Jahr werden es mehr. Zählt man alle bisherigen Freiwilligenaktionen im Rahmen des Projekts zusammen, haben die Kleinen bis Anfang 2015 insgesamt 70.000 Waldbäume auf 11 Hektar von Erosion, Abholzung oder Überschwemmung betroffenen Flächen aufgeforstet.

Ein signifikanter Beitrag für das von Abholzungsskandalen gebeutelte Land - geleistet ausgerechnet von den  Kleinsten! Ihr Umweltbewusstsein möglichst früh zu schulen ist eines der Ziele  der Kampagne - doch nicht das einzige, wie Meda mit feinsinnigem Lächeln bekennt. „Ich habe mich gefragt, wie erreicht man die vielen ignoranten Erwachsenen, die Umwelterziehung viel nötiger hätten... Die Antwort liegt auf der Hand - über ihre Kinder!“

Ein Familientag im Wald

Sonntag, der 4. April 2015 im Forst Balta Neagra von Snagov, in der Nähe des Klosters C²ld²ru{an: Noch ist der Wald nackig und braun, doch erste Blümchen und ein strahlender Himmel verheißen den nahenden Frühling. Ein Polizeiwagen steht an der Einfahrt zur Forststraße, aus der erste bunte Grüppchen strömen. Die Aktion neigt sich dem Ende zu, Kinder mit leuchtenden Gesichtern und schmutzigen Hosenboden krabbeln in parkende Autos. Wir folgen den grünen Hinweisschildern, die den Weg zum aufzuforstenden Gelände  tief im Inneren des Waldes weisen. Zwei Mädchen mit rosa Müllsäcken kommen uns strahlend entgegen. Die Reste des gemeinsamen Picknicks wurden selbstverständlich mitgenommen, kommentieren die nachfolgenden Erwachsenen. Wir passieren die jungen Baumreihen der letzten Pflanzaktionen und kommen schließlich an ein großes freies Feld.

Während erste erschöpfte Knirpse schon ihre Spaten abgeben, sind andere noch hochkonzentriert bei der Sache. Die Zwillinge Alex und Andrei Sîrbea lassen sich selbst vom Fotografen nicht beirren. Auch die vierjährige Tea will unbedingt noch ihre sechste Schattenmorelle pflanzen. Eine weitere darf sie mit nach Hause nehmen, für den eigenen Garten. „Im Gartencenter findet man sie ja nicht mehr“, beklagt die Mutter, Diana Niţulescu. An den Aufforstungsaktionen nimmt die junge Familie regelmäßig teil, denn Umweltschutz liegt ihnen am Herzen. Wie selbstverständlich wird zuhause der Müll getrennt, und wenn Papa mal etwas falsch macht, ist es Tea, die  ihn zur Ordnung ruft, freut sich die junge Frau. Ein seltenes Beispiel im für Umweltbewusstsein noch wenig sensiblen Rumänien. Die Niţulescus, vor kurzem aus der Stadt aufs Land gezogen, versuchen sich in Vorbildfunktion. Freilich noch mit zweifelhaften Erfolg - man ärgert sich über plastikmüllverbrennende Nachbarn, und diese wiederum wundern sich, warum die Familie den Flaschenmüll zu den Gemeindecontainern bringt: „Wieso schmeißt ihr das nicht zuhause in die Tonne, habt ihr keinen Vertrag mit der Müllabfuhr?“ Bevor es nach Hause geht, posiert Tea mit Mama und Papa vor dem Plakat der Öko-Aktion.

Herzensprojekte

Es sind Tage wie diese, die sich wie Balsam auf Medas Seele legen. Denn viel hat sich für die erfolgreiche Management-Beraterin verändert, seit sie 2011 ihre eigene NGO „Asocia]ia Familia Sanatoasa“ (AFS) - Vereinigung für eine gesunde Familie  -  ins Leben rief. „Wir arbeiten von morgens bis abends und sind viel zu nervös“, war der jungen Frau eines Tages aufgefallen. „Wir denken nur noch in eine Richtung - und gar nicht mehr an uns“ fügt sie nachdenklich an. Sie beschloss daraufhin, beruflich etwas leiser zu treten und sich einen Traum zu erfüllen: Gemeinsam mit ihrer Freundin Corina Bârsan gründete sie ihre eigene NGO mit Aktivitäten in gleich mehreren Bereichen: Neben den Aufforstungsaktionen gibt es Projekte zu Mütterberatung für Schwangere, zu gesunder Ernährung, Recycling, Psychologie und vieles mehr. „Mir fiel auf, dass Kinder immer weniger angeregt werden, ihre Gefühle mitzuteilen“ motiviert die aus dem medizinischen Marketingbereich kommende Jungmanagerin in der Idee für ein früheres Projekt, in dem die Kleinen für ihre Eltern etwas basteln und mit einer Herzensbotschaft versehen sollten, anstatt einfach nur ein Geschenk zu kaufen. Sich neue Projekte auszudenken bereitete ihr Freude, und ihre bisherige berufliche Erfahrung im Bereich Marketing und Verkauf ist für die Umsetzung von großem Nutzen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich schnell Erfolge einstellten und - eine der schwierigsten Herausforderungen - immer wieder Sponsoren finden ließen.

Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit

An den Aufforstungkampagnen mit Kindern beteiligen sich mittlerweile mehrere Hundert Bildungsinstitutionen. „Zwei Monate vor den Aktionen schicken wir unsere Volontäre in die Kindergärten und Schulen“, erklärt Meda Dobocan. „Unsere Partner kennen die Prozedur bereits. Erzieher und Lehrer greifen dann auf unsere Webseite zu (www.micsiecologist.ro), wo wir kindgerecht aufbereitetes Material für die Umwelterziehung einstellen.“ Eine Figur namens Sâmburel - ein sympathisches Samenkörnchen mit riesigen Augen und grünem Keimblätterschopf - führt die Kleinen in die bevorstehende Pflanzaktion ein. Es erzählt ihnen, warum Wälder wichtig für uns sind, wie wir die Umwelt besser schützen können oder was Recycling bedeutet. Die Geschichten denkt Meda sich in ihrer Freizeit aus: „Wenn ich abends vom Büro nachhause komme, verwandle ich mich augenblicklich in Sâmburel“, gesteht die junge Frau.

Höhepunkt des Projekts ist die gemeinsame Pflanzaktion, in die sich Freiwillige mit ihren Eltern einschreiben. Oft kommen auch Erzieherinnen oder Lehrer mit ganzen Gruppen, verbinden ihren Einsatz mit einem Picknick, einem Ausflug oder Waldspaziergang. Gepflanzt wird bei fast jedem Wetter. Vor allem im Herbst, bei Wind und Kälte, fällt es so manchen Eltern schwer, sich für den Einsatz zu mobilisieren, erzählt Meda. „Doch nach der Aktion kommen immer wieder Mütter zu mir und bedanken sich - sie hätten ja gar nicht gewusst, wie schön es trotz des Schlechtwetters sein kann ...“

Doch mit dem Einsatz des Spatens ist die Kampagne noch lange nicht beendet. Jedes Kind darf sein Bäumchen taufen, lustig flattern die Namensschilder - die freilich später eingesammelt werden - im Wind. Und weil man sein geliebtes Baumkind nicht einfach aus den Augen verlieren kann, hält Sâmburel die „Eltern der zukünftigen Wälder“ mit Fotos und Berichten auf dem Laufenden. Mindestens fünf Jahre lang wird die Entwicklung der Mini-Wälder von der NGO aufmerksam verfolgt und von den beteiligten Forstverwaltungen intensiv betreut.
So wächst das Samenkorn der Liebe, das Meda bereits in die Herzen tausender Kinder pflanzen konnte, sichtbar - und unsichtbar - heran: gesunde Wälder und umweltbewusste Menschen, für ein nachhaltig grünes Land, in dem eines Tages niemand mehr illegale Abholzungen dulden wird.